Die Wohngebäudeversicherung (Gebäudeversicherung) dient der Absicherung von Sachschäden an Wohngebäuden durch Risiken wie Feuer, Leitungswasser oder Sturm/Hagel. Sie ist für Hauseigentümer von erheblicher Bedeutung, da gerade Brand- oder Wasserschäden schnell existenzbedrohende Kosten verursachen können. In vielen Fällen verlangen auch finanzierende Banken den Abschluss einer Wohngebäudeversicherung. Nachfolgend werden die Voraussetzungen, der Versicherungsumfang sowie Grenzen der Inanspruchnahme im Verhältnis zwischen Eigentümer (Versicherungsnehmer) und Versicherung dargestellt. Zudem werden wirtschaftliche Aspekte, die Wirksamkeit von Klauseln und die Regulierungshöhe sowie -praxis beleuchtet, unter Einbeziehung richtungsweisender Urteile der deutschen Zivilgerichte.
Versicherungsumfang: Versicherte Gefahren und Leistungen
Eine Wohngebäudeversicherung deckt typischerweise Schäden durch bestimmte versicherte Gefahren: Brand/Feuer (inkl. Blitzschlag, Explosion etc.), Leitungswasserschäden (bestimmungswidriger Wasseraustritt aus installierten Leitungen und Anlagen) sowie Sturm und Hagel ab einer definierten Windstärke. Optional können weitere Elementargefahren (z. B. Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Schneedruck) eingeschlossen werden. Versichert ist das Gebäude selbst und oft auch mit dem Gebäude fest verbundene Bestandteile. Nicht erfasst sind gewöhnlich Hausrat oder bewegliche Gegenstände der Bewohner – hierfür besteht separater Versicherungsschutz durch die Hausratversicherung.
Die Entschädigung erfolgt in der Regel zum gleitenden Neuwert. Das bedeutet, dass die Versicherungssumme an die Baukostenentwicklung angepasst wird, um im Schadensfall die vollen Wiederherstellungskosten zu decken. Praktisch wird hierzu ein vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) festgelegter Anpassungsfaktor jährlich angewendet. Dadurch soll vermieden werden, dass das Gebäude durch Inflation oder Wertsteigerungen unterversichert wird – ein wichtiger wirtschaftlicher Aspekt, da ansonsten bei Totalschäden die Versicherungssumme nicht zur vollständigen Wiedererrichtung ausreichen würde. Unterversicherung liegt vor, wenn die Versicherungssumme niedriger ist als der tatsächliche Wiederbeschaffungswert des Gebäudes; ohne entsprechende Klauseln würde dann gemäß § 75 VVG eine Entschädigung nur anteilig erfolgen. Viele neuere Policen enthalten jedoch einen Unterversicherungsverzicht, sofern der Versicherungsnehmer bestimmte Wertermittlungsverfahren einhält, sodass im Schadensfall die volle Entschädigung bis zur vereinbarten Summe geleistet wird.
Die Versicherung ersetzt im Schadensfall die notwendigen Reparatur- und Wiederaufbaukosten. Bei Totalschaden eines Gebäudes wird der Neuwert (Wiederaufbauwert) ersetzt, bei Teilschäden die erforderlichen Reparaturkosten (inklusive nötiger Aufräum- und Abbruchkosten laut Bedingungen).
Wichtig: Voller Neuwert wird meist nur gezahlt, wenn das Gebäude tatsächlich wiederhergestellt wird. Üblicherweise enthalten AVB eine Wiederherstellungsklausel: Der Versicherungsnehmer muss innerhalb einer bestimmten Frist (oft 3 Jahre) die Entschädigung für den Wiederaufbau verwenden, andernfalls bleibt es bei der Entschädigung auf Zeitwertbasis (Neuwert abzüglich Wertminderung durch Alter/Verschleiß). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine solche Klausel – die den Neuwertanteil nur bei fristgerechtem Wiederaufbau gewährt – wirksam und transparent ist. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist klar erkennbar, dass die volle Neuwertentschädigung an die Wiederherstellung gebunden ist; ohne Wiederherstellung bleibt es bei der Zeitwertentschädigung. Eine unklare Benachteiligung liegt hierin nicht vor, so der BGH.
Neben Sachschäden am Gebäude umfassen viele Wohngebäudepolicen auch Kostenpositionen wie Aufräumkosten, Bewegungs- und Schutzkosten oder die Übernahme von Mietausfallschäden. Letzteres bedeutet: Ist eine vermietete Wohnung nach einem versicherten Schaden unbewohnbar, ersetzt die Versicherung zeitweise den entgangenen Mietzins (typischerweise für bis zu 12 Monate). Voraussetzung ist allerdings, dass die Räume vor dem Schaden auch vermietet waren; steht das Gebäude bereits leer oder sollte veräußert werden, entfällt ein solcher Anspruch. Für eigengenutzte Immobilien wird statt Mietausfall teils Ersatz von Hotel- oder Unterbringungskosten gewährt, falls der Eigentümer vorübergehend anderweitig wohnen muss – dies ist jedoch individuell in den Bedingungen geregelt.
Selbstbeteiligungen (Selbstbehalte) beeinflussen den Leistungsumfang insoweit, als sie von der Entschädigungssumme abgezogen werden. Ein vereinbarter Selbstbehalt dient der Prämienreduzierung und vermeidet Kleinschädenregulierung. Gerade bei Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) kommt es vor, dass zur Prämienbegrenzung hohe Selbstbehalte vereinbart werden. Der BGH hat in einem Grundsatzurteil 2022 klargestellt, dass ein solcher Selbstbehalt im Schadenfall gemeinschaftlich von allen Wohnungseigentümern zu tragen ist – selbst wenn der Schaden nur Sondereigentum eines Einzelnen betrifft. Die anteilige Lastenverteilung erfolgt nach Miteigentumsanteilen. Begründung: Alle Eigentümer profitieren von niedrigeren Prämien und überhaupt der Versicherbarkeit des Objekts trotz hoher Schadensneigung, daher müssen auch alle den Kostenanteil Selbstbehalt tragen. Diese Entscheidung (BGH, Urt. v. 16.09.2022 – Az. V ZR 69/21) sorgt für Rechtssicherheit in WEG hinsichtlich der internen Kostentragung.
