Geld spielt immer eine Rolle. Sie sind Beschuldigter im Strafverfahren. Sie sind schlau und wissen: Sie lassen sich diesmal am besten von einem versierten Fachmann im Strafrecht vertreten und nicht vom Familienanwalt, der Ihre Familien-, Arbeits- oder Versicherungsmandate so toll bearbeitet. Aber der eine Strafverteidiger, den Sie anrufen, möchte pro Stunde 520,- Euro zzgl. Auslagen und Steuern. Der andere Fachanwalt für Strafrecht schlägt Ihnen für das Ermittlungsverfahren eine Pauschalzahlung in Höhe von 5.000,- Euro vor zzgl. Auslagen und Steuern vor. Ihre Rechtschutzversicherung zahlt schon mal gar nicht, denn den Extremfall eines wichtigen Strafverfahrens haben Sie bei Vertragsabschluß nicht bedacht.
Warum ist das alles so „teuer“? Der nachfolgende Beitrag von Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (Fachanwalt für Strafrecht & Fachanwalt für Verkehrsrecht) soll es Ihnen möglichst bildlich – und etwas Humor – erklären.
Ihr Strafrechtsanwalt hat idealerweise Freude an der Arbeit, lebt aber davon nicht. Er ist gerade als Freiberufler ein Unternehmer und möchte und muß Geld verdienen. Personal, Miete, Sozialabgaben, Versicherungen, Fortbildungspflicht, juristische Datenbanken, aktuelle Fachbücher – sogar kleinste Kanzleien haben monatlich mehrere Tausend Euro laufende Kosten zu decken, bevor Ihr Rechtsbeistand an sein eigenes Portemonnaie denken kann. Anzug und Krawatte kann er nicht als Betriebsausgabe geltend machen im Gegensatz zum Blaumann beim Heizungsmonteur…
Kommunikation des Honorars
Ein guter Strafverteidiger sagt Ihnen von Anfang an so genau es geht, was Ihre Verteidigung in Strafsachen kosten wird. Er kann Ihnen erklären, warum er den entsprechenden Betrag an Honorar verlangt. Sei es eine Pauschale für einen Verfahrensabschnitt, wie zum Beispiel das Ermittlungsverfahren. Sei es ein Stundenhonorar. Erfahrene Strafverteidigerinnen und Verteidiger werden mit Ihnen üblicherweise eine Honorarvereinbarung abschließen, was nach § 3a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) sogar das Leitbild des Anwaltshonorars sein soll.
Nicht zwingend ist der teuerste Anwalt der beste. Manche verkaufen bloß einen Ruf, wo man sich im Gerichtssaal fragt, woher der gute Ruf jemals gekommen sein soll. Der Mandant merkt dies leider oft nicht…
Andererseits sollte man durchaus hellhörig werden, wenn gerade Anwälte, die lange im Geschäft sind, Ihr Strafverfahren zum Schleuderkurs, zum Beispiel für die sog. gesetzlichen Gebühren oder „pauschal Fünfhundert all inclusive“ zu führen bereit sind. Wer sich günstig anbietet, muss in seinem Betrieb möglichst viele Mandate annehmen. Erfahrungsgemäß bleibt die Tiefe der Bearbeitung dabei nicht selten auf der Strecke.
Ein Beispiel aus dem Gebührenrecht, warum ein engagierter Strafverteidiger „mehr Geld“ braucht, und zwar je größer Ihr Fall ist:
Die Einarbeitung in die Strafsache sowie die Verteidigung im Ermittlungsverfahren einschließlich aller nötigen Schritte heißen im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) Grundgebühr und Verfahrensgebühr. Es sind die sog. gesetzlichen Gebühren. Diese Gebühren nimmt Ihnen letztlich jeder Anwalt ab, egal, ob er Strafrechtsprofi ist oder nur mal so nebenbei Strafsachen ohne tiefere Kenntnis und Prozeßerfahrung bearbeitet.
Diese beiden Gebühren, die Grund- und Verfahrensgebühr, können nach dem RVG für sehr einfache Strafsachen auf gerade mal etwa 400,- Euro bemessen werden – für die gesamte Mandatsbearbeitung im Ermittlungsverfahren.
Die maximalen gesetzlichen Gebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für diese Einarbeitung in den Fall und sämtliche Verteidigungsarbeit im Ermittlungsverfahren kann auf derzeit insgesamt 715,- Euro netto (zzgl Umsatzsteuern) bemessen werden.
Für diesen Betrag zwischen 400,- und allerhöchstens 715,- Euro muß Ihr Anwalt allerhand arbeiten – einen Großteil der Arbeit sehen Sie nicht. Sie kennen nur die Ergebnisse und Zwischenergebnisse.
