Seit Jahren sinkt die Zahl der Metzgereien in Deutschland, gleichzeitig beklagt das Handwerk große Personalprobleme. Nun aber ist die Zahl der Auszubildenden erstmals seit Jahrzehnten gestiegen. Auch andere Zahlen geben plötzlich Anlass zur Zuversicht.
Deutschlands Metzger melden erstmals seit 20 Jahren wieder steigende Azubi-Zahlen. Sowohl im handwerklichen Bereich als auch im Verkauf gibt es deutlichen Zulauf für die seit Jahren unter Imageproblemen und Fachkräftemangel leidende Branche. 2434 junge Menschen haben 2024 eine Fleischer-Ausbildung begonnen, berichtet der Deutsche Fleischer-Verband (DFV), das sind 5,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei angehenden Verkäufern für Fleisch und Wurst gibt es mit 2352 Verträgen sogar ein Plus von fast 16 Prozent.
Grund für die Positiv-Entwicklung ist zum einen die Schwäche im klassischen Bau- und Ausbaugewerbe, sagt DFV-Hauptgeschäftsführer Martin Fuchs im Vorfeld der IFFA in Frankfurt, der internationalen Leitmesse der Fleisch- und Proteinwirtschaft. „Die Krise am Bau spielt uns in die Karten.“ Denn dadurch würden dienstleistungsorientierte Berufe stärker in den Fokus rücken. Zum anderen ist es der Branche gelungen, Nachwuchskräfte aus dem Ausland anzuwerben, etwa aus Indien oder Vietnam, heißt es vom Verband.
Und tatsächlich haben sich solche Fälle zuletzt öffentlichkeitswirksam gehäuft. Entsprechende Berichte gibt es zum Beispiel aus Lörrach in Südbaden, wo vergangenen Herbst fast 20 Inder eine Ausbildung in Metzgereien begonnen haben. In Hamburg sind es Projekte mit Nachwuchskräften von den Philippinen und in Bayern hat eine Agentur rund 200 junge Menschen aus Vietnam an 60 bayerische Fachbetriebe vermittelt. Das schlägt sich in der Statistik nieder: Bei den angehenden Fleischern war 2024 gut jede fünfte Person eine internationale Fachkraft und beim Berufsbild Verkäufer/in hat fast die Hälfte keinen deutschen Pass.
Im Fleischerhandwerk steigt nun die Zuversicht, den Negativtrend der vergangenen Jahre stoppen oder zumindest verlangsamen zu können. „Die aktuellen Zahlen geben Anlass zur Zuversicht“, sagt Verbandschef Fuchs. Jedenfalls glaube die Branche laut einer Mitgliederbefragung nun wieder an eine gute Entwicklung.
Wobei ein Jahr mit steigenden Nachwuchs-Zahlen lange nicht ausreichen wird, um die strukturellen Probleme im Fleischerhandwerk zu lösen, mahnen Experten. Immerhin zieht es schon seit etlichen Jahren viel zu wenig Neulinge in die Branche. So lagen die Azubi-Zahlen vor gut einer Dekade noch doppelt so hoch, vor 20 Jahren dreimal so hoch und zur Jahrtausendwende fast beim vierfachen Wert. Dabei habe sich der Beruf durchaus gewandelt.
Das klassische Metzger-Bild mit blutverschmierter Schürze, Kettenhemd, weißen Gummistiefeln und einem Tranchiermesser im Anschlag treffe jedenfalls immer weniger zu, heißt es aus der Branche. Denn eine eigene Schlachtung hätten nur noch die wenigsten Handwerksbetriebe angesichts immer strengerer Vorgaben und Auflagen. Der Fokus liege vielmehr auf der Fleischverarbeitung und -veredlung. Zudem hätten viele Metzgereien mittlerweile einen Mittagstisch oder zumindest eine heiße Theke oder sogar einen Partyservice.