Voraussetzungen: Pflichten des Versicherungsnehmers und Risikobeginn
Ein Versicherungsanspruch entsteht, wenn ein versicherter Schaden am versicherten Objekt eintritt und der Versicherungsvertrag wirksam bestand. Folgende Voraussetzungen sind wesentlich:
Prämienzahlung
Der Vertrag muss in Kraft sein; insbesondere darf der Versicherer bei Prämienverzug nach Mahnung (§ 38 VVG für Erstprämie, § 39 VVG für Folgeprämie) leistungsfrei sein, falls der Schaden in der Frist oder danach eintritt. Zahlt der Versicherungsnehmer trotz Fristsetzung die Prämie nicht, kann der Versicherer den Vertrag kündigen und ist ab Fristablauf im Schadensfall nicht zur Leistung verpflichtet. Bei Immobilienverkäufen geht die Wohngebäudeversicherung nach § 95 VVG (früher § 69 VVG a.F.) automatisch auf den Erwerber über. Der Erwerber tritt in die Pflichten ein, muss Prämien ab Eigentumsübergang zahlen und kann binnen Monatsfrist ein Sonderkündigungsrecht ausüben. Während der Umschreibung kann es allerdings zu Unklarheiten kommen – entscheidend ist, dass bis zur Grundbucheintragung der Verkäufer formal Versicherungsnehmer und Prämienpflichtiger bleibt. Käufer sollten daher sicherstellen, dass keine Prämienrückstände bestehen, um im Schadensfall vollen Schutz zu haben.
Gefahrerhöhung und Anzeigepflichten
Der Versicherungsnehmer darf das versicherte Risiko nicht ungenehmigt wesentlich erhöhen. Nutzungsänderungen (etwa Leerstand des Hauses, Umbau zu gewerblicher Nutzung) muss er anzeigen, andernfalls kann der Versicherer je nach Fall den Vertrag kündigen oder leistungsfrei werden (§§ 23ff. VVG). Klassisches Beispiel ist ein längerer Leerstand: Unbewohnte Gebäude unterliegen erhöhter Einbruchs- und Frostgefahr. In früheren Musterbedingungen (z. B. VGB 88) gab es dafür spezielle Obliegenheiten. Heute gilt generell, dass der Versicherer beim unerlaubten Verändern der Gefahrumstände im Schadenfall leistungsfrei sein kann, sofern die Gefahrerhöhung für den Schaden ursächlich war (§ 26 VVG).
Obliegenheiten vor Schadeneintritt
Wohngebäudeversicherer schreiben gewisse Verhaltenspflichten zur Schadensverhütung vor. Dazu zählt insbesondere das Heizen oder Entleeren von Wasserleitungen in Frostperioden. Lässt der Eigentümer in kalten Wintermonaten das Gebäude unbeaufsichtigt ohne Heizung oder Entwässerung der Leitungen, können Frostschäden eintreten. Eine solche Pflichtverletzung kann den Versicherungsschutz kosten. Nach der Rechtsprechung genügt bereits das objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung – etwa kein Frostschutz – um Leistungsfreiheit zu begründen, sofern der Schaden darauf zurückzuführen ist. So stellte das LG München II fest, dass ein regelmäßig im Winter ungenutztes, nicht ausreichend gesichertes Ferienhaus als „ungenutztes Gebäude“ gilt und ein Leitungswasserschaden durch unterlassene Absperrung der wasserführenden Anlagen nicht vom Versicherungsschutz erfasst ist. Allerdings muss der Zusammenhang im Einzelfall geprüft werden: Das OLG Koblenz entschied, dass nicht allein das Auftreten eines Frost-Rohrbruchs beweist, dass der Versicherungsnehmer die Heizpflicht verletzt hat – bleibt der Ausfall eines Frostschutzgeräts ungeklärt, darf der Versicherer nicht ohne Weiteres Leistungsfreiheit annehmen.
Verhalten im Schadenfall
Tritt ein Schaden ein, hat der Versicherungsnehmer gemäß § 30 VVG Anzeigepflicht (Schaden unverzüglich melden) und Schadenminderungspflichten (z. B. Leck notdürftig abdichten, Feuerwehr rufen). Außerdem muss er Aufklärungspflichten erfüllen: Er hat dem Versicherer und ggf. Gutachtern umfassend und wahrheitsgemäß Auskunft zum Schadenshergang und -umfang zu geben und Belege vorzulegen. Täuscht der Versicherungsnehmer arglistig, um eine höhere Entschädigung zu erlangen, verliert er den Anspruch (§ 28 Abs.2 VVG). So ist der Versicherer leistungsfrei, wenn etwa falsche Rechnungen oder doppelte Kostenvoranschläge eingereicht werden, um die Entschädigung zu erhöhen.
