In Deutschland leiden nach Schätzungen zwischen 4 und 6 Millionen Menschen an einem Schlafapnoe-Syndrom, wobei die obstruktive Schlafapnoe (OSA) die häufigste Ausprägung darstellt. Da ein erheblicher Teil der Betroffenen bislang nicht diagnostiziert wurde, wird von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgegangen – mitunter bis zu 10 Millionen Betroffenen.
Im Rahmen der sozialrechtlichen Bewertung kann ein Schlafapnoe-Syndrom unter bestimmten Voraussetzungen zur Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) führen. Maßgeblich hierfür sind die in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) enthaltenen versorgungsmedizinischen Grundsätze. Dort heißt es in Teil B Nr. 8.7 wörtlich:
„Schlaf-Apnoe-Syndrom (Nachweis durch Untersuchung im Schlaflabor):
- ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung: GdB 0–10
- mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung: GdB 20
- bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung: GdB 50
Folgeerscheinungen oder Komplikationen** (z. B. Herzrhythmusstörungen, arterielle Hypertonie, Cor pulmonale) sind zusätzlich zu berücksichtigen.“
Anerkennung eines Einzel-GdB von 20
Ein GdB von 20 wird gewährt, wenn das Schlafapnoe-Syndrom durch eine Untersuchung im Schlaflabor nachgewiesen wurde und eine kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung – in der Regel mittels CPAP-Therapie – medizinisch indiziert und durchführbar ist. Die Therapie muss ärztlich verordnet sein und vom Betroffenen regelmäßig genutzt werden können.
Anerkennung eines Einzel-GdB von 30
Ein GdB von 30 ist in der VersMedV nicht ausdrücklich vorgesehen, wird jedoch durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung als gerechtfertigt angesehen, wenn eine medizinische Notwendigkeit zur CPAP-Therapie besteht, die praktische Durchführung jedoch nur eingeschränkt möglich ist – etwa infolge mangelnder Maskenverträglichkeit. Die Rechtsprechung stellt klar, dass in diesen Fällen eine Zwischenbewertung zulässig ist. So urteilte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 09.06.2016 (Az.: L 13 SB 198/14):
„Für ein Schlaf-Apnoe-Syndrom ist ein Einzel-GdB von 30 anzusetzen, wenn der Betroffene einer kontinuierlichen nasalen nächtlichen Überdruckbehandlung mit Maske bedarf, die er aber schlecht toleriert, so dass die Behandlung nachts nicht ausreichend lang durchgeführt werden kann.“
Anerkennung eines GdB von 50 (Schwerbehinderung)
Ein GdB von 50 – der Schwelle zur Schwerbehinderung – wird anerkannt, wenn die kontinuierliche nasale Überdruckbeatmung zwar medizinisch notwendig, jedoch objektiv nicht durchführbar ist. Dies setzt voraus, dass die Unmöglichkeit der Durchführung durch fachärztliche Stellungnahmen oder schlafmedizinische Diagnostik eindeutig belegt ist. Subjektive Angaben des Betroffenen sind für die Beurteilung allein nicht ausreichend.
Zu den anerkannten Gründen für eine objektive Undurchführbarkeit zählen anatomische Gegebenheiten, technische Schwierigkeiten sowie eine nachgewiesene Maskenintoleranz trotz mehrfacher Anpassungsversuche. Ein solcher Nachweis kann unter anderem durch Schlaflaborbefunde, dokumentierte Therapieversuche mit verschiedenen Maskensystemen und fehlgeschlagene Gewöhnungstrainings erbracht werden. Die bloße Ablehnung der Therapie durch den Patienten ist nicht ausreichend; vielmehr muss die Maskenunverträglichkeit im Rahmen einer medizinischen Behandlung bestätigt worden sein.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 20. März 2020 (Az.: L 8 SB 3405/18) entschieden, dass einem Kläger ein GdB von 50 zusteht, da bei ihm – als ausgeprägtem Bauchschläfer – sämtliche Maskenversuche scheiterten und die CPAP-Therapie infolge technischer Leckagen objektiv nicht anwendbar war. Auch alternative Therapieformen wie Lagerungshilfen oder Protrusionsschienen führten nicht zum gewünschten Erfolg. Die Bewertung mit GdB 50 erfolgte ab dem Zeitpunkt, an dem eine aktuelle Polysomnographie die medizinische Notwendigkeit der Beatmung und gleichzeitig deren Undurchführbarkeit nachgewiesen hatte.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Zuerkennung eines GdB von 50 beim Schlafapnoe-Syndrom an die objektiv belegte Nichtdurchführbarkeit der ärztlich indizierten nasalen Überdrucktherapie gebunden ist. Diese muss nachvollziehbar durch ärztliche Dokumentation, Befundberichte und schlafmedizinische Untersuchungen belegt werden. Erst dann ist die Anerkennung einer Schwerbehinderung nach den Maßgaben der VersMedV rechtlich gerechtfertigt.
Zur Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Einsicht in die Verfahrensakte unerlässlich. Um den Widerspruch oder eine Klage ordentlich begründen zu können, ist es besonders wichtig, die abschließende versorgungsärztliche Stellungnahme und Bewertung einzusehen. Diese enthält Informationen, welche Einzel-GdB anerkannt wurden und welcher Gesamt-GdB daraus gebildet wurde. Zudem ist daraus zu ersehen, welche Befunde berücksichtigt wurden und welche Beeinträchtigungen unter Umständen unzutreffend eingeschätzt wurden.
Ich berate und vertrete Sie deutschlandweit (ohne Mehrkosten) vor den Versorgungsämtern sowie Sozialgerichten. Sollten Sie mit einer Entscheidung des Versorgungsamtes nicht einverstanden sein, können Sie mich jederzeit für eine erste unverbindliche Einschätzung Ihrer Sach- und Rechtslage kontaktieren.
Entsprechende Musterschriftsätze zu der Thematik finden Sie hier.
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