Derlei Randgeschäfte sind allerdings auch nötig. Denn die kleinen Metzgereien haben nicht nur ein Problem mit fehlendem Personal. Auch die Nachfrage von Kundenseite ist über die Jahre deutlich gesunken. Das liegt am sinkenden Fleischkonsum, an der größer gewordenen Konkurrenz durch Frischetheken in Supermärkten und nicht zuletzt auch an stetig steigenden Preisen. Angesichts dieser Gemengelage verschwinden familiengeführte, selbstständige Meisterbetriebe kontinuierlich von Markt. Seit Anfang der 2000er-Jahre hat sich die Zahl laut dem Statistischen Bundesamt fast halbiert: von damals knapp 19.000 auf heute noch 9872.
Auch 2024 gab es einen Rückgang. Mit 2,9 Prozent fiel er aber weniger stark aus als in den Vorjahren, sagt DFV-Geschäftsführer Fuchs und sieht das als Erfolg. Zumal die Umsätze trotz der Konsolidierung leicht gestiegen sind. „Wir sehen eine Entwicklung zu weniger, aber wirtschaftlich stärkeren Betrieben.“ Auf rund zwei Millionen Euro schätzt der Verband den durchschnittlichen Erlös eines handwerklichen Fleischerbetriebs. Und diese Anbieter wollen jetzt investieren.
„Die gute Umsatzlage sowie die gestiegenen Anforderungen an Prozessoptimierung fördern aktuell die Investitionsbereitschaft“, heißt es in einer Verbandsmeldung an-lässlich der alle drei Jahre stattfindenden IFFA, auf der die neuesten Innovationen und Lösungen rund um die Verarbeitung und Verpackung von Frischfleisch, Fleischwaren und alternativen Proteinen gezeigt werden.
Deutsche essen erstmals seit fünf Jahren wieder mehr Fleisch
Branchenvertreter Fuchs verweist dabei auf eine aktuelle Mitgliederbefragung, wonach mehr als 50 Prozent der Unternehmen 2025 überdurchschnittliche Investitionen planen, vor allem zur Produktionsmodernisierung, Verkaufsoptimierung und Effizienzsteigerung. Ziel sei dabei weniger eine Expansion, als vielmehr die Sicherung bestehender Strukturen.
Zur verbesserten Stimmung trägt bei, dass die Deutschen erstmals seit fünf Jahren wieder mehr Fleisch konsumiert haben. Laut dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) gab es 2024 ein Plus von knapp einem Prozent auf durchschnittlich 53,2 Kilogramm Fleisch pro Bundesbürger. Schwein steht dabei weiterhin an der Spitze mit 28,4 Kilogramm, zeigt die Versorgungsbilanz Fleisch des BZL.
Dahinter folgt Geflügel mit 13,6 Kilogramm pro Person, was für die Kategorie einen Zuwachs von einem halben Kilo bedeutet. Der Verzehr von Rind und Kalb blieb stabil bei rund 9,3 Kilogramm. Mehr Fleisch gegessen haben vor allem junge Konsumenten, wie eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov zeigt. „Der große Trend zu vegan und vegetarisch hat an Dynamik verloren, auch bei jüngeren Menschen“, sagt YouGov-Konsumforscher Robert Kecskes.
Gestiegen ist auch die Produktion von Fleisch hierzulande. Nach acht Jahren mit rückläufigen Mengen gab es 2024 einen Zuwachs bei den heimischen Schlachtungen in Höhe von 1,4 Prozent auf rund sieben Millionen Tonnen, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Dafür wurden insgesamt 48,7 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde sowie 693,3 Millionen Hühner, Puten und Enten geschlachtet.
Steffen Reiter sieht in den Zahlen eine Trendwende. „Die Anstrengungen der Fleischwirtschaft für mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit zahlen sich aus“, bewertet der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Fleischwirtschaft (VDF). Den Selbstversorgungsgrad gibt die Organisation nun mit 120,5 Prozent an. Diese Zahl ist allerdings nur ein Rechenfaktor. Bei in Deutschland besonders beliebten Teilstücken wie Schnitzel oder Filet ist die heimische Produktion nicht ausreichend.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.