Breach of duty – Folgen
Werden vertragliche Obliegenheiten verletzt, hängt die Rechtsfolge vom Verschulden ab. Nach der VVG-Reform 2008 ist der Versicherer bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung leistungsfrei, bei grob fahrlässiger Verletzung berechtigt, die Leistung anteilig zu kürzen (§ 28 Abs.2 VVG). Nur bei bloß einfach fahrlässiger Verletzung darf keine Kürzung erfolgen. Zudem entfällt die Leistungsfreiheit, wenn die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf den Schaden hatte (§ 28 Abs.3 VVG, Kausalitätsgegenbeweis). Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Versicherer, der nachweisen muss, dass eine grob fahrlässige Pflichtverletzung vorlag. Grobe Fahrlässigkeit ist rechtlich definiert als eine besonders schwere Verletzung der erforderlichen Sorgfalt, bei der das außer Acht gelassen wurde, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Die Gerichte beurteilen dies einzelfallbezogen. Beispiel: Lässt ein Eigentümer stundenlang einen Wasserschlauch unter Druck angeschlossen und verlässt das Haus, sodass bei Abrutschen des Schlauchs erheblicher Wasserschaden entsteht, ist grobe Fahrlässigkeit anzunehmen (AG Bonn). Beim Brand durch Frittieren in der Küche hingegen verneinte der BGH grobe Fahrlässigkeit im konkreten Fall: Ein Mieter erhitzte Öl und verließ kurz den Raum; obwohl es zum Feuer kam, wertete der BGH dies als momentane Unaufmerksamkeit, nicht als objektiv schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzung. Der Versicherer konnte daher keine Leistungskürzung oder Regress vornehmen. Generell zeigt sich, dass für grobe Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände berücksichtigt werden (Erfahrungsgrad, Ablenkung etc.), und eine Einzelfallprüfung erforderlich ist.
Grenzen des Versicherungsschutzes: Leistungsausschlüsse und Deckungsbeschränkungen
Trotz grundsätzlich weiten Deckungsschutzes existieren wichtige Grenzen und Ausschlüsse in der Wohngebäudeversicherung. Diese bestimmen, wann der Versicherer nicht leisten muss:
Allgemeine Ausschlüsse
Wie in nahezu allen Versicherungen sind Schäden durch Krieg, innere Unruhen oder Kernenergie ausgeschlossen. Auch Vorsatz des Versicherungsnehmers schließt die Leistungspflicht aus (§ 81 Abs.1 VVG). Beispielsweise bei vorsätzlicher Brandstiftung durch den Eigentümer leistet die Versicherung nicht; im Gegenteil kann sie den Vertrag anfechten oder kündigen.
Besonderer Gefahrenausschluss
Versicherungsbedingungen definieren die versicherten Ereignisse oft eng. Ein Beispiel ist die Definition von Leitungswasser: Versichert ist in der Regel nur Wasser, das bestimmungswidrig aus Rohren, angeschlossenen Einrichtungen oder Aquarien austritt. Schäden durch allmähliches Eindringen von Feuchtigkeit oder durch offen stehende Wasserhähne ohne Rohrbruch fallen häufig nicht darunter. BGH-Rechtsprechung: In einem Urteil von 2021 (Az. IV ZR 236/20) entschied der BGH, dass ein Wohngebäudeversicherer nicht für Nässeschäden einzustehen hat, die durch undichte Fugen einer Duschwanne verursacht wurden. Hier war kein Rohr gebrochen; das Wasser sickerte durch mangelhafte Silikonfugen ins Mauerwerk. Der Versicherer verweigerte die Kostenübernahme sowohl für die Schadensbehebung als auch – konsequenterweise – für die Ursache (Erneuerung der Fugen), da kein versicherter Leitungswasseraustritt vorlag. Dieses Urteil hat zu einer Vereinheitlichung der Regulierungspraxis geführt: Während zuvor manche Versicherer Folgeschäden solcher „Fugenundichtigkeiten“ kulanzweise zahlten, wird nun branchenweit eher abgelehnt. Für Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass Schäden durch Wartungsmängel (z. B. alte Dichtungen) vom Versicherungsschutz ausgenommen sein können – eine Grenze der Deckung, die auf die Vertragsbedingungen (und deren Auslegung durch den BGH) zurückzuführen ist. Es obliegt dem Eigentümer, präventiv Fugen und Dichtungen instand zu halten, da diese nicht unter die versicherte „Rohrbruch“-Definition fallen.
Leistungsausschlüsse in AVB
Viele Verträge enthalten spezifische Ausschlussklauseln, die den Umfang der Leistungspflicht einschränken. Eine viel diskutierte Klausel ist der Ausschluss von Schwammschäden. Damit sind Schäden durch holzzerstörende Pilze (umgangssprachlich „Schwamm“) gemeint, die etwa infolge von länger andauernder Durchfeuchtung entstehen können. In älteren Bedingungen (und teils bis heute) war festgelegt, dass Schäden „durch Schwamm“ vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Der BGH bestätigte 2012 die Wirksamkeit einer Schwamm-Ausschlussklausel: Sie gelte für alle Arten von Hausfäulepilzen und erfasse auch Schwammbefall als Folgeschaden eines versicherten Leitungswasserschadens. In dieser Entscheidung (Urt. v. 27.06.2012 – IV ZR 212/10) hielt der BGH die Klausel für gültig und AGB-rechtlich unbedenklich, da sie das Leistungsversprechen nicht aushöhle.
Aktuelle Entwicklung: Inzwischen wird diese strikte Sicht hinterfragt. In einem neuen Fall hatte ein Wasserschaden zu massivem weißem Porenschwamm-Befall in der Holzkonstruktion geführt. Die Versicherung verweigerte die Regulierung unter Verweis auf den Schwamm-Ausschluss, worauf die Eigentümerin klagte. Der BGH hat Ende 2024 die vorinstanzliche Entscheidung aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das OLG zurückverwiesen (Beschl. v. 13.11.2024 – IV ZR 212/23).
