In der Niedrigzinsphase mussten Banken dafür zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parkten. Viele haben das in Form von Verwahrentgelten an ihre Kunden weitergereicht. Zu Unrecht?
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Über Jahre berechneten viele Banken ihren Kundinnen und Kunden sogenannte Verwahrentgelte für deren Guthaben.
Mittlerweile sind diese Negativzinsen zwar weitgehend wieder verschwunden – rechtlich aber ist weiter umstritten, ob Geldhäuser sie überhaupt verlangen dürfen. Mit dieser Frage beschäftigt sich der Bundesgerichtshof (BGH). Fragen und Antworten:
Wie kam es zu den Negativzinsen?
Die waren in der Regel zwar erst ab einem bestimmten Freibetrag fällig, nach Angaben von Marktbeobachtern erhoben einige Geldhäuser das Entgelt aber schon ab 5.000 Euro. Als die EZB die Negativzinsen im Juli 2022 abschaffte, lockerten auch Banken und Sparkassen die Gebührenschraube wieder.
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Worum geht es in Karlsruhe?
Der BGH verhandelt über Klagen von Verbraucherzentralen gegen vier Banken und Sparkassen, die Verwahrentgelte für Einlagen auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten erhoben hatten. Die Verbraucherschützer klagen auf Unterlassung oder Rückzahlung. Ob heute schon ein Urteil fällt, ist offen. (Az. XI ZR 61/23 u.a.)
Was kritisieren die Verbraucherzentralen?
Den Verwahrentgelten liege keine echte Verwahrung zugrunde, sagt David Bode vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Eine Verwahrung wäre, wenn ich mit Bargeld zu meiner Bank gehe und sie bitte, das in ein Schließfach einzuschließen.
David Bode, Verbraucherzentrale-Bundesverband
Da die Banken über Geld auf Giro- oder Tagesgeldkonten verfügen und daraus Gewinne erzielen dürfen, handele es sich um eine sogenannte unregelmäßige Verwahrung. Auch die sei gesetzlich geregelt, so Bode: Das Kreditinstitut sei als Darlehensnehmer verpflichtet, dem Kunden den geschuldeten Zins zu zahlen.
In Ausnahmefällen wie der Niedrig- oder sogar Negativzinspolitik der EZB könne dieser Zins vielleicht auf null gehen. „Der kann sich doch aber nicht ins Gegenteil verkehren“, sodass plötzlich der Darlehensgeber einen Zins zu zahlen habe.
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In der Regel würden Kunden schließlich schon Kontoführungsgebühren zahlen. Dazu sagt Bode:
Ein Girokonto ist für die Abwicklung von Zahlungsdiensten gedacht, die vom Kreditinstitut gar nicht erbracht werden können, wenn kein Geld auf dem Konto liegt.
David Bode, Verbraucherzentrale-Bundesverband
Banken und Sparkassen haben sich somit eine zusätzliche und nicht zulässige Einnahmequelle geschaffen.
Was sagen die Banken?
Aus Sicht der unter anderem beklagten Volksbank Rhein-Lippe waren die Verwahrentgelte in der Negativzinsphase zulässig: „Will man eine Quersubventionierung vermeiden, gibt es keine Alternative dazu, einer Leistung auch die entsprechenden Kosten zuzuordnen und über den Preis eine Deckung sicherzustellen“, so eine Sprecherin. Dabei habe die Bank die Entgelte nicht pauschal eingeführt, sondern mit Kunden aktiv nach Lösungen gesucht.
Im Ergebnis mussten daher auch nur in wenigen Einzelfällen Verwahrentgelte für besonders hohe Einlagen individuell und schriftlich vereinbart werden.
Sprecherin Volksbank Rhein-Lippe
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Welche Folgen könnte das Urteil haben?
Nur wenige Banken und Sparkassen erheben heute noch Verwahrentgelte. Sollte der BGH die Negativzinsen für unzulässig erklären, könnten Betroffene aber womöglich die damals erhobenen Zinsen zurückfordern. Einer Umfrage des Vergleichsportals Verivox zufolge zahlten 13 Prozent von rund 1.000 Befragten Negativzinsen – ein Großteil gab an, die Strafzinsen nach einem entsprechenden Urteil zurückfordern zu wollen.
Und: „Das Thema Negativzinsen mag in der aktuellen Zinslage an Bedeutung verloren haben“, sagt Michael Hummel, Jurist bei der Verbraucherzentrale Sachsen. „Doch für künftige Niedrigzinsphasen brauchen wir klare rechtliche Vorgaben“.
Quelle: dpa