Liebe Mandanten und Freunde,
an dieser Stelle möchten wir Ihnen von Zeit zu Zeit interessante Themen aus der erbrechtlichen und erbschaft-/schenkungsteuerlichen Praxis vorstellen.
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und helfen Ihnen bei Fragen gern. Ihr BBT-Team.
1. OLG Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, Az. 13 U 116/23
In der Entscheidung des Oberlandesgerichts ging es um folgenden Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt ein soziales Netzwerk. Über dieses Netzwerk können die Nutzer miteinander internetbasiert über die Server der Bekl. kommunizieren und Inhalte teilen. Für die Nutzung des Netzwerks ist nach einer Registrierung die Eingabe von Kontozugangsdaten erforderlich.
Die Klägerin ist die Ehefrau und alleinige Erbin des 2019 verstorbenen Erblassers (E). Dieser hatte sich bei dem sozialen Netzwerk angemeldet und unterhielt dort ein Benutzerkonto (Account).
Nach dem Tod des E nutzte die Klägerin dessen Account zunächst weiter, bis die Beklagte vom Tod erfuhr und den Account Anfang 2022 in einen sog. „Gedenkzustand“ versetzte. In diesem bleibt das Konto zwar bestehen, es ist jedoch auch mit den zutreffenden Zugangsdaten nicht mehr möglich, sich in das Konto einzuloggen.
Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos aufgefordert hatte, ihr und ihrem Sohn Zugang zu dem Account zu gewähren, erhob sie vor dem Landgericht (LG) Klage auf uneingeschränkten Zugang zu dem Social-Media-Account.
Das LG hatte der Klage nur stattgegeben, soweit die Klägerin einen lesenden Zugriff auf das Social-Media Account des E begehrt hat. Dagegen wendete sich die Klägerin mit ihrer Berufung vor dem OLG Oldenburg (OLG), mit der sie weiterhin einen vollständigen Zugriff auf das Nutzerkonto einschließlich der aktiven Nutzung begehrt.
Das OLG folgt dem LG darin, dass die Klägerin als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres verstorbenen Mannes zur Beklagten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB eingetreten ist. Wie der BGH in seiner grundlegenden Entscheidung vom 12.7.2018 – III ZR 183/17 (ZEV 2018, 582) ausgeführt habe, sei der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Benutzerkonto grds. vererblich. Er ergibt sich folglich aus dem gem. § 1922 BGB auf den Erben übergegangenen schuldrechtlichen Vertrag zwischen E und der Betreiberin (der Beklagten).
Der Vererblichkeit des Nutzungsverhältnisses stünden im vorliegenden Fall auch weder vertragliche Bestimmungen noch das Fernmeldegeheimnis, datenschutzrechtliche Regelungen oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner des E entgegen.
Die Erbenstellung der Klägerin habe nach Ansicht des OLG zur Folge, dass sie in die vertragliche Rechtsstellung des E mit sämtlichen Rechten und Pflichten eintritt (BGH ZEV 2018, 582 Rn. 22). Dies umfasse, in Abweichung zur Entscheidung des LG, jedoch nicht nur den Anspruch auf eine passive (lesende) Nutzung des Accounts, sondern auch den Anspruch auf die aktive (schreibende) Nutzung. Hinreichende Gründe, die aktive Weiternutzung des Kontos als nicht vom Erbrecht der Klägerin umfasst anzusehen, habe die Beklagte nicht aufgezeigt.
2. Schlussfolgerung für die Praxis
Bereits in seinem „Facebook-Urteil“ vom 12.7.2018 – III ZR 183/17 (ZEV 2018, 582) hatte der BGH entschieden, dass das vertragliche Nutzungsverhältnis bzgl. eines Social-Media Accounts mit seinen Rechten und Pflichten grds. nach § 1922 BGB auf die Erben übergeht und diesen einen Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto verschafft.
Darüber, ob neben der passiven Nutzung des Benutzerkontos zwecks Kenntnisnahme der Inhalte (reines Leserecht) auch eine aktive Weiternutzung nach § 1922 BGB auf die Erben übergeht, hatte der BGH seinerzeit aber nicht ausdrücklich entschieden. Hier bestand weiter Unklarheit.
Das OLG Oldenburg hat diese Frage nun als erstes Obergericht aufgegriffen und in konsequenter Anwendung des § 1922 BGB auch das Recht auf aktive Nutzung des Benutzerkontos bejaht. Da die Revision gegen dieses Urteil zugelassen worden ist, wird sich im Zweifel aber BGH noch einmal abschließend mit diesem Thema befassen.
Für die Gestaltungspraxis ergibt sich aus dem OLG-Urteil und insbesondere aus dem Übergang des vertraglichen Nutzungsverhältnisses durch Erbfall möglicher Handlungsbedarf. Denn wenn die Erben keinen Zugriff auf den digitalen Nachlass oder bestimmte Teile hieraus erhalten sollen, weil z.B. ein bestimmtes Nutzerkonto besonders private Daten enthält, in welche die Erben keine Einsicht nehmen sollen, dann kann und sollte durch Vollmachtlösungen oder testamentarische Gestaltungen die Nutzung des Accounts durch die Erben verhindert oder eingeschränkt werden.
Wir beraten und unterstützen Sie bei Gestaltungsfragen sowie bei allen erbrechtlichen und damit zusammenhängenden steuerlichen Fragen (Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht) gern. Besuchen Sie uns unter Erbrecht – BBT & Partner. Oder schreiben Sie uns unter m.lingenberg@bbt-partner.de.