Wesentliche Begründung: Das Berufungsgericht habe versäumt, durch Sachverständigenbeweis zu klären, ob Schwammschäden eine typische Folge von Leitungswasseraustritten sind. Sollte sich nämlich herausstellen, dass ein Schwammbefall regelmäßig oder häufig als Folgeschaden auftritt, könnte der generelle Ausschluss den Vertragszweck gefährden. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet gerade bei Leitungswasserschäden umfassenden Schutz; ein starrer Ausschluss aller Pilzschäden würde den wesentlichen Risikozweck – Schutz vor Wasserschäden und deren Folgen – unterlaufen. Der BGH deutete an, dass eine Klausel unwirksam sein kann, wenn sie typische Schadensfolgen eines versicherten Risikos ausnimmt und damit faktisch das Kernversprechen aushöhlt. Allerdings ist die endgültige Entscheidung im konkreten Fall noch offen; die Vorinstanz muss nun Beweise zur Typizität von Schwammschäden erheben und erneut urteilen. Dieses Verfahren zeigt exemplarisch, wie bestimmte Ausschlüsse als Grenze des Versicherungsschutzes gerichtlich überprüft werden, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Prämienkalkulation des Versicherers und berechtigten Erwartungen des Kunden sicherzustellen.
Weitere Deckungsgrenzen
Auch andere Klauseln können Risiken vom Schutz ausnehmen oder an Bedingungen knüpfen. Etwa sind Rückstauschäden (Wasser drückt aus Kanalisation ins Haus) nur versichert, wenn technische Rückstauklappen vorhanden und funktionsbereit waren – fehlt eine solche oder war sie defekt, lehnen Versicherer oft ab. Manche Gerichte haben pauschale Klauseln, wonach der Versicherte „für die Funktionsbereitschaft der Rückstausicherung zu sorgen“ hat, als unwirksam erachtet, wenn sie für den Kunden überraschend oder unklar sind (z. B. OLG Hamm, siehe PSS Rechtsanwälte, 2020). Ebenso können Verpflichtungen, bestimmte Sicherheitsvorschriften einzuhalten, die Leistung beeinflussen (siehe nächster Abschnitt zur Klauselwirksamkeit). Generell gilt: Kein Versicherungsschutz besteht für vorhersehbare oder allmähliche Schäden, z. B. Verschleiß, Pilzbefall ohne plötzliches Ereignis, Setzungsrisse etc., da diese nicht auf ein versichertes plötzliches Schadenereignis zurückzuführen sind.
Wirksamkeit von Klauseln (AGB-Kontrolle)
Wohngebäudeversicherungsverträge basieren auf Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die vom Versicherer vorformuliert sind. Als Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen sie der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB. Klauseln dürfen den Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligen und müssen transparent sowie verständlich sein (§ 307 BGB). In diesem Zusammenhang sind mehrere aktuelle BGH-Entscheidungen von Bedeutung, die den Spielraum der Versicherer bei Klauselgestaltung aufzeigen:
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Sicherheitsvorschriften (dynamischer Verweis): Der BGH hat im Urteil vom 25.09.2024 (Az. IV ZR 350/22) eine Klausel gebilligt, die Versicherungsnehmer verpflichtet, „alle gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften“ einzuhalten. Diese Klausel verweist dynamisch auf externe Vorschriften (z. B. Bauordnung, Brandschutzauflagen), die sich ändern können. Kritiker sahen darin eine Intransparenz, da dem Kunden nicht konkret vor Vertragsabschluss sämtliche Regeln aufgezeigt werden. Der BGH hingegen befand, der durchschnittlich informierte Versicherungsnehmer könne und müsse sich die relevanten Sicherheitsvorschriften selbst verschaffen; eine solche Klausel verstößt nicht gegen das Transparenzgebot. Dynamische Verweise dienen laut BGH sogar der Übersichtlichkeit der AVB, weil andernfalls unzählige Detailregelungen abgedruckt werden müssten. Solange klar ist, dass alle aktuellen Vorschriften einzuhalten sind, ist die Klausel verständlich. Folge: Versicherungsnehmer tragen hier eine erhöhte Eigenverantwortung, sich über geltende Regeln (z. B. zu Elektrik, Feuerstätten, Blitzschutz) auf dem Laufenden zu halten. Allerdings wurde in der Literatur kritisiert, dies sei praxisfern und begünstige Leistungsablehnungen im Schadenfall. Gleichwohl ist die Klausel nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wirksam – ein wichtiges Signal an die Branche, dass weit gefasste Sicherheitsklauseln zulässig sind, solange sie nicht völlig unbestimmt formuliert sind.
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Transparenz und überraschende Klauseln: Generell müssen AVB so formuliert sein, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer seine Rechte und Pflichten eindeutig erkennen kann. Unklare oder mehrdeutige Klauseln gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305c II BGB Unklarheitenregel). Überraschende Klauseln, mit denen der Kunde vernünftigerweise nicht rechnen musste, werden nicht Vertragsbestandteil (§ 305c I BGB). Im Bereich Wohngebäudeversicherung sind z. B. Einschränkungen beim Versicherungsschutz in leerstehenden Gebäuden oder Obliegenheiten zur ständigen Nutzung von Schutzvorrichtungen kritisch, wenn sie nicht deutlich hervorgehoben werden. Die Gerichte prüfen im Streitfall jeweils, ob eine Klausel den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt (§ 307 II BGB). Die oben erwähnte Schwammklausel wird aktuell an § 307 BGB gemessen – mit dem Kriterium, ob sie den Vertragszweck aushöhlt. Sollte sich herausstellen, dass ein durchschnittlicher Kunde erwarten darf, auch Folgeschäden eines Rohrbruchs (wie Pilzbefall) versichert zu haben, könnte die Klausel als unangemessen und damit unwirksam eingestuft werden. Ein weiteres Beispiel: Klauseln zum Ausschluss grober Fahrlässigkeit sind nach VVG-Reform weitgehend unzulässig; stattdessen regelt § 81 VVG die Kürzungsquote bei grober Fahrlässigkeit. Ältere Vertragsbedingungen, die noch einen vollständigen Leistungsausschluss bei grober Fahrlässigkeit vorsahen, wären heute unwirksam und werden durch die gesetzliche Teilungsregel ersetzt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die AVB einer Wohngebäudeversicherung zwar komplex sind, aber wesentliche Klauseln der Kontrolle durch die Rechtsprechung standhalten müssen. Der BGH hat in den letzten Jahren tendenziell kundenfreundliche Korrektive gesetzt, wenn Klauseln zu undifferenziert wichtige Risiken ausschließen (Schwammschäden) oder wenn Verbraucher durch unklare Verweise überfordert würden – wobei im letzten Punkt (Sicherheitsklauseln) der BGH überraschend viel Eigenverantwortung zumutet. Für die Praxis bedeutet dies, dass Versicherungsnehmer Vertragsklauseln aufmerksam lesen sollten. Sind Formulierungen unverständlich, kann dies im Ernstfall zu Prozessen führen – im Zweifel mit guten Chancen für den Kunden, wenn die Klausel tatsächlich intransparent war. Versicherungsunternehmen sind wiederum gehalten, klar und eindeutig zu definieren, wofür Schutz besteht und wofür nicht.
