hintergrund
Am Pfingstwochenende gibt es auf den Autobahnen wieder lange Staus. KI könnte den Verkehr flüssiger machen. Doch bis sie überall eingesetzt werden kann, ist es noch ein langer Weg.
Wer in Nordrhein-Westfalen mit dem Auto unterwegs ist, braucht oft Geduld. Markus Alexander steht am Leverkusener Kreuz. Planbar sei eine Reise nicht, sagt er: „Gestern sagte das Navi angeblich 4,5 Stunden. Jetzt sind wir mit den Staus voraussichtlich 6,5 Stunden unterwegs. Zwei Stunden Plus – nur durch Stau und Verengungen. Es ist nervig.“
Gerade an langen Wochenenden zeigt sich, wie groß das Stau-Problem in Nordrhein-Westfalen ist. Ein Drittel aller Staus in Deutschland entfällt auf das bevölkerungsreichste Bundesland. In NRW dauerten laut ADAC im vergangenen Jahr alle Staus 2024 zusammengerechnet 6.500 Tage. Eine Datenauswertung des Dienstleisters Inrix zeigt, dass Pendler in Deutschland 2024 im Schnitt 43 Stunden im Stau verbracht haben.
KI-Ampel in Hamm
Künstliche Intelligenz soll nun helfen, das Problem zu lösen. Dazu läuft im Kleinen bereits Forschung, etwa in Hamm. Kameras beobachten den Verkehr an einer Kreuzung. Die Daten werden permanent ausgewertet. Ziel ist es, Fahrrad- und Autoverkehr besser aufeinander abzustimmen. Die Kameras können unterscheiden, welcher Verkehrsteilnehmer kommt.
„Hier kommen jetzt weitere Fahrräder. Wir sehen, die Grünschaltung ist gekommen. Da kommen noch welche hinterher – und sie kriegen auch Grün“, erklärt Christian Breßler von der Stadt Hamm. In diesem Fall sorge die Ampel dafür, dass die Fahrradfahrer eine längere Grünphase bekämen und es auch noch über die Ampel schafften. „Diese Anlage steht mehr oder weniger permanent unter Controlling von uns. Sie lernt ständig dazu.“
Die Ampel soll also den Verkehr analysieren und Abläufe lernen. Im Laufe der Zeit soll sich damit der Verkehrsfluss verbessern. Im größeren Stil gibt es diese Ampeln bereits in Städten wie Singapur oder Boston. In Hamm ist es erst ein kleines Experiment, das anfangs auch etwas holprig angelaufen war.
Mit KI den Verkehr besser planen
Zeitweise sorgte die KI-Schaltung für lange Rückstaus im Feierabendverkehr. Die Stadt Hamm vermutet, dass das mit mehreren innerstädtischen Baustellen und Ausweichverkehr zu tun hat. Teilweise sorgte das für bis zu 500 Meter Stau und mehrere Minuten Wartezeit für die Autofahrer. Deswegen hatten sich viele bei der Stadt beschwert.
Ein Sprecher schreibt, man habe dann nachgebessert: „Aufgrund einiger Innenstadt-Baustellen, die wir derzeit haben, wurde zurzeit die Priorisierung von Fuß- und Radverkehr in der KI-Ampel in der Zeit zwischen 15.30 und 17.00 Uhr durch ein separat aktiviertes Spezialprogramm etwas verändert.“ Man rechne damit, dass die Ampel nach den Sommerferien wieder normal arbeiten könne, dann seien die Bauarbeiten beendet.
Auch wenn sich die Anfänge etwas schwierig gestalten: Stauforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen sieht das Potenzial von KI, um Staus auch auf der Autobahn den Kampf an zu sagen. „Man kann Staus planbar machen. Das ist etwas, da kann die künstliche Intelligenz helfen. Durch Datenanalyse kann man dann Prognosen machen, die es mir möglich machen, besser zu planen“, so Schreckenberg.
Nicht einfach die KI zu „füttern“
Die KI mit Daten zu füttern ist laut Schreckenberg gar nicht so einfach, denn das Straßennetz ändere sich permanent. „Sie haben ständig andere Baustellen und veränderte Situationen. Und das kann das System nicht gelernt haben.“ Auch Unfälle seien nicht vorhersehbar.
Hinzu kommen gerade in NRW viele marode Autobahnbrücken: Bauwerke, die man nicht einfach ersetzen könne, so Schreckenberg. Man müsse sich also schon weit im Voraus überlegen, was eine Sperrung für Auswirkungen auf andere Strecken habe. Wenn man eine Brücke plötzlich sperren müsse, sei es zu spät, um sich Gedanken über diese Maßnahmen zu machen.
NRW will Daten für KI sammeln
NRW will jetzt in die Offensive gehen. Ende Mai ging mit dem NRW.Mobidrom eine neue Datenplattform des Landes in Betrieb. Künftig sollen hier alle wichtigen Mobilitätsdaten zentral zusammenlaufen und nutzbar gemacht werden. Das betrifft zum Beispiel Baustellen- und Staumeldungen oder Angaben zu Parkplatzkapazitäten in einer Stadt. Kommunen, Verkehrsunternehmen oder private Anbieter können die Daten einspeisen.
„Wir müssen erstmal Daten sammeln, um damit Prognosen erstellen zu können, weil die KI nichts machen kann, wenn sie nicht auf die Daten der Vergangenheit zurückgreifen und daraus Muster und Bilder entwickeln kann für das, was in der Zukunft passieren kann“, so der Verkehrsminister von NRW, Oliver Krischer von den Grünen.
Diese Daten sollen dann auch anderen Diensten wieder zur Verfügung gestellt werden. Irgendwann sollen sich durch sie Staus voraussagen und der Verkehr besser steuern lassen. Vielleicht geht es ja dann etwas entspannter zur Arbeit oder in den Kurzurlaub.