Bei einem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug haften Linksabbieger grundsätzlich, wenn keine konkreten Beweise vorliegen, die dagegen sprechen. Es kann im Zuge der Beweisführung bei ungeklärter Unfallursache hier der sogenannte „Anscheinsbeweis“ (Erfahrungssätze über typische Abläufe von Ereignissen) zum Tragen kommen, wenn der Unfallhergang nicht in vollem Umfang aufgeklärt werden kann. Dabei muss der Linksabbieger nachweisen, dass er seiner Sorgfaltspflicht in vollem Umfang nachgekommen ist. So urteilte auch schon im Jahr 2007 der Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 58/06).
Im folgenden Fall fuhr die Klägerin mit ihrem Fahrzeug in einen Kreuzungsbereich ein. Sie wollte geradeaus weiterfahren und näherte sich dem Kreuzungsbereich mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Beklagte kam mit seinem Pkw aus der entgegengesetzten Richtung und wollte in diesem Kreuzungsbereich nach links abzubiegen. Während des Abbiegevorgangs stießen die beiden Fahrzeuge zusammen. Aufgrund des Sachschadens an ihrem Fahrzeug verlangte die Klägerin vom beklagten Linksabbieger Schadensersatz in voller Höhe. Der Beklagte führte jedoch an, dass vielmehr die Klägerin verantwortlich für die Kollision gewesen sei, weil sie zu schnell fuhr. Deshalb lehnte er die Haftung für den Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge ab.
Das Amtsgericht (Urteil v. 19.6.2024, Az.: 39 C 81/22) sah die Unfallursache beim beklagten Linksabbieger. Auch durch die Würdigung des Anscheinsbeweises und der Tatsache, dass die Kollision der Fahrzeuge während des Abbiegevorgangs passierte. Das Gericht vermutete, dass der Beklagte gegen die Vorfahrtsgewährungspflicht beim Abbiegen verstoßen habe. Hier heißt es u.a. in § 9 Abs. 3 S. 1 StVO: „Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen.“
Ein Gutachten eines Sachverständigen zeigte zwar, dass die Klägerin zu schnell in den Kreuzungsbereich gefahren ist. Dies sei jedoch kein Beweis dafür, dass es dadurch auch zur Kollision kam. Das Gericht verteilte die Haftungsquote mit 20% bei der Klägerin (aufgrund der allgemeinen Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs). Mit einer Quote von 80 % lag die hauptsächliche Haftung so beim Beklagten. Dadurch konnte die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 80 % der Schadensersatzansprüche vom Beklagten verlangen.
Weitere Infos zum Thema finden Sie hier: