Aus den USA kamen jüngst Berichte über eine Sammelklage gegen Tesla wegen einer möglichen Manipulation der Gesamtfahrleistung auf. Hierzu lassen sich diverse Berichte recherchieren, u. a. auch die Klageschrift einer Sammelklage vor dem Los Angeles County – Superior Court – Central District, CA Case # 25STCV03746.
Worum geht es in diesem Fall?
und
Wie lässt dieser auf die deutsche Rechtsordnung und mögliche Ansprüche betroffener Kunden übertragen?
Sammelklage – LA/USA
Vorwurf der Sammelklage gegenüber den US-Elektroautobauer Tesla ist, dass der Kilometerzähler einiger Fahrzeuge bei Fahrten zum Teil deutliche längere Wegstrecken ausweist und der Gesamtlaufleistung hinzuaddiert, als bei den jeweiligen Fahrten tatsächlich an Wegstrecke gefahren wird.
In der Klageschrift wird teilweise vorgetragen, dass für ein Fahrzeug täglich 72 Meilen pro Tag im System hinterlegt werden, obwohl der betreffende Fahrer des Fahrzeuges nur insgesamt 40 Meilen zu und von seiner Arbeit gefahren ist.
Anders als herkömmliche Fahrzeuge anderer Autohersteller verfügen Tesla-Fahrzeuge nicht über einen klassischen mechanischen Kilometerzähler, sondern die jeweils gefahrene Wegstrecke wird durch den Einsatz der Fahrzeug-Software u. a. anhand des Stromverbrauches ermittelt.
In der Klageschrift wird Tesla nicht vorgeworfen, dass die Ermittlungsweise der gefahrenen Wegstrecke durch die Fahrzeug-Software ungenau oder fehlerhaft ist. Vorwurf der Sammelklage ist vielmehr, dass Tesla die Software zur Ermittlung der Wegstrecke zu Lasten der betroffenen Fahrer bzw. Fahrzeug-Eigentümer mit höher ausgewiesenen Laufleistungen manipuliert.
Der Grund für die zum Vorwurf gemacht Manipulation wird darin gesehen, dass die Fahrzeuge mit höher ausgewiesenen Laufleistungen schneller aus der Garantie fallen bzw. Leasingkilometergrenzen erreicht werden. Auffällig scheint jedenfalls zu sein, dass die höher aufgezeichneten Laufleistungen verstärkt bei Fahrzeugen auftreten, je näher diese an die auslaufende Garantiezeit kommen.
Die Sammelklage verlangt für die betroffenen Fahrzeug-Eigentümer Schadensersatz sowie Strafschadensersatz.
Begründet der an Tesla gerichtete Vorwurf einen Sachmangel des Fahrzeuges nach deutschem Recht?
Zunächst stellt sich die Frage, ob ein Fahrzeug, welches eine höhere Laufleistung ausweist, als tatsächlich an Wegstrecke gefahren wird, mangelhaft ist.
Dies wäre in jedem Fall anzunehmen, wenn die Messung fehlerhaft erfolgt und die Kilometerzähler bei jeder Fahrt zu einer erhöhten Messung der Fahrstrecke kommt.
Bei den betreffenden Tesla-Fahrzeugen wird dieser Vorwurf nicht erhoben. Weder wird behauptet, dass bei jeder Fahrt eine zu hohe Fahrstrecke ausgewiesen wird noch gibt es konkrete Ausführungen dazu, dass das softwarebasierte Messverfahren von Tesla-Fahrzeugen fehlerhaft ist und es deshalb zu erhöhten Messungen der aufgezeichneten Fahrstrecken und damit der Kilometerlaufleistung kommt.
