Das Kammergericht Berlin hat in seinem Urteil vom 28. Mai 2025 (5 ORs 17/25) eine grundlegende Entscheidung zur Anwendung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) auf Strafgefangene getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein Strafgefangener während der Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe in seinem Haftraum bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum besitzen darf, ohne sich strafbar zu machen. Das Gericht bejahte dies und stellte fest, dass auch in Haft befindliche Personen unter die Erlaubnisnorm des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG fallen können.
Zentraler Aspekt der Entscheidung ist die Auslegung des Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“, da die Besitzregelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG voraussetzt, dass sich die betreffende Person an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt befindet. Das KG stellte klar, dass der Haftraum eines Strafgefangenen im Sinne des KCanG dessen gewöhnlichen Aufenthalt darstellt. Dabei verwies das Gericht auf die Legaldefinition in § 1 Nr. 17 KCanG, die sich explizit an die Regelungen in § 9 Abgabenordnung (AO) und § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch I (SGB I) anlehnt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist auch der unfreiwillige Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt als gewöhnlicher Aufenthalt zu qualifizieren, sofern er auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Maßgeblich seien allein die tatsächlichen Lebensverhältnisse, nicht die Freiwilligkeit des Aufenthalts.
Entscheidend ist laut Gericht, dass der Wortlaut des Gesetzes keine Einschränkung auf „private“ oder „frei gewählte“ Räumlichkeiten enthält. Auch in den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis darauf, dass die Besitzregelung nur für Personen gelten soll, die gleichzeitig Cannabispflanzen anbauen. Insoweit betont das KG, dass es für die Anwendung der Erlaubnisnorm allein auf den Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum ankomme – unabhängig vom Besitz lebender Pflanzen oder dem Ort, an dem sich die Person gewöhnlich aufhält, solange dieser den gesetzlichen Kriterien entspricht.
Eine Einschränkung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG aus allgemeinen ordnungsrechtlichen Erwägungen – etwa zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt – lehnt das Gericht ausdrücklich ab. Der Gesetzgeber habe im KCanG keine Sonderregelung für den Strafvollzug getroffen, obwohl er dies für andere besonders schützenswerte Bereiche wie Schulen oder militärische Einrichtungen durchaus getan habe. Eine analoge Anwendung dieser Ausnahmen auf Justizvollzugsanstalten sei mit Blick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) unzulässig.
Allerdings stellt das KG klar, dass diese strafrechtliche Erlaubnis die Justizvollzugsanstalten nicht daran hindert, auf Grundlage der jeweiligen Vollzugsgesetze – etwa durch Hausordnungen oder Allgemeinverfügungen – Regelungen zum Verbot von Besitz und Konsum von Cannabis innerhalb der Anstalt zu treffen. Verstöße könnten dann mit vollzuglichen, nicht aber mit strafrechtlichen Maßnahmen geahndet werden.
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