Zwei aktuelle Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 30. April 2025 (Az. 20 B 948/24 und 20 A 1506/24) haben eine zentrale Grundsatzfrage im Waffenrecht neu akzentuiert: Reicht allein die Mitgliedschaft in einer Partei, die vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft wird, für die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit?
Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteile vom 19.06.2024 und 24.06.2024) diese Frage bejaht und allein die AfD-Mitgliedschaft als ausreichend für die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG angesehen. Das OVG Münster hat dieser Praxis nun eine klare Absage erteilt – kurz bevor die AfD-Bundespartei vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am 2. Mai 2025 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurde.
1. Die Ausgangslage: AfD als Verdachtsfall – reicht das?
Das VG Düsseldorf war bislang der Auffassung, dass bereits die Mitgliedschaft in einer Partei mit Verdachtsfallstatus – also ohne endgültige Einstufung als extremistisch – genügt, um die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu verneinen. Eine konkrete Beteiligung an verfassungsfeindlichen Aktivitäten hielt das Gericht nicht für notwendig.
2. OVG Münster: Pauschalurteil unzulässig – Einzelfallprüfung erforderlich
Dem tritt das OVG Münster entschieden entgegen. In seinen Beschlüssen stellt das Gericht klar:
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Ein Verdachtsfall allein genügt nicht.
Die bloße Einstufung einer Partei als Verdachtsfall durch das BfV erfüllt nicht die gesetzliche Voraussetzung „Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen“, dass eine verfassungsfeindliche Unterstützung vorliegt (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b WaffG). Es bedarf gesicherter, überprüfbarer Erkenntnisse. -
Verfassungsrecht verlangt Differenzierung.
Art. 9 und 21 GG schützen Vereinigungsfreiheit und politische Betätigung. Eine pauschale Gleichsetzung jeder Mitgliedschaft mit Extremismus sei verfassungsrechtlich unzulässig. Es müsse stets geprüft werden, ob der Betroffene persönlich extremistische Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat. -
Keine Umkehrung der Beweislast.
Die Behörde trägt die volle Darlegungs- und Beweislast. Ein bloßer Verdacht darf nicht zur Regelvermutung führen. Andernfalls müsste der Betroffene seine Verfassungstreue aktiv beweisen – ein unzulässiger Systembruch. -
Grenze zur „gesicherten Bestrebung“ entscheidend.
Nur wenn eine Organisation vom BfV als „gesichert extremistisch“ eingestuft ist und dies auf nachvollziehbaren Tatsachen beruht, kann die Regelvermutung überhaupt greifen. -
Auch bei Regelvermutung: kein Automatismus.
Selbst im Fall einer gesicherten extremistischen Ausrichtung einer Organisation fordert das OVG eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung. Reines Parteibuch reicht nicht – es braucht konkrete Hinweise auf eine persönliche Unterstützung verfassungsfeindlicher Ziele.
3. Neue Entwicklung: AfD seit 2. Mai 2025 „gesichert rechtsextremistisch“
Nur zwei Tage nach der OVG-Entscheidung erfolgte ein Paukenschlag: Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte öffentlich mit, die AfD-Bundespartei werde ab sofort als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Grundlage sei ein über 1.000 Seiten umfassendes Gutachten, das unter anderem Verstöße gegen Menschenwürde, Gleichheitsgrundsatz und den demokratischen Rechtsstaat dokumentiert.
Diese Neubewertung ist rechtlich von erheblicher Tragweite – insbesondere für das Waffenrecht.
4. Waffenrechtliche Konsequenzen: Rückkehr zur Regelvermutung?
Mit der neuen Verfassungsschutzbewertung wird die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b WaffG bei AfD-Mitgliedern grundsätzlich wieder einschlägig. Die Mitgliedschaft in der Partei kann nun als Indiz für die Unzuverlässigkeit gewertet werden – sofern sie nachgewiesen ist.
Allerdings: Auch jetzt ist keine schematische Entscheidung zulässig. Das OVG Münster hat betont, dass selbst im Fall einer gesichert extremistischen Vereinigung geprüft werden muss, ob sich der Betroffene aktiv, öffentlich oder strukturell in verfassungsfeindlicher Weise betätigt hat – oder ob er sich klar davon distanziert.
5. Fazit: Keine Entwarnung – aber differenzierte Prüfung bleibt geboten
Die Waffenbehörden werden künftig deutlich genauer hinsehen – und bei Parteimitgliedschaften verstärkt prüfen. Wer AfD-Mitglied ist, muss mit intensiverer Kontrolle und unter Umständen auch mit dem Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse rechnen.
Doch entscheidend bleibt: Die Mitgliedschaft allein genügt nicht automatisch für die Annahme der Unzuverlässigkeit. Es bleibt bei der Einzelfallbewertung – wenn auch unter deutlich strengeren rechtlichen Rahmenbedingungen.
Hinweis für Waffenbesitzer:
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