Viele Unternehmer kennen das Problem: Geschäftspartner zahlen Rechnungen zu spät oder unvollständig. Das betrifft nicht nur die Hauptforderung, sondern oft auch vertraglich vereinbarte Nebenkosten. Doch wann genau können Sie als Gläubiger Verzugszinsen oder eine Verzugspauschale fordern, insbesondere wenn es um Nebenkosten im gewerblichen Mietvertrag geht? Eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bringt hier wichtige Klarheit.
Das Problem: Sind Nebenkosten Teil des „fälligen Betrags“?
Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen (B2B) regelt die EU-Richtlinie 2011/7/EU die Bekämpfung von Zahlungsverzug. Diese Richtlinie sieht vor, dass Gläubiger bei Zahlungsverzug unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Verzugszinsen und eine Pauschale für Beitreibungskosten (in Deutschland in der Regel 40 Euro) haben. Entscheidend ist dabei der Begriff des „fälligen Betrags“. Lange war nicht gänzlich geklärt, ob darunter nur die reine Hauptleistung (z.B. die Kaltmiete) fällt oder auch vertraglich vereinbarte Nebenkosten.
EuGH-Urteil stärkt Gläubigerrechte (EuGH, C-725/23)
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 12. Dezember 2024 (Az. C-725/23 – Tusnia) diese Frage nun zugunsten der Gläubiger entschieden.
Worum ging es in dem Fall?
In dem zugrundeliegenden Fall stritten sich ein Vermieter (Gläubiger) und ein gewerblicher Mieter (Schuldner) um die Zahlung von Miete sowie um die Erstattung von Nebenkosten. Konkret ging es um Rechnungen für Versorgungsleistungen (wie Wärme, Gas, Strom) und eine Pauschalgebühr zur Deckung von Lasten und Kosten im Zusammenhang mit der Anlage. Der Vermieter forderte nicht nur die ausstehenden Beträge, sondern auch die Verzugspauschale von 40 Euro für jede nicht fristgerecht bezahlte Rechnung, auch für die Nebenkostenabrechnungen.
Die Entscheidung des EuGH:
Der EuGH stellte klar, dass der Begriff „fälliger Betrag“ im Sinne der Richtlinie 2011/7/EU weit auszulegen ist. Er umfasst nicht nur den Betrag für die Hauptleistung (z.B. die eigentliche Miete), sondern auch solche Beträge, zu deren Zahlung sich der Schuldner im Vertrag verpflichtet hat und die darin bestehen, dem Gläubiger die von ihm im Zusammenhang mit der Vertragserfüllung getragenen Kosten zu erstatten. Das bedeutet: Auch vertraglich geschuldete Nebenkosten gehören zum „fälligen Betrag“.
Die Begründung des Gerichts:
Die Richter argumentierten, dass die Richtlinie das Ziel verfolgt, Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr umfassend zu bekämpfen und Gläubiger vor den negativen Auswirkungen verspäteter Zahlungen zu schützen. Eine enge Auslegung des Begriffs „fälliger Betrag“ würde diesem Ziel widersprechen. Die Verwendung des Wortes „einschließlich“ in der Definition des fälligen Betrags in der Richtlinie (Art. 2 Nr. 8) deute auf eine nicht erschöpfende Aufzählung hin und umfasse auch Kosten, die mit dem Vertragsverhältnis zusammenhängen.
Was bedeutet das für Sie als Unternehmer?
Diese Entscheidung hat praktische Auswirkungen für alle Unternehmer, insbesondere für Vermieter von Gewerbeimmobilien:
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Klarheit bei Nebenkosten: Wenn Ihr gewerblicher Mieter vertraglich vereinbarte Nebenkosten nicht oder zu spät zahlt, können Sie für diese ausstehenden Nebenkostenzahlungen ebenfalls Verzugszinsen und die Verzugspauschale von 40 Euro geltend machen.
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Vertragsgestaltung: Achten Sie auf eine klare vertragliche Regelung, dass der Mieter zur Übernahme bzw. Erstattung bestimmter Nebenkosten verpflichtet ist. Dies ist die Grundlage dafür, dass diese Kosten als „fälliger Betrag“ im Sinne der Richtlinie gelten.
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Konsequentes Forderungsmanagement: Zögern Sie nicht, bei Zahlungsverzug Ihrer Geschäftspartner auch für unbezahlte Nebenkosten die Ihnen zustehenden Rechte (Verzugszinsen, Pauschale) geltend zu machen. Dies kann helfen, die eigene Liquidität zu sichern und wirkt abschreckend auf säumige Zahler.
Fazit und Empfehlung
Das Urteil des EuGH stärkt die Position von Gläubigern im Geschäftsverkehr erheblich, indem es klarstellt, dass auch vertraglich vereinbarte und weiterberechnete Kosten unter den Begriff des „fälligen Betrags“ fallen können. Dies ist besonders relevant für gewerbliche Mietverhältnisse, wo Nebenkosten oft einen erheblichen Teil der Gesamtzahlungsverpflichtung ausmachen.
Sollten Sie als Unternehmer Fragen zu Zahlungsverzug, der Durchsetzung Ihrer Forderungen oder zur Gestaltung Ihrer Verträge haben, ist eine frühzeitige anwaltliche Beratung oft sinnvoll, um Ihre Rechte optimal zu wahren. Frau Rechtsanwältin Fuhr gibt Ihnen bei Bedarf gerne Auskunft und Rat.