Der März war ein guter Monat für die deutsche Wirtschaft. Sowohl die Produktion als auch die Exportzahlen sind überraschend stark gestiegen. Eine grundsätzliche Trendwende sehen Ökonomen trotzdem nicht. Das hat vor allem einen Grund.
Deutschlands Wirtschaft macht derzeit überraschend gute Geschäfte. Die Produktion ist im März so stark gewachsen wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr, meldet das Statistische Bundesamt.
Um drei Prozent legte das Geschäft von Industrie, Bau und Energieversorgern gegenüber dem Vormonat zu. Das ist fast viermal mehr als von Ökonomen erwartet.
Getrieben ist diese Steigerung vor allem durch Auslandsaufträge. Und der März war dabei schon der fünfte Monat in Folge mit steigenden Exportzahlen.
Verkauft wurden in dem Monat jenseits der Grenze Waren im Wert von 133,2 Milliarden Euro, das sind 1,1 Prozent mehr als im Februar und sogar 2,3 Prozent mehr als im Vorjahresvergleich.
Jubelstimmung kommt deswegen allerdings nicht auf. „Der Anstieg der Zahlen ist leider kein Aufwärtstrend“, sagt Dirk Jandura, der Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA).
Stattdessen handele es sich um einen Vorzieheffekt aus Sorge vor drohenden US-Zöllen, die dann im April auch schließlich angekündigt wurden. Die mittelfristige Perspektive bleibe geprägt durch die verantwortungslose Handelspolitik des amerikanischen Präsidenten.
US-Geschäft im März überdurchschnittlich
„In den kommenden Monaten werden wir, aber vor allem die USA, die Auswirkungen des Zoll-Wirrwarrs zu spüren bekommen. Das dicke Ende kommt noch überall auf der Welt.“
Tatsächlich war das US-Geschäft im März überdurchschnittlich. Die deutschen Ausfuhren in die größte Volkswirtschaft der Welt legten um 2,4 Prozent zu. Um höhere Preise infolge der Zölle zu vermeiden, haben viele Unternehmen ihren Bestellungen vorgezogen, begründeten Experten.
„Es gab sie wirklich, die vorgezogenen Beschaffungskäufe der US-Importeure in Deutschland“, beschreibt zum Beispiel Andreas Scheuerle, der Leiter Konjunktur Industrieländer bei der DekaBank. „Nicht nur, dass die Ausfuhr in die USA entgegen der Entwicklung im Drittstaatenhandel spürbar zugenommen hat. In Deutschland wurden im März auch die Exportschlager für die USA – Autos, Maschinen und Pharmazeutika – in besonderem Umfang produziert.“
Das werde nun schlagartig aufhören. „Wie das im Leben nun mal so ist: Auf die rauschende Nacht folgt am nächsten Tag der Kater. In die Gegenwart vorgezogene Käufe fehlen in der Zukunft.“
Ähnlich sieht es auch Alexander Krüger, der Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. „Der Exportsektor hat Produkte noch schnell vor der Zollkeule in die USA geliefert“, sagt der Ökonom.
Dieser Impuls stehe im laufenden Quartal nicht mehr zur Verfügung. „Der Effekt wird sich im April verkehrt haben, sodass die Produktion unter Wasser bleibt.“ Denn ein fundamentaler Aufwärtstrend sei weiterhin nicht erkennbar.
Zölle bislang nur ausgesetzt
„Schwierige Standortbedingungen belasten, die US-Zollkeule verunsichert. Die Kapazitätsauslastung dürfte niedrig bleiben und die Beschäftigung unter Druck halten“, so Krüger. „Unternehmen sind gut beraten, sich neue Absatzquellen zu erschließen.“
Anfang April hatte US-Präsident Donald Trump Importzölle auf nahezu alles verkündet. Die Höhe variiert dabei – hinausgehend über einen Basissatz von zehn Prozent – von Land zu Land. Für Einfuhren aus der Europäischen Union (EU) und damit auch aus Deutschland ist zum Beispiel ein Aufschlag von pauschal 20 Prozent vorgesehen.
