Wir streamen, surfen, zoomen – die Datenmengen steigen rasant. Genau dieses Tempo könnte Glasfaser liefern. Doch viele bleiben lieber bei DSL oder Kabel. Jetzt will die Bundesregierung gegensteuern.
In Willich am Niederrhein ist man einen ungewöhnlichen Weg gegangen, um die Bewohner der Stadt von Glasfaser zu überzeugen. „Da hat man tatsächlich betteln müssen: Lass uns mal drüber reden“, so beschreibt Peter Mackes, wie schleppend viele Gespräche am Anfang liefen. Ein Glasfaseranschluss sei für viele in Willich kein Thema gewesen.
Inzwischen hat die Bürgerinitiative von Mackes den Ausbau fast flächendeckend durchgesetzt. „Man muss die Leute von der Couch holen“, ist der Initiator überzeugt. Informationsabende, Haustürgespräche und persönlicher Einsatz haben nach seinen Angaben schließlich jeden Dritten überzeugt – ein Beispiel, das zeigt, wie Glasfaserausbau gut funktionieren kann.
Kupfer bleibt Favorit – DSL ist vielen genug
Deutschland ist weiter schwer auf Draht, surft und chattet überwiegend via Kupferkabel. Und das, obwohl das Glasfasernetz längst vor vielen Haustüren liegt. Mehr als die Hälfte der Haushalte kann laut Branchenverband BREKO theoretisch schon angeschlossen werden, tatsächlich nutzen aber nur 27 Prozent den Zugang. Die meisten sind mit ihrem alten DSL- oder Kabelanschluss zufrieden, fürchten höhere Kosten oder wissen wenig über die Technik.
Sandra Thomas hält das für ziemlich kurzsichtig. Die Expertin für Innovationsmanagement an der privaten Hochschule Provadis beschäftigt sich seit Jahren mit dem Ausbau des Glasfasernetzes in Deutschland. „Wir legen jetzt den Grundstein, wie wir in 30 bis 40 Jahren versorgt sind“, sagt Thomas. Außerdem wüsste man jetzt schon bei der Entwicklung der Datenmenge, dass Kupfer an physikalische Grenzen stoßen werde.
Glasfaser überraschend günstig
Ein wichtiges Verbraucherargument, das Glasfaser einfach viel teurer als DSL sei, lässt sich seit einiger Zeit nicht mehr halten. Anschlüsse mit 150 oder 300 Mbit/s sind beispielsweise beim Platzhirsch Deutsche Telekom inzwischen günstiger als vergleichbare VDSL-Anschlüsse.
Auch Unternehmen kämpfen immer wieder mit Hürden, wenn sie schnelleres Internet brauchen. Gerüstbauer Alexander Weise aus Dortmund zahlte Zehntausende Euro für einen Glasfaser-Anschluss, der zuvor monatelang auf sich warten ließ. „Dann ist nichts passiert“, sagt er. Schließlich wechselte er den Anbieter. Solche Erfahrungen bremsen Digitalisierung und Wachstum.
Politik will Tempo machen
Das neue Bundesdigitalministerium unter Karsten Wildberger stuft den Glasfaserausbau inzwischen als „überragendes öffentliches Interesse“ ein – so sollen zum einen Genehmigungen schneller laufen und zum anderen die Regeln für Mietshäuser vereinfacht werden. Eine Zwangsabschaltung alter Leitungen lehnt der CDU-Politiker Wildberger aber vorerst ab.
Deutschland hat im europaweiten Vergleich großen Nachholbedarf. Länder wie etwa Island, Schweden oder Spanien sind deutlich weiter. Ursprünglich hatte die EU geplant, den Glasfaserausbau so zu beschleunigen, dass Kupferleitungen wie DSL bis 2030 abgeschaltet werden könnten. Die Bundesnetzagentur hält das für Deutschland für unrealistisch.
Dabei gilt Glasfaser als Fundament für Telemedizin, Industrie und digitale Verwaltung. Ruckelfreies Internet und höhere Upload-Möglichkeiten sollte im Interesse aller sein. Doch noch fehlt vielerorts das Vertrauen. In Willich sind sie dem Ziel flächendeckend Glasfaser auszubauen ein Stück nähergekommen. Die dortige Bürgerinitiative hat gezeigt: Mit Engagement, Dialog und Geduld lässt sich Deutschland Stück für Stück ans schnelle Netz holen.
