Ein Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf stärkt die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit Bewertungen ehemaliger Arbeitnehmer auf Internetplattformen stehen. Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen, die im Zeitalter digitaler Kommunikation vermehrt mit öffentlich zugänglichen Meinungsäußerungen konfrontiert sind.
Hintergrund des Falls
Der Fall betrifft einen Streit zwischen zwei Brüdern: Der Kläger ist Inhaber eines mittelgroßen Architekturbüros, das seinen Namen trägt. Sein Bruder war bis Ende November 2020 als Bauleiter bei ihm angestellt. Nach einer überraschenden Kündigung durch den Kläger veröffentlichte der ehemalige Mitarbeiter unter anderem negative Bewertungen über das Architekturbüro auf verschiedenen Online-Plattformen, darunter ein Arbeitgeberbewertungsportal sowie Google-Rezensionen.
In diesen Bewertungen warfen die Einträge dem Kläger vor, Mitarbeiter respektlos zu behandeln, insbesondere ältere Arbeitnehmer zu entlassen. Weiterhin wurden persönliche Vorwürfe erhoben, die auf familiäre Spannungen anspielten und Details aus dem Arbeitsverhältnis enthielten. Die negativen Rezensionen erschienen in der Google-Suche direkt unter dem Namen des Architekturbüros und waren daher für potenzielle Kunden leicht auffindbar.
Der Kläger forderte daraufhin die Löschung der Beiträge und verlangte vom ehemaligen Mitarbeiter Unterlassung weiterer vergleichbarer Äußerungen. Da dieser keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, klagte der Unternehmer auf Unterlassung und berief sich dabei auf Verletzungen seiner Persönlichkeitsrechte sowie auf die Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht des Arbeitsvertrags.
Streit um die Zuständigkeit: Arbeitsgericht oder Landgericht?
Im Laufe des Verfahrens stritten die Parteien zunächst über die Zuständigkeit des Gerichts. Das Landgericht Mönchengladbach erklärte sich zunächst für zuständig – hiernach wäre der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben, weil der Kläger seine Ansprüche auf Unterlassung mit Bezug auf unerlaubte Handlungen (§ 823 BGB) geltend machte.
Der Beklagte (der ehemalige Arbeitnehmer) hielt jedoch die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für gegeben. Seine Beschwerde führte letztlich dazu, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 25. November 2021 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärte und das Verfahren an das Arbeitsgericht verwies.
Wichtige juristische Bewertung des OLG Düsseldorf
Das OLG Düsseldorf stellte klar, dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG die Arbeitsgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus unerlaubten Handlungen ausschließlich zuständig sind, wenn diese im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.
Entscheidend ist hierbei die sogenannte „innere Beziehung“ zwischen der beanstandeten Handlung und dem Arbeitsverhältnis. Das Gericht erläuterte, dass eine solche innere Beziehung nicht ausgeschlossen ist, nur weil die beanstandete Handlung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Handlung ihre Ursache in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses hat, etwa in den typischen Konflikten und Berührungspunkten, die mit einem Arbeitsverhältnis verbunden sind.
Im konkreten Fall sah das OLG diese innere Beziehung als gegeben an: Die negative Kritik und die Äußerungen des ehemaligen Mitarbeiters seien unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis heraus entstanden und stünden in engem zeitlichem und inhaltlichem Zusammenhang mit der Kündigung. Ohne die Erfahrungen aus dem Arbeitsverhältnis sowie die Enttäuschung über die Kündigung wären die Bewertungen nicht zu verstehen gewesen.
Selbst familiäre Spannungen, die sich ebenfalls in den Bewertungen niederschlagen, führten nicht dazu, den Bezug zum Arbeitsverhältnis vollständig zu verdrängen. Das Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung bildeten den Anlass und Kern der beanstandeten Äußerungen.
Folgen der Entscheidung für Praxis und Recht
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist von großer praktischer Bedeutung:
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Für Arbeitgeber: Das Urteil macht deutlich, dass arbeitsrechtliche Streitigkeiten auch dann vor den Arbeitsgerichten ausgetragen werden müssen, wenn sich die Auseinandersetzung auf Äußerungen im Internet bezieht, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses veröffentlicht wurden. Arbeitgeber sollten daher bei negativen Online-Bewertungen durch (ehemalige) Mitarbeiter die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit beachten.
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Für Arbeitnehmer: Arbeitnehmer, die Kritik oder Meinungsäußerungen zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber online abgeben, können sich darauf einstellen, dass sich daraus arbeitsgerichtliche Verfahren ergeben können – insbesondere wenn die Äußerungen inhaltlich in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.
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Für Rechtsanwälte und Gerichte: Das Urteil schafft Klarheit zur Abgrenzung der Zuständigkeiten. Es verdeutlicht, dass das Arbeitsgericht auch für Unterlassungsansprüche aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen zuständig ist, wenn diese im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen – unabhängig davon, ob die Handlung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf spiegelt die zunehmende Relevanz digitaler Äußerungen in Arbeitsverhältnissen wider. Sie betont, dass Arbeitsgerichte nicht nur bei klassischen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, sondern auch bei Fällen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und negativen Online-Bewertungen durch Arbeitnehmer zuständig sind, wenn ein enger Bezug zum Arbeitsverhältnis besteht.
Dies stärkt den spezialisierten arbeitsgerichtlichen Rechtsweg und sorgt für eine klare Zuordnung der Zuständigkeiten in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt.
Urteil im Überblick:
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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
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Aktenzeichen: I-16 W 45/21
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Datum: 25. November 2021
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Kernentscheidung: Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig, Verweisung an das Arbeitsgericht Mönchengladbach
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Kernproblem: Zuständigkeit bei Unterlassungsklagen gegen Internetbewertungen ehemaliger Arbeitnehmer
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Relevante Normen: § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB
Falls Sie Fragen zur arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit, zu Unterlassungsklagen im Arbeitsverhältnis oder zur Bewertung von Arbeitgebern im Internet haben, stehe ich gerne zur Verfügung.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.
Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321