Die Kurzarbeit war in der Corona-Krise ein Segen für viele – mittlerweile sehen Experten sie aber kritisch.28.03.2025 | 2:14 min
Deutschland stecke in einer massiven Konjunktur- und Strukturkrise, rufen Stimmen aus der Wirtschaft. Die Daten und Fakten geben ihnen recht. In dieser Situation könne die steigende Kurzarbeit die notwendige Transformation verschleppen, sagen Arbeitsmarktforscher. Ein Blick auf das zweischneidige Schwert der Kurzarbeit.
Erfolgsmodell Kurzarbeit
Wir haben in der ganzen Corona-Pandemie keinen einzigen Arbeitsplatz verloren, keinen einzigen Mitarbeiter entlassen müssen.
Wilma Kauke, Personalchefin bei Lapp
Man habe keine Fachkräfte verloren und konnte, als es schlagartig wieder losging, den Aufschwung mitnehmen, sagt Personalchefin Wilma Kauke.
Nun steckt Deutschland wieder in der Krise – und das zeigt sich auch bei der Kurzarbeit. Das Instrument wird wieder deutlich häufiger genutzt. Laut Münchener Ifo-Institut könnte bald jedes vierte Industrieunternehmen Kurzarbeit anmelden. Im Februar war es noch knapp jedes fünfte.
Kurzarbeit nicht mehr geeignet?
Es ist kein geeignetes Mittel, wenn ein Unternehmen in der Struktur nicht wettbewerbsfähig ist.
Thilo Brodtmann, VDMA-Hauptgeschäftsführer
Es gebe sehr erfolgreiche Unternehmen, die Fachkräfte suchen und auch noch wachsen, meint Brodtmann. „Da ist das Kurzarbeitergeld ein bisschen strukturkonservierend und verzögert eigentlich den Anpassungsprozess, den wir dringend brauchen.“
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Finanzielle Belastung durch Kurzarbeit
Ob Kurzarbeit als Brücke für Krisenzeiten taugt, daran hat auch der Arbeitsökonom an der Elite-Uni Princeton, Simon Jäger, seine Zweifel. Mit seinem Team hat er die Effekte der Kurzarbeit anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit von 2009 bis 2023 untersucht.
Seine Erkenntnis: Beim Kurzarbeitergeld gibt es massive Mitnahmeeffekte. Arbeitgeber schickten oft gerade die Mitarbeiter in Kurzarbeit, die sie ohnehin behalten hätten. Zudem fließe Kurzarbeitergeld überproportional an Firmen, die schon vor dem Kurzarbeitergeldbezug Stellen abgebaut haben.
Hinzukommt, dass der Etat der Bundesagentur für Arbeit durch geringere Beschäftigung und höhere Arbeitslosigkeit ohnehin schon belastet ist. Das Kurzarbeitergeld nagt zusätzlich am Budget. Sollten die Rücklagen nicht reichen, übernimmt der Bund den Rest und damit der Steuerzahler.
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Kurzarbeit kann den Wandel verschleppen
In der aktuellen Krise sei die Kurzarbeit kontraproduktiv. „Unternehmen, die tendenziell gerade in Schwierigkeiten sind, die gerade also keine großen Wachstumsperspektiven haben, werden subventioniert, wenn sie Arbeitskräfte in Beschäftigung halten. Insofern sorgt das Kurzarbeitergeld dafür, dass Beschäftigte teilweise nicht wechseln“, so Jäger.
Bei Lapp läuft das Geschäft wieder. Nach der Durststrecke startete der Mittelständler mit voller Belegschaft durch. Bei Wirtschaftsschocks sei die Kurzarbeit ein internationaler Wettbewerbsvorteil, meint Kauke. Bei einer Dauerkrise wie dieser aber scheint sie eher Fluch als Segen.
Quelle: dpa