Regulierungshöhe und -praxis; wirtschaftliche Aspekte
Die Schadensregulierung in der Wohngebäudeversicherung unterliegt nicht nur juristischen, sondern auch wirtschaftlichen Erwägungen. Versicherer verfolgen eine ertragsorientierte Geschäftspolitik, während Versicherungsnehmer auf angemessene und zügige Schadenregulierung hoffen. Hier einige wichtige Aspekte:
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Regulierungshöhe (Entschädigungsbetrag): Wie oben dargestellt, richtet sich die Höhe nach den Wiederherstellungskosten bis zur Versicherungssumme. In der Praxis prüft der Versicherer zunächst den Zeitwertschaden (aktueller Wert des Gebäudes oder betroffener Teile kurz vor Schaden). Dann wird – bei gegebener Neuwertklausel – die Neuwertspitze (Differenz zum Neuwert) meist erst ausgezahlt, sobald die Wiederherstellung erfolgt oder verbindlich nachgewiesen ist. Diese Praxis soll verhindern, dass ein Versicherungsnehmer einen Schaden nicht repariert und dennoch den vollen Neuwert kassiert (Bereicherungsverbot). Ist absehbar, dass der Versicherte nicht wieder aufbauen will, erhält er nur den Zeitwert. Auch Teilzahlungen sind möglich: Häufig zahlt der Versicherer zunächst den Zeitwert zur schnellen Liquidität, und nach Vorlage von Handwerkerrechnungen den restlichen Betrag. Wichtig ist ferner die Mehrwertsteuer-Regelung: Entsprechend § 13 Abs.8 VGB (Musterbedingungen) wird Umsatzsteuer nur ersetzt, wenn und soweit sie tatsächlich anfällt. Ist der Versicherungsnehmer vorsteuerabzugsberechtigt (z. B. gewerblicher Vermieter) oder lässt er ohne Rechnung „schwarz“ reparieren, erhält er keine MwSt. ersetzt. Die Klausel, dass nicht gezahlte oder abziehbare Mehrwertsteuer nicht entschädigt wird, ist laut LG Stade AGB-konform.
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Regulierungspraxis: Versicherer setzen zur Schadensbearbeitung häufig Sachverständige ein, die den Schaden vor Ort begutachten. In komplizierten Fällen (z. B. unklare Brandursache) kann das zu zeitlichen Verzögerungen führen. Insgesamt ist eine Tendenz zu beobachten, dass Versicherer bei bestimmten Schadensbildern genauer prüfen oder teilweise ablehnen. So etwa bei Feuchtigkeitsschäden ohne offensichtlichen Rohrbruch: Hier wird oft argumentiert, die Ursache liege im Bauwerk selbst (Abnutzung, Undichtigkeiten), sodass es kein versicherter Leitungswasserschaden sei. Der Versicherungsnehmer muss im Streitfall beweisen, dass ein versichertes Ereignis vorliegt – z. B. ein geplatztes Rohr als Schadenursache. Wenn Schadensursachen unklar oder streitig sind, kommt es nicht selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen (siehe zahlreiche Urteile in der Sammlung). Insbesondere bei Bränden prüfen Versicherer gründlich auf Eigenbrandstiftung oder Obliegenheitsverletzungen (z. B. defekte Sicherheitsvorrichtungen). Lässt sich dem Versicherungsnehmer kein Verschulden nachweisen, muss reguliert werden.
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Wirtschaftliche Entwicklung der Sparte: In den letzten Jahren sind die Schadenzahlungen pro Schadenfall deutlich gestiegen. Leitungswasserschäden gelten als „Dauerbrenner“ und machten 2018 rund 41,5 % aller Schäden und die Hälfte der Leistungssumme in der Wohngebäudeversicherung aus. Die durchschnittliche Schadenshöhe pro Leitungswasserschaden stieg von ca. 1.960 € (2014) auf etwa 2.700 € (2018). Ähnlich wuchsen die Kosten bei Brandschäden: Wurden 2011 branchenweit ~750 Mio. € für Feuerschäden ausgezahlt, waren es 2018 schon rund 1,16 Mrd. €. Interessanterweise blieb die Schadenzahl relativ konstant oder sank leicht, aber die durchschnittlichen Kosten nahmen stark zu. Gründe sind u.a. steigende Handwerker- und Materialkosten (gute Baukonjunktur, Fachkräftemangel), teurere Technik bei Sanierungen und höhere Preise von Gutachtern. Für die Versicherer führte dies dazu, dass die Wohngebäudeversicherung für viele ein Minusgeschäft wurde. Obwohl Elementarschäden (z. B. große Überschwemmungen) nur punktuell auftreten, belasten vor allem die alltäglichen Schäden (Wasser, Feuer, Sturm) die Ertragslage.
