Wer in Aktien investiert, brauchte in der Woche ab dem 7. April 2025 starke Nerven. Zum Wochenstart stürzten die Börsenkurse ab, nachdem US-Präsident Donald Trump hohe Zölle für Handelspartner angekündigt hatte. Der deutsche Leitindex DAX eröffnete am Montag mit einem Minus von rund 10 Prozent und fiel auf 18.489 Punkte. Auch Kryptowährungen verloren an Wert, der Bitcoin rutschte deutlich unter die 80.000-US-Dollar-Marke.
Doch die Woche zeigte auch, wie schnell sich die Stimmung an der Börse drehen kann: Am Mittwoch folgte eine Erholungsrallye, nachdem Trump die Zölle um 90 Tage aufschob. Der S&P 500 stieg um 9,5 Prozent, und der Nasdaq verzeichnete mit einem Plus von 12 Prozent den größten Tagesgewinn seit 2001. Trotz der kurzfristigen Erleichterung bleiben die Märkte aber angespannt.
Ist „Buy the Dip“ eine gute Idee?
Doch wenn Kurse fallen – ist das nicht der perfekte Moment für den Einstieg? Auf Youtube und Instagram kursieren Tipps, die zum Aktienkauf bei Tiefkursen raten – dem „Buy the Dip“. Diese Strategie des „antizyklischen Investierens“ empfiehlt, zu kaufen, wenn andere panisch verkaufen. „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“, lautet auch eine bekannte Börsenweisheit.
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Oder wie Warren Buffett sagt: „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind. Sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“ Seine Investmentfirma Berkshire Hathaway hat über 330 Milliarden Dollar zurückgelegt, um bei Kursstürzen in günstig bewertete Aktien zu investieren.
Buffett ist aber kein Schnäppchenjäger. Er folgt der Strategie des „Value Investing“. „Es ist besser, ein großartiges Unternehmen für einen mittelmäßigen Preis zu kaufen, als ein mittelmäßiges Unternehmen für einen großartigen Preis“, hat die Investmentlegende auch einmal gesagt. Buffett sucht gezielt unterbewertete Firmen, kauft, wenn deren Marktpreis unter ihrem inneren Wert liegt, und hält die Aktien jahrelang.
Nicht jeder ist ein Buffett
Privatanleger:innen können Buffetts Strategie kaum nachahmen. Denn sie verfügen nicht über die gleichen Ressourcen wie Berkshire für eine tiefgreifende Marktanalyse, um gute Einstiegsgelegenheiten zu finden.
Was auch gegen „Buy the Dip“ spricht: Das perfekte Timing für den Kauf zu Tiefpreisen zu finden, ist fast unmöglich. Anleger:innen müssten dazu wissen, ob das aktuelle Tief wirklich der „Dip“ ist oder ob es noch weiter abwärts geht. In Krisenzeiten können Anleger:innen zudem leicht auf das Phänomen der Bullenfalle hereinfallen. Ein plötzlicher Kursanstieg signalisiert scheinbar das Ende eines Abwärtstrends. Investor:innen nutzen die Chance zum Wiedereinstieg – nur um kurz darauf vom nächsten Kursrutsch überrascht zu werden.
Wie geht es an der Börse weiter?
Die „Buy the Dip“-Strategie hängt also wesentlich davon ab, dass Anleger:innen die Lage an der Börse richtig einschätzen – und risikobereit sind. Einige Analyst:innen bewerten den aktuellen Kursrutsch lediglich als Korrekturphase, nachdem viele Aktien aufgrund von längeren Kursanstiegen zu hoch bewertet waren.
Die aktuelle geopolitische Situation und das Hin und Her in Trumps Zollpolitik sprechen allerdings dafür, dass die Unsicherheit an den Börsen noch andauern könnte. Sollte es tatsächlich zu einem Handelskrieg mit Zöllen und Gegen-Zöllen kommen, besteht sogar die Gefahr einer weltweiten Rezession. Gibt es hingegen Einigungen zwischen den Handelspartnern, könnten sich die Aktienmärkte auch wieder schnell erholen.
Als Gradmesser für die Unsicherheit an den Aktienmärkten gilt der sogenannte VIX-Index. Er erfasst die erwartete Schwankungsbreite des US-Aktienmarkts anhand von S&P 500-Optionen und zeigt die Nervosität der Anleger:innen. Das „Angstbarometer“ der Wall Street liegt aktuell auf einem historisch hohen Niveau und erreichte zeitweise über 50 Punkte.
Lohnt es sich, auf den “Dip” zu warten?
Wer auf die Entwicklung des Welt-Aktienindex MSCI World schaut, könnte jetzt auf die Idee kommen, zumindest einen Teil des Geldes für Krisenzeiten zurückzuhalten, um so von einer „Buy the Dip“-Strategie zu profitieren. Denn im Schnitt stieg der Index jedes Jahr um 5,6 Prozent. Kam es aber zu einem Kursrutsch um mindestens 25 Prozent, war die Entwicklung danach deutlich besser: In den zwei Jahren nach Crashs stieg der Index durchschnittlich um 6,7 Prozent im Jahr, auf zehn Jahre gerechnet sogar um 9,2 Prozent.
Doch auch diese Strategie geht nicht auf, wie eine Analyse von Vermögensverwalter Gerd Kommer zeigt, selbst ein erklärter Verfechter der langfristigen Geldanlage etwa mit ETFs (Exchange Traded Funds). In einem Blog-Beitrag analysierte er die tatsächliche Rendite dieser Strategie im Vergleich zum klassischen „Buy and Hold“-Ansatz – also dem einmaligen Investieren und ständigen Dranbleiben. In keiner untersuchten Phase übertraf die “Buy the Dip”-Strategie die Rendite des vollständigen Investierens.
Zunächst beleuchtet Kommer das Renditepotenzial von „Buy the Dip“ theoretisch: Er simuliert einen Anleger, der 25 Prozent seines Kapitals zurückhält und erst bei einem 25-prozentigen Kurseinbruch im MSCI World Index investiert. Die Rückrechnung über 55 Jahre zeigt zunächst ein beeindruckendes Bild: In den zwei Jahren nach dem Tief wären 6,7 Prozent Rendite pro Jahr möglich gewesen, über zehn Jahre sogar 9,2 Prozent. Zum Vergleich: Eine Buy-and-Hold-Investor:in hätte über den gesamten Zeitraum durchschnittlich “nur” 5,6 Prozent im Jahr erzielt.
Doch die Zahlen sind nur die halbe Wahrheit. Entscheidend ist nicht die Entwicklung nach dem Dip, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Dip überhaupt eintritt – und dass der Anleger ihn richtig nutzt. In einem weiteren Schritt testet Kommer deshalb verschiedene Portfolioaufteilungen – mit 70, 80 oder 90 Prozent Aktienanteil, der Rest in Cash. Die Cash-Reserve soll bei Rücksetzern (15 oder 30 Prozent) vollständig investiert werden. Die Simulation umfasst 15 verschiedene Zeiträume zwischen 2007 und 2024, mit Laufzeiten von drei bis 18 Jahren. All diese Szenarien vergleicht er mit einem Anleger, der von Anfang an voll investiert bleibt.
Das Ergebnis ist eindeutig: In jedem der 15 Zeiträume erzielte der Buy-and-Hold-Investor die bessere Gesamtrendite. Fazit: Die Cash-Reserve bietet im Crash einen gewissen Puffer, doch langfristig zahlt sich die langfristige Dauerinvestition mehr aus.
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