„Ich habe meinem Chef doch gesagt, dass ich schwanger bin – darf er mich trotzdem kündigen?“ Diese Frage stellte sich eine tiermedizinische Fachangestellte, nachdem sie trotz Schwangerschaft eine Kündigung erhielt. Doch das Landesarbeitsgericht Köln entschied gegen sie. Warum der besondere Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) in diesem Fall nicht griff, ist ein rechtliches Lehrstück – mit wichtigen Tipps für Arbeitnehmerinnen.
Sachverhalt und Entscheidung
Die Klägerin, eine junge Tierarzthelferin, war bei einer Kleintierpraxis beschäftigt. Am 27.07.2023 erhielt sie die Kündigung – laut eigener Aussage war sie zu diesem Zeitpunkt schwanger. Tatsächlich brachte sie am 01.05.2024 ein Kind zur Welt. Doch ihre Kündigungsschutzklage reichte sie erst am 15.12.2023 ein – also fast fünf Monate nach der Kündigung.
Der Knackpunkt: Der besondere Kündigungsschutz nach § 17 MuSchG greift nur, wenn die Schwangerschaft und deren Mitteilung dem Arbeitgeber rechtzeitig und bezogen auf die konkrete Schwangerschaft vorliegen. Das LAG Köln wies ihre Klage ab: Die Kündigung war wirksam – trotz später bestätigter Schwangerschaft.
Leitsätze des Gerichts:
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Die rechnerische Schwangerschaft beginnt 280 Tage vor dem errechneten Entbindungstermin (BAG-Rechtsprechung).
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Der Arbeitgeber muss zum Zeitpunkt der Kündigung von dieser Schwangerschaft wissen.
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Eine pauschale oder unkonkrete Mitteilung über eine (mögliche) frühere Schwangerschaft reicht nicht.
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Wird die Schwangerschaft nicht rechtzeitig (innerhalb von zwei Wochen) mitgeteilt, greift der Kündigungsschutz nicht.
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Eine verspätete Klage ist nur unter engen Voraussetzungen nachträglich zulässig – und diese lagen hier nicht vor.
(Urteil des LAG Köln vom 17.04.2025 – 6 SLa 542/24)
Rechtslage und Einordnung
§ 17 Mutterschutzgesetz schützt schwangere Frauen vor einer Kündigung – ab dem Beginn der rechnerischen Schwangerschaft (280 Tage vor dem Geburtstermin). Voraussetzung ist:
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Die Frau ist tatsächlich oder rechnerisch schwanger.
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Sie teilt ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft rechtzeitig mit – spätestens zwei Wochen nach der Kündigung.
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Der Arbeitgeber braucht dann eine behördliche Genehmigung zur Kündigung, sonst ist sie unwirksam.
Doch wenn der Arbeitgeber keine Kenntnis von der konkreten Schwangerschaft hatte, beginnt die Klagefrist nach § 4 KSchG ganz normal mit der Kündigung. Wird sie nicht binnen drei Wochen erhoben, gilt die Kündigung als wirksam (§ 7 KSchG).
Fehleranalyse und PraxistippsWas lief im Fall schief?
Die Klägerin teilte ihrer Arbeitgeberin zwar per WhatsApp mit, dass sie „wohl schwanger“ sei – jedoch bezog sich diese Mitteilung offenbar auf eine andere, nicht mehr bestehende oder unklare Schwangerschaft. Die konkrete, spätere Schwangerschaft wurde erst Wochen später ärztlich bestätigt und viel zu spät gemeldet. Auch die Kündigungsschutzklage kam deutlich außerhalb der gesetzlichen Frist.
Was Arbeitnehmerinnen besser machen sollten:
✅ Schwangerschaft klar mitteilen: Sobald eine ärztliche Bestätigung vorliegt, sollte die Schwangerschaft schriftlich mit voraussichtlichem Entbindungstermin dem Arbeitgeber übermittelt werden – am besten mit Empfangsbestätigung.
✅ Fristen einhalten: Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden.
✅ Krankheit oder Überforderung? Wer wegen Krankheit (z. B. Depression) verhindert ist, muss die Klage nach § 5 KSchG unverzüglich nachholen – spätestens binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses.
✅ Unverzüglich handeln: Auch die Mitteilung der Schwangerschaft nach einer Kündigung muss binnen zwei Wochen erfolgen – nur dann greift der Sonderkündigungsschutz rückwirkend.
Fazit
Auch wenn eine Frau rechnerisch schwanger ist, schützt sie § 17 MuSchG nur, wenn der Arbeitgeber von dieser konkreten Schwangerschaft rechtzeitig erfährt. Allgemeine Hinweise oder Mitteilungen über mögliche frühere Schwangerschaften reichen nicht. Und wer sich gegen eine Kündigung wehren möchte, muss schnell reagieren: Innerhalb von drei Wochen Klage erheben – oder später nur mit guten, belegbaren Gründen.
Tipp: Wer sich unsicher ist, ob die Voraussetzungen für Kündigungsschutz vorliegen, sollte unverzüglich rechtlichen Rat einholen. Es geht oft um kurze Fristen – und viel mehr als nur den Job.