Trotz großer Investitionen bleibt der Glasfaserausbau lückenhaft. In vielen Straßen endet die Leitung nur wenige Meter vor der Haustür. Förderregeln, alte Kabelnetze und bürokratische Grenzen sorgen für Frust.
Eigentlich sollte der hessische Main-Kinzig-Kreis beim Glasfaserausbau Vorreiter sein. Rund 200 Millionen Euro flossen in das Projekt, 75.000 Haushalte sollten ans schnelle Netz angeschlossen werden – mit öffentlicher Förderung. Doch viele Bürgerinnen und Bürger warten bis heute auf ihren Anschluss. Anwohner berichten, dass Straßen geöffnet und Glasfaserkabel verlegt würden, aber nur ein Teil der Menschen angeschlossen werde. Orte gleichen einer „Zweiklassengesellschaft“ zwischen versorgten und unversorgten Nachbarn.
In der Gemeinde Freigericht erhielten etwa zwölf Prozent der Haushalte keinen kostenlosen Anschluss durch die Breitband Main-Kinzig GmbH. Einer von ihnen ist Mario Rienäcker. Er bekam eine Absage, weil er Kabelfernsehen nutze und damit als „versorgt“ gelte. Für ihn sei das ein Widerspruch: Die Technik stamme aus den 1980er-Jahren und verursache häufig Störungen. „Im Homeoffice ist das eine Zumutung“, sagt er.
Es bleibt ein Flickenteppich
Noch rätselhafter wird es für Rudi Höfler. Auch er gilt als versorgt, obwohl er lediglich ein Kupferkabel für die Telefonie nutzt. Doch irgendwo in seiner Straße liege ein TV- beziehungsweise Koaxialkabel, somit gilt auch er als versorgt. Ein Anschluss an diese alte Technik würden ihn mehrere tausend Euro kosten, während alle in seiner Nachbarschaft kostenlos Glasfaser bis ins Haus erhalten.
Bürgermeister Waldemar Gogel kritisiert die Förderpraxis. In seiner Gemeinde seien teilweise nur einzelne Häuser angeschlossen worden, obwohl die Straßen ohnehin aufgerissen waren: „Viele Bürgerinnen und Bürger können nicht verstehen, warum man nicht gleich alle Haushalte anschließt, wenn die Straßen ohnehin aufgerissen sind.“
Unternehmen dürfen nicht – obwohl sie könnten
Die Breitband Main-Kinzig GmbH, die für den geförderten Ausbau zuständig ist, stößt an rechtliche Grenzen. Geschäftsführer Jannik Marquardt beteuert, das Unternehmen wolle alle Haushalte anschließen, dürfe es aber nicht. Sobald ein Kabelnetz in der Straße existiere, verbiete die Förderrichtlinie des Bundes den Ausbau – selbst dann, wenn die Haushalte gar nicht angeschlossen seien.
Konkret geht es um die Richtlinie „Förderung zur Unterstützung des Gigabit-Ausbaus der Telekommunikationsnetze in der Bundesrepublik Deutschland“. Diese besagt, dass ein Gigabit-Ausbau grundsätzlich förderfähig ist, solange ein Gebiet nicht bereits mit gigabitfähigen Netzen versorgt ist oder eine Versorgung durch ein Privatunternehmen geplant ist.
Ein Gigabit-Ausbau erfolgt Stand heute mit Glasfaser. Damit ist derzeit ein Glasfaser-Ausbau nicht möglich in Gebieten, in denen sogenannte Koaxialkabel liegen, also die klassischen TV-Kabel. Diese werden von der Richtlinie als gigabitfähig eingestuft. In der Praxis erreichen die Kabelnetze allerdings bei weitem nicht die Leistungsfähigkeit eines Glasfaser-Netzes.
Private Anbieter sehen kein Geschäft
Für die betroffenen Haushalte bleibt der Anschluss oft außer Reichweite: Die öffentliche Hand darf nicht bauen, und für private Anbieter sind Einzelanschlüsse wirtschaftlich uninteressant. Anwohner Rienäcker erklärte, er habe selbst auf Anfrage kein Angebot für einen kostenpflichtigen Ausbau erhalten.
In Niederdorfelden, im Westen des Kreises, zeigt sich das gleiche Bild. Bürgermeister Klaus Büttner berichtet, dass bislang weniger als die Hälfte der Haushalte angeschlossen sei. In manchen Doppelhäusern hat eine Seite schnelle Glasfaser, während die andere mit einer schwächeren Leitung auskommen müsse.
Büttner fordert eine Änderung der Förderrichtlinie. Gemeinsam mit Anwohnern startete er eine Petition, die bereits an den Landrat übergeben wurde. Ziel sei es, Niederdorfelden als Pilotkommune für eine neue Regelung zu etablieren.
Land verweist auf knappe Mittel
Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus zeigt Verständnis für die Kritik, verweist aber auf begrenzte finanzielle Ressourcen. Die Fördergelder müssten dort eingesetzt werden, wo bislang gar keine Versorgung bestehe, sagt sie. Erst wenn diese Gebiete angeschlossen seien, könne über den sogenannten „Überbau“ bestehender Netze gesprochen werden.
Die Bürgermeister wollen das nicht hinnehmen. Waldemar Gogel kündigte an, seinen Kollegen Büttner zu unterstützen und notfalls auch in Berlin für eine Änderung der Richtlinie zu werben. Es könne nicht sein, dass die digitale Teilhabe von der Straßenseite abhänge.
Bis 2030 soll das Glasfasernetz deutschlandweit flächendeckend verfügbar sein. In Deutschland liegt die Quote derzeit bei rund 50 Prozent. Ob das Ziel unter den aktuellen Förderbedingungen erreicht werden kann, ist fraglich. Viele Kommunen hoffen nun, dass der Bund die Richtlinien anpasst – damit der Weg ins schnelle Netz künftig nicht länger an wenigen Metern Kabel scheitert.
