Erstaunlich viele deutsche Arbeitnehmer haben bereits innerlich gekündigt, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt. Verantwortlich für den Frust machen sie häufig ihre Führungskraft. Am Gehalt liegt es selten – im Gegenteil: Viele würden sogar Teile davon für bessere Umstände opfern.
Ein Großteil der Arbeitnehmer in Deutschland steht ihrem Arbeitsplatz skeptisch bis negativ gegenüber. Unzufriedenheit, mangelnde Motivation, hohe Kündigungsabsicht und eine geringe Bindung ans Unternehmen prägen das Bild.
Das geht aus dem „Work-Happiness Report“ hervor, einer seit 2022 jährlich erscheinenden Erhebung des Marktforschungsinstituts Appinio im Auftrag des Hamburger Softwareunternehmens Awork. Der Report liegt WELT AM SONNTAG exklusiv vor. Befragt wurden jeweils 1000 Arbeitnehmer in Deutschland sowie in Großbritannien.
Besonders kritisch wird hierzulande die Führung wahrgenommen – der wichtigste Auslöser für Wechselgedanken. Denn viele Beschäftigte haben bereits innerlich gekündigt. Fast ein Drittel der Befragten denkt häufig über einen Wechsel nach. Besonders alarmierend: Unter den unglücklichen Beschäftigten sind es sogar 79 Prozent, die regelmäßig mit dem Gedanken spielen zu kündigen.
Aber selbst unter denen, die angeben, grundsätzlich glücklich im Job zu sein, denkt fast ein Drittel an einen Wechsel. Neben schlechter Führung nennen Befragte fehlende Sinnhaftigkeit (22 Prozent), mangelnde Entwicklungsmöglichkeiten (18 Prozent), unzureichende Bezahlung (15 Prozent) und fehlende Gemeinschaft (zwölf Prozent) als Gründe.
Awork-Geschäftsführer Tobias Hagenau hat die Erhebung ins Leben gerufen. „Viele Mitarbeiter schlagen sich mit Zufriedenheitsbefragungen herum, die im Best Case das Ergebnis haben: ‚Joa, bin so ganz zufrieden.‘ Das darf nicht der Anspruch sein“, sagt er. Arbeit müsse sich nicht nur finanziell lohnen, sondern Beschäftigte müssten auch Erfüllung finden, so Hagenau. Weil das anscheinend oft nicht der Fall ist, spiegelt sich die Unzufriedenheit entsprechend in der Arbeitswelt wider.
59 Prozent erledigen ihre Aufgaben zwar ordentlich, aber ohne besondere Motivation. Sieben Prozent machen nur noch Dienst nach Vorschrift. Auffällig: Gerade in Deutschland gibt nur ein Drittel der Beschäftigten eigenen Angaben zufolge das Beste bei der Arbeit, während es in Großbritannien fast die Hälfte (49 Prozent) ist.
Während bei Deutschen Motivation oft mit Pflichtbewusstsein und Professionalität assoziiert ist, sei bei Briten eher emotionale Bindung und Arbeitsglück entscheidend, sagt Hagenau.
Besonders heikel findet Hagenau einen Umfragewert. So würden die Befragten im Schnitt 22 Prozent ihres Gehalts abgeben, um im gleichen Job glücklicher zu sein. „Diejenigen, die weniger glücklich sind, sind deutlich unmotivierter bei der Arbeit“, so Hagenau. Entsprechend hoch sei dann die Kündigungsneigung.
Auch andere Erhebungen hatten in den vergangenen Monaten immer wieder auf eine niedergedrückte Stimmung unter Beschäftigen hingedeutet. So zeigte etwa eine Erhebung des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Gallup, dass die emotionale Bindung, Loyalität und Vertrauen in die finanzielle Zukunft des Arbeitgebers hierzulande deutlich eingebrochen sind.
Nur noch neun Prozent der Arbeitnehmer erleben demnach nach eigenen Angaben ein durch gute Führung geprägtes Arbeitsumfeld, das zu einer hohen emotionalen Bindung führt. Nur die Hälfte der Befragten beabsichtigt zudem uneingeschränkt, in einem Jahr noch bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu sein.
Auch dass sich seit nunmehr anderthalb Jahren eine Krise Arbeitsmarkt am Arbeitsmarkt festgesetzt hat, könnte ein Grund für das Stimmungstief sein. Knapp drei Millionen Arbeitslose, zunehmende Kurzarbeit und eine regelrechte Welle an Firmenpleiten prägen derzeit das Bild. Ein Umschwung ist den Forschungsinstituten zufolge in den kommenden Monaten kaum zu erwarten.
Jan Klauth ist Wirtschaftsredakteur und berichtet regelmäßig über den Arbeitsmarkt.