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Prämienentwicklung: Konsequenz der Schadentrends sind teils deutliche Prämiensteigerungen. Über den gleitenden Neuwertfaktor wird die Prämie jährlich angepasst. 2023 betrug dieser Faktor +14,7 % und 2024 nochmals +7,5 % – die höchsten Steigerungen seit langem, was auf hohe Baupreis-Inflation zurückzuführen ist. Im langfristigen Mittel waren die jährlichen Erhöhungen mit ca. 4 % moderater. Versicherte haben durch diese indexbedingten Erhöhungen kein Sonderkündigungsrecht, da es sich um vertraglich vereinbarte Anpassungen handelt. Zwar ist die regelmäßige Prämienanpassung aus Kundensicht unerfreulich, jedoch notwendig, um Unterversicherung zu vermeiden und die Versicherer zahlungsfähig zu halten. Viele Eigentümer spüren die steigenden Beiträge deutlich – für große Mehrfamilienhäuser können Prämien inzwischen mehrere Tausend Euro jährlich betragen. Andererseits liegt in der indexgebundenen Neuwertversicherung ein Vorteil: Selbst massive Schadeninflation wird abgedeckt, und der Versicherer trägt das Risiko, dass im Ernstfall auch deutlich höhere Wiederaufbaukosten bezahlt werden müssen.
Ein Wohnhaus nach einem Großbrand – Feuerschäden gehören zu den kostspieligsten Risiken in der Wohngebäudeversicherung. Dank gleitender Neuwertversicherung wird der komplette Wiederaufbau finanziell abgesichert, was allerdings zu steigenden Prämien führt.
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Schadenverhütung und Risikozuschläge: Versicherer reagieren auf die Schieflage teils mit Tarifanpassungen und fordern verstärkte Prävention. Bei Objekten mit hoher Schadenfrequenz (z. B. ständig Rohrbrüche) werden Selbstbehalte oder Prämienzuschläge vereinbart – wie im oben erwähnten Fall einer WEG in Köln, wo nur mit hohem Selbstbehalt noch Versicherungsschutz zu erlangen war. Zudem setzen einige Unternehmen auf technische Prävention: Etwa Wasserleckage-Sensoren, smarte Absperrventile oder Rauchmeldesysteme, die Schäden früh detektieren. Bisher ist die Verbreitung solcher Systeme gering, da Kosten und Nutzen für Kunden oft in keinem attraktiven Verhältnis stehen. Perspektivisch könnten jedoch Rabatte für nachgewiesene Präventionsmaßnahmen an Bedeutung gewinnen, um die Schadenquote zu senken. Letztlich profitieren beide Seiten von Schadenverhütung: Versicherer würden weniger Verluste schreiben, und Kunden müssten langfristig weniger stark steigende Beiträge schultern.
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Regulierungspraxis bei Vermieter/Mieter-Konstellation: Ein spezieller wirtschaftlicher Aspekt ist der stillschweigende Regressverzicht des Wohngebäudeversicherers gegenüber leicht fahrlässig handelnden Mietern. Hat ein Mieter einen Schaden (z. B. einen Wohnungsbrand) verursacht, aber zahlt anteilig die Prämien über die Nebenkosten, so erwartet er im Schadenfall einen Nutzen aus der Versicherung. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist der Gebäudeversicherer in solchen Fällen so zu behandeln, als würde er auf Regress gegen den Mieter verzichten – der Mieter steht letztlich wie ein Mitversicherter da. Der Vermieter darf in der Regel nicht den Mieter statt der Versicherung in Anspruch nehmen, sofern die Police den Schaden abdeckt. Dieses wirtschaftliche Risikoteilen verhindert, dass der zahlende Mieter im Schadenfall doppelt belastet wird. In einem Leiturteil hat der BGH 2014 (Az. VIII ZR 191/13) entschieden, dass der Vermieter verpflichtet ist, die Versicherung zur Schadensbeseitigung heranzuziehen und den Schaden zu beseitigen, selbst wenn der Mieter den Brand leicht fahrlässig verursacht hat. Der Mieter darf sogar die Miete mindern, bis der Schaden behoben ist. Dieses Urteil unterstreicht, dass die Prämienumlage wirtschaftlich dazu führt, dass Mieter in den Genuss des Versicherungsschutzes kommen müssen – ein interessantes Zusammenspiel von Mietrecht und Versicherungsrecht im Sinne des Interessenausgleichs.
Wichtige Gerichtsurteile in Kürze
Abschließend eine Zusammenfassung richtungsweisender Urteile der deutschen Zivilgerichte zur Wohngebäudeversicherung und deren Bedeutung:
BGH, Urteil vom 19. 11. 2014 – VIII ZR 191/13 (Brandschaden in Mietwohnung)
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Ausgangslage – Ein Mieter hatte durch leichte Fahrlässigkeit einen Wohnungsbrand verursacht. Die vermietende Eigentümerin verlangte Instandsetzungskosten – und damit mittelbar Ersatz der Gebäudeversicherung – direkt vom Mieter.
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Kernpunkte der Entscheidung
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Stillschweigender Regressverzicht: Zahlt der Mieter die Versicherungsprämie über die Nebenkosten mit, muss er auch vom Deckungsschutz profitieren. Der Versicherer (bzw. der Vermieter, der sich der Versicherungsleistung bedienen muss) darf auf den Mieter keinen Regress nehmen, solange es bei einfacher oder leichter Fahrlässigkeit bleibt.
