Im Handelskrieg mit den USA bereitet die EU mögliche Gegenmaßnahmen vor. Laut einem Bericht plant sie, zusätzliche Zölle auf US-Waren im Wert von etwa 100 Milliarden Euro zu erheben, sollten die Gespräche mit den USA scheitern. Profitieren könnte davon eine andere Supermacht.
Im seit Wochen schwelenden Handelskonflikt mit der US-Regierung gibt sich die Europäische Union (EU) demonstrativ gelassen – und arbeitet an massiven Gegenzöllen, sollte es mit Amerika nicht zu einer Einigung kommen. So ist die EU nach Darstellung von Handelskommissar Maros Sefcovic unter keinem Druck, überstürzt mit den USA einen schlechten Deal im Zollstreit einzugehen. „Wir fühlen uns nicht schwach“, sagte Sefcovic am Dienstag. Es müsse keine Lösung akzeptiert werden, die für die EU-Seite nicht fair wäre.
Die Europäische Union solle mit anderen Ländern ihre Handelsbeziehungen vertiefen und verspüre ein großes Interesse in unterschiedlichen Wirtschaftsregionen, so der Handelskommissar. Der Löwenanteil des internationalen Handels entfalle auf andere Staaten außerhalb der USA. So gebe es bereits mit Indien, Indonesien, Thailand und Malaysia Verhandlungen über Freihandelsabkommen. Diese laufen zum Teil aber schon seit vielen Jahren, ohne dass eine schnelle Einigung absehbar ist.
In den kommenden Wochen bis Anfang Juli will die aus 27 Ländern bestehende EU mögliche Gegenmaßnahmen im Handelskrieg mit den USA vorbereiten. Die neuen US-Zölle von Präsident Donald Trump würden derzeit 70 Prozent der europäischen Exporte in die USA betreffen, sagte Sefcovic vor Abgeordneten im EU-Parlament. Es könnten 97 Prozent werden, sollten weitere Branchen ins Visier genommen werden. Die USA drohen unter anderem noch mit Sonderzöllen auf Pharmaprodukte und Halbleiter.
Trump hat seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar gegen fast alle Handelspartner hohe Sonderzölle erlassen. Besonders stark hat sich die Spirale aus Zöllen und Gegenzöllen mit China hochgeschaukelt. Die Europäische Union hat zwar bereits einige Gegenmaßnahmen in Kraft gesetzt, diese dann aber wieder ausgesetzt, um Zeit für Verhandlungen zu lassen. Auch die USA hatten einige der neuen Zölle für 90 Tage auf Eis gelegt. Die Verhandlungen sind jetzt bis zum 8. Juli angesetzt.
„Alle Optionen bleiben auf dem Tisch“, sagte Sefcovic. Der eindeutig bevorzugte Weg der EU sei eine Verhandlungslösung. „Wir brauchen jetzt die Bereitschaft der USA, Fortschritte auf dem Weg zu einer fairen und ausgewogenen Lösung zu machen.“ Trump hat 25-prozentige Importzölle auf Autos, Stahl und Aluminium aus der EU verhängt. Hinzu kommen pauschale Zölle von zehn Prozent auf fast alle anderen Produkte. Diese könnten auch noch auf 20 Prozent erhöht werden.
Die Agentur Bloomberg meldete, die EU plane zusätzliche Zölle auf US-Waren im Wert von etwa 100 Milliarden Euro zu erheben, falls die laufenden Handelsgespräche scheiterten. Die geplanten Vergeltungsmaßnahmen sollen den Mitgliedstaaten demnach am Mittwoch erläutert werden. Die Konsultationen werden im Anschluss nach Angaben aus EU-Kreisen voraussichtlich einen Monat dauern, bevor die Liste endgültig festgelegt würde.
China will näher an EU rücken
In die Lücke, die Trump mit seinem Vorgehen gegen langjährige Partner der USA reißt, will China vorstoßen. Ein Sprecher des Außenministeriums in Peking sagte am Dienstag, die Volksrepublik würde Besuche von EU-Ratspräsident Antonio Costa und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur gegebenen Zeit begrüßen. Es werde noch in diesem Jahr hochrangige Gespräche mit der EU geben – zu den Themen Wirtschaft und Handel, grünen Technologien und der Digitalisierung.
Der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge ist Chinas Präsident Xi Jinping bereit für Treffen mit den Spitzen der EU. „Gesunde und stabile Beziehungen zwischen China und der EU fördern nicht nur die beiderseitigen Errungenschaften, sondern werfen auch ein Licht auf die Welt“, wurde Xi zitiert. Er forderte die EU auf, sich gegen aggressives Vorgehen einzelner Länder zu stemmen. Die USA nannte Xi dabei aber nicht namentlich.
Trump hat die neuen Zölle unter anderem mit dem großen Handelsdefizit der USA begründet. Im März stand ein Rekordminus zu Buche. Die Lücke zwischen Im- und Exporten weitete sich auf 140,5 Milliarden Dollar aus, wie das US-Handelsministerium am Dienstag mitteilte. Dies war ein Zuwachs um 14 Prozent gegenüber dem Vormonat, als ein Defizit von 123,2 Milliarden Dollar aufgelaufen war.
rtr/saha