Geht man daher davon aus, dass die softwarebasierte Fahrstreckenmessung von Tesla-Fahrzeugen einwandfrei funktioniert, stellt sich die weitere Frage, ob der manipulative Eingriff in die Software zur Fahrstreckenmessung und -aufzeichnung, wie es Tesla in der Sammelklage zur Last gelegt wird, allein für sich genommen einen Mangel des Fahrzeuges darstellt. Der Zugriff von Tesla auf die Fahrzeug-Software ist bekannt, Teil des Verkaufs- und Betriebsmodells und auch von Kunden etwa für die Durchführung von Software-Updates gewünscht. D.h. allein die Zugriffmöglichkeit auf die Fahrzeug-Software wird einen Sachmangel nicht begründen können.
Anders könnte dies möglicherweise für eine Zugriffsmöglichkeit zu beurteilen sein, die es Tesla ermöglicht solche Fahrzeugdaten willkürlich abzuändern, auf deren Genauigkeit und Richtigkeit der Kunde offensichtlich vertraut und vertrauen darf und muss. Das wären z.B. sicherheitsrelevanten Einstellungen, etwa wenn die Auslösefunktion eines Airbags nachträglich an Parameter (z.B. Aufprallgeschwindigkeit) geknüpft, die für Fahrzeuginsassen objektiv zu einen erheblichen Sicherheitsproblem führen. Selbiges wird man wohl auch für solche Einstellmöglichkeiten sehen müssen, die sich wesentlich auf die geschuldete Fahrzeugfunktion auswirken, wie etwa den Stromverbrauch, die Fahrgeschwindigkeit, Bremsverhalten, … und auch die maximale Reichweite.
Liegt die ausgewiesene Fahrstrecke über der tatsächlich gefahrenen Wegstrecke, so kann daraus noch lange nicht der Schluss gezogen werden, dass das Fahrzeug die gegenüber dem Kunden zugesagte maximale Reichweite des Fahrzeuges nicht erreichen wird. Dazu tragen die Kläger der Sammelklage selbst nichts vor.
Konkret geht es um den Vorwurf der Software-Manipulation mit der Konsequenz, dass die vom Fahrzeug ausgewiesene Laufleistung, für die einzelne Wegstrecke wie auch die Gesamtlaufleistung, zu hoch und damit falsch ausgewiesen wird.
Wir meinen, dass es sich dann um einen Fahrzeugmangel handeln wird wenn wie die Zugriffsmöglichkeit vom Hersteller für Manipulationen wesentlicher Fahrzeugwerte bzw. -angaben, wie auch der Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges genutzt wird.
Fällt einem Kunden diese Manipulation seitens Tesla auf, wird er nach deutschem Recht wohl grundsätzlich den Verkäufer seines Fahrzeuges auffordern müssen, den Fahrzeugmangel zu beheben, spricht die Gesamtlaufleistung auf den tatsächlichen Wert zurückzusetzen und die Zugriffsmöglichkeit gegen Manipulation der ausgewiesenen Fahrstrecke abzusichern. Bei einer wiederholt erfolgten Manipulation der Fahrstrecke nach entsprechender Aufforderung des Kunden und dazu erfolgter angemessener Fristsetzung, wird man dem Kunden wohl einen Anspruch aus Gewährleistung – Minderung, Rücktritt und bei nachgewiesenem Verschulden auch Schadensersatz – zusprechen müssen.
Interessant wird für den Kunden mitunter die Rücktrittsmöglichkeit ein. Hier ist jedoch zu beachten, dass sich der zurückzuerstattende Kaufpreisbetrag um das Nutzungsentgelt mindert, das sich grundsätzlich nach der gefahrenen Gesamtleistung bemisst.
Vergleich zu Dieselabgasfällen?
Trifft der Vorwurf einer bewussten Manipulation der Fahrzeugsoftware durch Tesla zu, wodurch die ausgewiesene Fahrleistung höher als die tatsächlich gefahrenen Wegstrecken ausgewiesen wird, so liegt es nahe, die besonderen Grundsätze der Rechtsprechung zu den sog. Dieselabgasfällen zu Grunde zulegen – ergänzende Schadensersatzansprüche, keine Anrechnung der eigenen Fahrzeugnutzung zur Verrechnung bei der Kaufpreisrückerstattung.