Weder Mutterschutzfristen noch Elternzeit verhindern das Entstehen von Urlaubsansprüchen. Diese Ansprüche bleiben grundsätzlich während der gesamten Dauer dieser Schutzfristen bestehen. Ein automatischer Verfall ist nicht vorgesehen. Wird der angesammelte Urlaub nicht gewährt und genommen, ist er entsprechend abzugelten.
Der Verfall von Urlaub während der Mutterschutzfristen ist bereits gesetzlich gemäß § 24 Satz 2 MuSchG ausgeschlossen. Während der Elternzeit steht dem Arbeitgeber gemäß § 17 BEEG zwar ein Kürzungsrecht zu. Allerdings muss der Arbeitgeber, um davon Gebrauch zu machen, die Kürzung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses erklären. Versäumt er dies oder erfolgt die Erklärung nicht rechtzeitig, verfällt der Urlaub nicht.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16. April 2024 (Az.: 9 AZR 165/23) bestätigt.
Sachverhalt
Die Klägerin war vom 1. Februar 2009 bis zum 25. November 2020 als Therapeutin im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Ab dem 24. August 2015 befand sie sich im Mutterschutz und nahm anschließend Elternzeit, die bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses andauerte. Aus Sicht der Klägerin entstanden ihr während des Mutterschutzes und der Elternzeit für die Jahre 2015 bis 2020 Urlaubsansprüche im Umfang von insgesamt 146 Arbeitstagen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 25. November 2020 forderte die Klägerin die Abgeltung dieser Urlaubstage in Höhe von 24.932,42 Euro brutto.
Entscheidung des BAG
Das BAG entschied zugunsten der Klägerin und bestätigte, dass ihr die geforderte Urlaubsabgeltung zusteht. Das Gericht stellte fest, dass die Urlaubsansprüche während der Mutterschutzfristen und der Elternzeit in voller Höhe entstanden sind.
Gemäß § 24 Satz 2 MuSchG ist der Verfall von Urlaubsansprüchen während der Mutterschutzfristen ausgeschlossen. Für die Elternzeit gelten die Regelungen des § 17 BEEG. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub zwar für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen, jedoch setzt dies voraus, dass die Kürzungserklärung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine solche Kürzung nicht mehr möglich.
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte die Kürzungserklärung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben, wodurch diese Erklärung unwirksam war. Folglich blieben die Urlaubsansprüche der Klägerin erhalten und mussten in voller Höhe abgegolten werden.
Verjährung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte fest, dass die Urlaubsansprüche der Klägerin für die Jahre 2015 bis 2017 zum Zeitpunkt der Geltendmachung nicht verjährt waren. Grundsätzlich beginnt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB mit der Fälligkeit des Anspruchs. Die Fälligkeit des Urlaubsanspruchs tritt jedoch nicht vor dem Ende der Mutterschutzfristen oder der Beendigung der Elternzeit ein.
Darüber hinaus greifen die Sonderregelungen aus § 24 Satz 2 MuSchG und § 17 Abs. 2 BEEG, die verhindern, dass der Urlaub im „laufenden“ Kalenderjahr genommen werden muss. Stattdessen wird der Urlaubsanspruch auf die Zeit nach Ablauf der Mutterschutzfristen oder Elternzeit verschoben. Diese Sonderregelungen schließen sowohl den Verfall als auch die Verjährung des Urlaubsanspruchs während der Schutzzeiten aus.
Zudem stellte das BAG klar, dass die unionsrechtskonforme Auslegung von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Verjährung entgegensteht. Die Verjährungsfrist beginnt erst am Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber seinen Mitwirkungspflichten zur Gewährung und Inanspruchnahme des gesetzlichen Mindesturlaubs nachgekommen ist.
Fazit
Das Urteil ist insbesondere für Arbeitgeber von großer Bedeutung. Die Arbeitgeber sollen beachten, dass das Recht zur Kürzung des Urlaubsanspruchs gemäß § 17 Abs. 1 BEEG ausschließlich während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden kann. Es empfiehlt sich zudem, die Kürzungserklärung ausdrücklich und aus Nachweisgründen schriftlich abzugeben.
Wird dies versäumt, können Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die volle Urlaubsabgeltung für die während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche geltend machen.