Dieser Plan wurde aber für die meisten Handelspartner für 90 Tage ausgesetzt, nachdem es in der Folge zu einem weltweiten Börsencrash gekommen war. Bereits gültig sind unabhängig davon Zölle auf Autos sowie auf Stahl und Aluminium in Höhe von 25 Prozent.
Die Gegenreaktion der EU ist bislang moderat, weitere Maßnahmen seien aber vorbereitet, hieß es zuletzt am Donnerstag aus Brüssel. Den bisherigen Vorschlag der EU-Kommission, gegenseitig alle Zölle auf bestimmte Industriegüter und Autos abzuschaffen, hat Trump bislang ausgeschlagen.
Die Erwartungen sind dementsprechend schlecht. Das zeigt eine Umfrage des Münchener Ifo-Instituts. Danach sind die Exporterwartungen im verarbeitenden Gewerbe auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren abgestürzt. „Der Zollkonflikt mit den USA hat die Hoffnung auf eine Erholung der Exportwirtschaft unterbrochen“, sagt Klaus Wohlrabe, der Leiter des Bereichs Umfragen des Wirtschaftsforschungsinstituts.
Und die hohe Unsicherheit, wie sich die Zölle tatsächlich entwickeln, werde die Lage vermutlich weiter verschlechtern. Schon jetzt erwarten Branchen wie die Automobilhersteller, die chemische Industrie, der Maschinenbau oder der Metallbereich und die Möbelindustrie sinkende Exportzahlen. Die Drucker, die Papierindustrie und die Hersteller elektrischer Ausrüstungen gehen laut Ifo-Institut von einem unveränderten Auslandsgeschäft aus. Zuwächse erwarten allein die Getränkeunternehmen.
EU muss ihren Binnenmarkt weiterentwickeln
Der BGA fordert nun die neue Bundesregierung auf, zügig einen Plan zu entwickeln, wie mit Deutschlands größtem Handelspartner, den USA, künftig umgegangen wird. Und gleichzeitig müsse mehr Unabhängigkeit geschaffen werden mit dem pragmatischen Abschluss von neuen Freihandelsabkommen.
„Dazu müssen wir auch die EU – hier vor allem den Binnenmarkt – weiterentwickeln“, sagt Verbandspräsident Jandura. „Es war und ist daher wichtig, dass der neue Bundeskanzler unmittelbar nach Amtsantritt zu unseren Nachbarn gereist ist und sich Ende der Woche mit Ratspräsident António Costa treffen wird. So übernimmt Deutschland endlich wieder eine Führungsrolle.“
Gleichzeitig müssten die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland verbessert werden. „Entscheidend für den Erfolg der Regierung sind jetzt Maßnahmen, die die eigene Wettbewerbsfähigkeit stärken und Wachstum schaffen.
Die Politik muss dafür sorgen, dass Unternehmen wieder Vertrauen in den eigenen Standort bekommen“, sagt Jandura. Dazu gehörten neben Planbarkeit und Investitionen in Digitalisierung und Infrastruktur vor allem der Abbau von Bürokratie und steuerliche Entlastungen. „Das verschafft dem Mittelstand spürbare Entlastung in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit.“
Auch Ökonom Sebastian Dullien sieht die neue Bundesregierung in der Pflicht. Sie müsse „möglichst schnell“ die inländische Nachfrage stärken, sagt der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Immerhin sieht er in den verbesserten Produktionszahlen eine Stabilisierung der Wirtschaft auf niedrigem Niveau.
Zumal auch andere Experten darauf hinweisen, dass wichtige Konjunkturfrühindikatoren zuletzt keine größeren Blessuren gezeigt hätten. „Die Entwicklung deutet darauf hin, dass der zyklische Abschwung in der deutschen Industrie einem Ende entgegengeht“, sagt Dullien. Allerdings befürchtet er erst einmal noch „ein paar weitere schwierige Monate“.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.