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Pflicht zur Schadensbeseitigung: Der Vermieter ist verpflichtet, den Schaden über die Wohngebäudeversicherung abzuwickeln und die Wohnung in einen bewohnbaren Zustand zu versetzen; bis dahin bleibt eine Mietminderung zulässig.
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Praktische Auswirkungen – Eigentümer sollten im Rahmen der Betriebskostenabrechnung offenlegen, dass Prämienanteile umgelegt werden; Mieter wiederum können sich im Schadenfall auf diese Rechtsprechung berufen und müssen nur noch bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz mit Regressen rechnen.
OLG Hamm, Urteil vom 24. 01. 2025 – 20 U 23/23 (Neuwertentschädigung & Sachverständigenverfahren)
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Sachverhalt – Nach einem Brand 2019 stritten Versicherungsnehmer und Wohngebäudeversicherer über die Neuwertspitze. Die Parteien führten zunächst das vertraglich vereinbarte Sachverständigenverfahren durch; beide Sachverständige kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine Instandsetzung (kein Totalschaden) möglich sei.
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Entscheidungspunkte
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Bindungswirkung: Die Feststellungen im Sachverständigenverfahren sind für beide Seiten verbindlich, sofern der Versicherungsnehmer nicht darlegt, dass sie „offenbar erheblich“ von der Wirklichkeit abweichen. Das Gericht stellte klar, dass Abweichungen unter ca. 15 % regelmäßig nicht ausreichen.
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Neuwertspitze (§ 13 VGB 2008): Der Anspruch entsteht erst, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls den Wiederaufbau in gleicher Art und Zweckbestimmung sicherstellt. Der Kläger wollte statt des alten Zweifamilienhauses ein größeres Vierfamilienhaus errichten – das genüge gerade nicht den Gleichartigkeitsanforderungen. Mangels Sicherstellung (fehlende Finanzierung, nur vage Baupläne) entfiel der Anspruch auf den Neuwertanteil.
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Bedeutung – Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit der Schätz- und Sachverständigenverfahren: Wer deren Ergebnis erschüttern will, muss substanzielle Beweise liefern. Zugleich erinnert das Urteil daran, dass Wiederherstellung in gleicher Zweckbestimmung und fristgerechte Umsetzung essenzielle Voraussetzungen für die Neuwertentschädigung sind.
BGH, Beschluss vom 13. 11. 2024 – IV ZR 212/23 (Schwamm‑Ausschluss auf dem Prüfstand)
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Prozessgeschichte – Die Vorinstanz hatte sich auf den herkömmlichen BGH‑Grundsatz (2012) berufen und den Ausschluss sämtlicher Schwammschäden bestätigt. Der neue IV. Zivilsenat beanstandete jedoch, dass das OLG die Typizität von Schwammschäden als Folgeschaden von Leitungswasser nicht ausreichend aufgeklärt habe.
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Leitsätze
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Bei AGB‑Klauseln, die typische Folge‑ oder Begleitschäden eines versicherten Ereignisses komplett ausschließen, droht eine Aushöhlung des Vertragszwecks (§ 307 BGB).
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Gerichte müssen deshalb klären, ob Schwamm- bzw. Pilzbefall nach Rohrbrüchen regelmäßig auftritt. Erst dann lässt sich entscheiden, ob die Klausel den Kunden unangemessen benachteiligt.
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Ausblick – Versicherer müssen damit rechnen, dass generelle Pilz- und Schwammklauseln künftig strenger überprüft oder für unzulässig erklärt werden, wenn Sachverständige ein häufiges Auftreten bestätigen.
BGH, Urteil vom 20. 10. 2021 – IV ZR 236/20 (Undichte Fuge ≠ Leitungswasserschaden)
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Kernergebnis – Wasser, das über defekte Silikonfugen einer Duschwanne einsickert, ist kein Leitungswasser im Sinne der VGB. Weder die Sanierung der Fuge noch die Beseitigung der Nässeschäden sind daher vom Versicherer zu tragen.
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Argumentation – Versichert ist nur Wasser, das bestimmungswidrig aus Rohrleitungen oder angeschlossenen Einrichtungen austritt. Bei Fugenmängeln liegt vielmehr ein Bauschaden (Wartungsmangel) vor, dessen Risiko beim Eigentümer verbleibt.
BGH, Urteil vom 16. 09. 2022 – V ZR 69/21 (Selbstbehalt in der WEG)
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Tenor – Hohe Selbstbehalte einer Gemeinschafts‑Gebäudepolice sind im Schadenfall von allen Wohnungseigentümern anteilig zu tragen – selbst wenn nur ein Sondereigentum betroffen ist.
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Begründung – Alle Eigentümer profitieren dauerhaft von der niedrigeren Prämie und der Versicherbarkeit des Objekts; folglich ist der Selbstbehalt gemeinschaftliche Last.
BGH, Urteil vom 25. 09. 2024 – IV ZR 350/22 (Dynamische Sicherheitsklausel)
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Hauptaussage – Eine Klausel, die auf alle jeweils geltenden gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften verweist, ist weder intransparent noch überraschend. Versicherungsnehmer müssen sich aktiv über aktuelle Sicherheitsanforderungen informieren und diese einhalten – ein erheblicher Praxis‑Impact, insbesondere bei Blitzschutz‑, Brandmelde- oder Wasserabsperreinrichtungen.
BGH, Urteil vom 12. 07. 2017 – IV ZR 151/15 (Schimmelschäden & Vertragszweck)
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Rechtsfrage – Ist eine Klausel wirksam, die jegliche Schimmelschäden nach Leitungswasser pauschal ausschließt?
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Entscheidung – Der BGH verneinte die Klauselwirksamkeit nicht pauschal, machte aber strenge Vorgaben: Wenn Schimmel als regelmäßige oder typische Folge von Leitungswasserschäden nachgewiesen wird, kann ein Total‑Ausschluss den Vertragszweck aushöhlen und damit unwirksam sein. Die Sache wurde zur Beweisaufnahme zurückverwiesen.
