Wirtschaftsministerin Reiche will die Energiewende neu angehen – mit zehn „Schlüsselmaßnahmen“. Subventionen sollen systematisch reduziert werden. Kritiker befürchten Rückschritte bei der Abkehr von fossilen Energien.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will beim Ausbau der Erneuerbaren Energien die Kosten senken. „Die Energiewende steht an einem Scheideweg“, sagte die CDU-Politikerin in Berlin bei der Vorstellung des von ihr beauftragten Monitoring-Berichts zur Energiewende. „Damit sie gelingt, müssen Verlässlichkeit, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Kostentragfähigkeit des Energiesystems für unseren Wirtschaftsstandort ins Zentrum rücken.“
Momentan werde viel Erneuerbarer Strom nicht genutzt, sagte die Ministerin. Er werde aber gefördert. Hier brauche es Anpassungen.
Zur Erreichung der Klimaziele will Reiche unter anderem den Einsatz der CCS-Technologie zur Abscheidung und Einlagerung von CO2 auch in Gaskraftwerken ermöglichen. Reiche kritisierte die „ungesteuerte Stromproduktion durch die Erneuerbaren“. Zu Spitzenzeiten werde derzeit häufig zu viel Solarstrom produziert. Zugleich rechne sich eine Solaranlage mit Speicher bereits schon jetzt für Verbraucher, daher sei das Fördern privater Solaranlagen „nicht mehr notwendig“.
Zehn „Schlüsselmaßnahmen“
Sie halte daran fest, dass bis 2030 insgesamt 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus Erneuerbaren Energien stammen soll, sagte Reiche weiter. Doch der Strombedarf steige weniger stark als zuvor erwartet. Das von ihr in Auftrag gegebene wissenschaftliche „Energiewende-Monitoring“ gehe von einem Verbrauch zwischen 600 und 700 Terawattstunden im Jahr 2030 aus, die Ausbauziele seien jedoch auf 750 Terawattstunden ausgelegt.
Reiche präsentierte nun zehn „Schlüsselmaßnahmen“. Unter anderem dürften energiepolitische Entscheidungen keine Fehlinvestitionen oder Überregulierung erzeugen, sondern müssten auf den Markt, Technologievielfalt und Innovation setzen, sagte sie. Erneuerbare Energien sollten „markt- und systemdienlich“ gefördert werden. Bestehende Förderungen müssten auf den Prüfstand, Subventionen systematisch reduziert werden, forderte die CDU-Politikerin.
Fixe Einspeisevergütung für Solaranlagen soll wegfallen
So soll etwa die fixe Einspeisevergütung für neue Solaranlagen abgeschafft werden. Der Zubau von Ökostromanlagen und Speichern soll außerdem „besser räumlich gesteuert werden“, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. So könne der Netzausbau „bedarfsgerecht optimiert werden“.
Auch den Ausbau von Windanlagen auf See will die Ministerin offenbar drosseln: „Durch die Optimierung des Offshore-Ausbaus können Netzanbindungsleitungen eingespart und die Kosten um bis zu 40 Milliarden Euro reduziert werden“, sagte Reiche.
Industrie begrüßt Reiches Pläne
Die energieintensive Industrie begrüßte die Pläne der Bundeswirtschaftsministerin. „Die Energiewende ist längst nicht mehr auf Kurs“, sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). „Wir brauchen einen spürbaren Kurswechsel“, so Entrup. Bei Erneuerbaren Energien dürfe es nicht mehr nur um Quantität gehen. „Kapazitäten allein nutzen wenig, wenn diese zum Teil gar nicht oder ineffizient ausgelastet werden – etwa, wenn Speicher weit entfernt von der Erzeugung stehen.“
Auch der Industrieverband BDI lobte das Reformpaket. Es sei das Fundament für ein deutlich effizienteres Energiesystem.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte den Monitoringbericht, warnte aber, dass sich „am erheblichen Ausbaubedarf Erneuerbarer Energien“ nichts ändere. „Die Elektrifizierung von Verkehr, Wärme und Industrie entwickelt sich aktuell zwar langsamer als angenommen, dennoch sollte man vorbereitet sein auf anwachsende Stromnachfrage“, erklärte BDEW-Chefin Kerstin Andreae.
Kritiker warnen vor Rückschritten
Der Monitoring-Bericht stößt aber auch auf Kritik. Bereits vor der Veröffentlichung des Berichts warnten Umweltverbände davor, dass Reiche den Ausbau der erneuerbaren Energien bremse.
Auch die Grünen sehen mögliche Rückschritte. Es dürfe keine Absenkung der Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren Energien geben, sagte der Grünen-Energiepolitiker Michael Kellner. In der Branche herrsche bereits große Verunsicherung. Es sei zu befürchten, dass Reiche die Energiewende ausbremsen wolle, sagte Kellner. „Der Strombedarf in Deutschland wird in den kommenden Jahren deutlich steigen, nicht zuletzt durch Rechenzentren, E-Autos und weiter elektrifizierte Produktion in der Industrie. Dafür braucht es günstigen, sauberen Strom.“ Der Ausbau der Erneuerbaren senke die Preise am Markt.
Das Wirtschaftsministerium stellte heute klar, man halte daran fest, bis 2030 insgesamt 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen. Allerdings sei die Bezahlbarkeit „zu lange nicht ausreichend berücksichtigt worden“.
Netzengpässe treiben Kosten der Energiewende
Reiches Amtsvorgänger Robert Habeck (Grüne) hatte in der Ampel-Regierung mit verschiedenen Maßnahmen den Ausbau des Ökostroms vorangetrieben. Aktuell wird der Ausbau von Solar- und Windenergie jährlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag aus dem Bundeshaushalt bezuschusst. Für 2025 sind dafür rund 16 Milliarden Euro vorgesehen.
Ein inflexibles Stromnetz, mangelnde Speicherkapazitäten und eine schleppende Digitalisierung führen aber zu extremen Preisschwankungen und hohen Kosten. So speisen Millionen von Solaranlagen den Strom zur Mittagszeit ein und nicht während der Bedarfsspitzen am Morgen und Abend. Die Folge sind Rekordpreise, wenn Sonne und Wind ausbleiben, und negative Preise bei einem Überangebot.
Im Jahr 2024 gab Deutschland zudem rund 2,8 Milliarden Euro für den sogenannten Redispatch aus. Dabei handelt es sich um Eingriffe der Netzbetreiber, bei denen zur Netzstabilisierung Kraftwerke Geld dafür erhalten, ihre Produktion hoch- oder herunterzufahren.