An Ihrer Strafakte wegen Tatvorwurf Vergewaltigung oder sexueller Belästigung oder einer fahrlässigen Tötung im Straßenverkehr sitzt Ihr Anwalt alleine fürs Lesen von z.B. 200 Seiten nicht weniger als drei bis sechs Stunden. Ihr Anwalt bespricht die Akte mit Ihnen. Sie haben natürlich Redebedarf, denn Ihnen droht Knast und Sie sind vielleicht sogar unschuldig. Die Besprechung dauert daher z.B. zwei Stunden. Davor hat der Anwalt ja schon bei Mandatsannahme 30 Minuten mit Ihnen telefoniert und dann den Termin zur Beschuldigtenvernehmung für Sie bei der Polizei abgesagt. Für die bestmögliche Verteidigung muß Ihr Rechtsvertreter vielleicht eine Beschwerde an den Ermittlungsrichter schreiben: Recherche, Textentwurf, Besprechung mit Ihnen, Nacharbeitung und Absendung dauern wieder zwei bis vier Stunden. Weil Ihr Anwalt nicht locker läßt, schreibt er zudem einen Beweisantrag, um das Verfahren so früh wie möglich vom Tisch zu bekommen: Recherche, Textentwurf, Besprechung mit Ihnen, Nacharbeitung und Absendung dauern wieder zwei bis vier Stunden. Dazu muß man wissen, daß Anwälte an manchen Anträgen je nach Verfahren sogar tagelang sitzen.
Ihr Anwalt erreicht die Einstellung Ihres Strafverfahrens durch seinen hervorragenden Einsatz – und nichts anderes als diesen Einsatz schuldete er Ihnen vertraglich. Nach oben genanntem Beispiel hat Ihr Anwalt für seine gesetzliche Maximalgebühr von 715 Euro nunmehr mindestens 9,5 bis 14,5 Stunden gearbeitet.
Der gesetzliche maximale Netto-Stundensatz Ihres Strafrechtsexperten hat nun zwischen 49 Euro bis maximal 75 betragen. Das sit aber noch immer nicht sein „Gehalt“. Davon gehen jetzt noch seine Betriebsausgaben runter und seine eigenen Sozialabgaben… Was bleibt? Ein deutsches Handwerksunternehmen berechnet Ihnen für einen ungelernten Bauhelfer in unserer Region schon 35,- Euro pro Stunde aufwärts. Da soll der Anwalt nach zwei Staatsexamen und ggf jahrelanger Prozeßerfahrung im Kampf um Ihre Verurteilung unterm Strich für weniger arbeiten und sich dafür noch von Geschädigten des Tatvorwurfs beschimpfen und anspucken lassen?
Immer wieder wird beim Anwaltswechsel an mich herangetragen, der bisherige Anwalt sei zu kurz angebunden, höre nicht zu, habe keine Zeit – oder lese sogar andere Akten während des Gerichtstermins. Das darf nicht sein, aber ist doch leider menschlich: Wer für 400 bis 715 Euro ein ganzes Mandat bearbeitet, wird sich geradezu gezwungen fühlen, die Effizienz des Unternehmens auf dem Rücken des Mandanten zu strukturieren.
Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Und natürlich darf das nicht jedem unterstellt werden. Zum Beispiel Berufsanfänger, die wir alle mal waren, haben häufig viel geringere Honorare, wollen sich aber noch ihre Sporen verdienen und zeichnen sich daher durch hohes Engagement und Liebe zum Detail auch bei günstigem Honorar aus. Die fehlende Prozeßerfahrung muß der Mandant dann in Kauf nehmen. Der Anfänger macht es vielleicht durch frische Ideen wett.
Bewußtsein schaffen – schlau den Strafverteidiger wählen
Es soll kein Gejammer sein. Anwälte verdienen grundsätzlich gut. Ein guter Anwalt vertritt aber auch seine eigenen Interessen gut, indem er auf die angemessene Honorierung seiner hochqualifizierten und haftungsträchtigen Tätigkeit achtet.
Viele Mandanten sind sich über die gesetzlichen Honorarstrukturen – woher auch? – nun einmal nicht im Klaren. Wer Beschuldigter im Strafverfahren ist, sollte die Mentalität „Geiz ist geil!“ oder „macht das nicht noch jemand billiger“ dringend zurückstellen. Die Justiz verzeiht keine Fehler Ihres Anwalts, der mal wieder möglichst nichts kosten durfte, aber auch „nicht nein sagen konnte“, bevor er das Mandat zu dem Preis übernimmt.
Faustregel: der prozesserfahrene und rechtlich versierte Verteidiger ist in der Regel aus Ihter Sicht nicht günstig, kann Ihnen aber auch erklären, wieso das Honorar in Ihrem Fall konkret so bemessen sein soll, wie es bemessen wird. Sie werden immer noch jemanden finden, der es günstiger macht – aber wer billig kauft zahlt nicht selten doppelt!