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Praktische Folge – Versicherer müssen in Prozessen darlegen (oder widerlegen), wie häufig Schimmel wirklich auftritt. Für Versicherungsnehmer eröffnet dies Argumentationsspielräume bei Ablehnungen aufgrund von Schimmelklauseln.
BGH, Beschluss vom 28. 10. 2020 – IV ZR 17/20 (Leitungswasserschaden & gerichtliche Hinweispflichten)
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Sachverhalt – Nach einem frostbedingten Rohrbruch verweigerte der Versicherer Leistung unter Hinweis auf grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung (unzureichende Beheizung). Land‑ und Oberlandesgericht gaben dem Versicherer Recht.
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BGH‑Beschluss – Die Revision wurde zugelassen und die Sache zurückverwiesen, weil das Berufungsgericht seine Rechtsauffassung zur Auslegung der Neuwertklausel (§ 43 Nr. 11) ohne erneuten Hinweis geändert hatte – Verstoß gegen § 139 ZPO.
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Quintessenz – Verfahrensrechtliche Sorgfalt ist im Versicherungsprozess essenziell; inhaltlich bestätigt der Beschluss, dass die Drei‑Jahres‑Frist für den Neuwertanteil streng auszulegen ist und der Versicherungsnehmer bei grober Fahrlässigkeit mit Kürzungen bis 100 % rechnen muss.
OLG Köln, Urt. v. 20.11.2020 – 9 U 22/20
„Unterversicherung und Falschangaben“ – Feststellung, dass bei erheblicher Diskrepanz zwischen Versicherungssumme und Wert (Unterversicherung) die Beweislast für etwaige Beratungsfehler beim Versicherungsnehmer liegt. Zudem liegt die Beweislast für das Vorliegen einer Unterversicherung beim Versicherer (der Versicherer muss also darlegen, dass der Wert höher war als versichert). Dies zeigt, dass Unterversicherungsklauseln eng auszulegen sind.
OLG Dresden, Urteil vom 29.05.2018 – 4 U 1779/17
Sachverhalt: Nach einem Brandschaden ließ die Versicherungsnehmerin anstelle des ursprünglichen zweigeschossigen Satteldachhauses einen eingeschossigen Bungalow mit Flachdach errichten. Die Versicherung berief sich auf die strikte Wiederherstellungsklausel und verweigerte die Neuwertspitze.
Entscheidung: Das OLG Dresden bejahte den Anspruch auf den Neuwertanteil. Maßgeblich sei, dass Art und Zweckbestimmung – Wohnnutzung als Einfamilienhaus – unverändert blieben. Abweichungen bei Bauweise und Wohnfläche von rund 25 % seien unschädlich; eine Abweichung von bis zu 40 % könne nach Gesamtwürdigung zulässig sein. Das Gericht betonte, dass moderne Bauweisen und funktionale Verbesserungen nicht per se den Wiederherstellungsbegriff sprengen. fileciteturn1file0L14-L20
Praktische Bedeutung: Versicherte können bei Wiederaufbau nach Totalschäden zeitgemäße Bauformen wählen, ohne den Anspruch auf Neuwertentschädigung zu verlieren, solange die Nutzung vergleichbar bleibt und keine erhebliche Größenüberschreitung vorliegt.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 06.12.2023 – 18 U 53/22
Sachverhalt: Ein leerstehendes, gegen Leitungswasserschäden versichertes Wohngebäude wurde weder bewohnt noch regelmäßig kontrolliert; wasserführende Anlagen blieben befüllt. Ein Frostschaden führte zu massiven Leitungswasserschäden.
Entscheidung: Das OLG Frankfurt wertete den Leerstand ohne Entleerung und Kontrolle als Obliegenheitsverletzung. Ein gelegentlicher Makler‑Besuch oder Renovierungsarbeiten seien keine Nutzung i. S. d. AVB. Damit durfte der Versicherer die Leistung trotz bestehender Police verweigern. fileciteturn1file1L1-L9
Praktische Bedeutung: Eigentümer müssen leerstehende Objekte aktiv sichern (Absperren/Entleeren sämtlicher Leitungen, regelmäßige Inspektionen). Andernfalls riskieren sie die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Frost‑ und Leitungswasserschäden.
OLG Naumburg, Urteil vom 08.02.2018 – 4 U 67/17
Sachverhalt: Wasser lief beim Duschen am Fliesenspiegel herab und gelangte über einen unversiegelten Durchgang der Armaturen in die Zwischenwand. Der Versicherer verneinte einen versicherten Leitungswasserschaden und berief sich auf den Ausschluss für „Plansch‑ oder Reinigungswasser“.
Entscheidung: Das OLG Naumburg bejahte einen versicherten Leitungswasserschaden. Der Durchgang der Armaturen sei Teil einer „mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtung“. Der Austritt über den defekten Fliesenspiegel sei bestimmungswidrig; der Planschwasser‑Ausschluss greife nicht. fileciteturn1file2L15-L18
Praktische Bedeutung: Das Urteil erweitert den Schutzbereich bei Nässeschäden in Duschen und stellt klar, dass Defekte im Umfeld verbundener Einrichtungen (z. B. unversiegelte Armaturendurchführungen) versichert sein können.
Diese und weitere Entscheidungen haben das Versicherungsrecht im Wohngebäudebereich geprägt. Sie sorgen für einen Ausgleich der Interessen: Versicherer erhalten rechtliche Leitlinien, wann sie leistungsfrei sind oder Klauseln stellen können, während Versicherungsnehmer im Zweifel Schutz genießen, wenn Klauseln zu weit gehen oder sie keine grobe Schuld trifft.