Das Thema „Steuerbefreiung im Gesundheitswesen“ ist sehr komplex. Mit Urteil vom 17.09.2024, Az.: 8 K 8202/22 hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg eine für viele Leistungserbringer ungünstige Rechtsauffassung vertreten. Das Gericht stellte fest, dass Ergotherapiepraxen in der Rechtsform einer GmbH der Gewerbesteuer unterliegen, wenn bestimmte sozialrechtliche Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das Urteil des FG Berlin-Brandenburg stellt sich explizit gegen die liberalere Auffassung des FG Köln (Urteil vom 02.05.2024, Az. 15 K 1653/22) .
I. Sachverhalt
Die Klägerin war eine GmbH, die ergotherapeutische Leistungen anbot. Die Behandlungen erfolgten durch qualifiziertes Personal auf ärztliche Verordnung – in den eigenen Praxisräumen, bei Patienten zu Hause und in Pflegeeinrichtungen. Es bestand jedoch kein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V, und es gab keine fachärztliche Leitung über die Tätigkeiten der Therapeuten.
Die Klägerin beantragte die Befreiung von der Gewerbesteuer gem. § 3 Nr. 20 Buchst. c und e GewStG. Das Finanzamt lehnte die Befreiung ab. Die Klägerin erhob Klage – ohne Erfolg.
II. Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg
Das FG Berlin-Brandenburg wies die Klage ab und schloss sich der Auffassung der Finanzverwaltung an. Die Klägerin erfülle weder die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. c) noch nach Buchst. e) GewStG. Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg sei der Begriff „Einrichtung zur (medizinischen) Rehabilitation“ sehr eng auszulegen. Entscheidend seien rein formale Merkmale.
1. Kein Betrieb eines Alten- oder Pflegeheims
Vorliegend habe die Klägerin kein Alten-, Altenwohn- oder Pflegeheim betrieben, sodass die Befreiung gem. § 3 Nr. 20 Buchst. c) GewStG bereits daran scheitere.
2. Keine begünstigte Rehabilitationseinrichtung i.S.v. § 3 Nr. 20 Buchst. e) GewStG
Nach § 3 Nr. 20 Buchst. e) GewStG sind von der Gewerbesteuer befreit u. a. Einrichtungen zur ambulanten oder stationären Rehabilitation, wenn die Behandlungskosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Die Befreiung ist nach Satz 2 nur anzuwenden, soweit die Einrichtung Leistungen im Rahmen der verordneten ambulanten oder stationären Rehabilitation im Sinne des Sozialrechts einschließlich der Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder erbringt.
Die Vorschrift des § 3 Nr. 20 GewStG verweise auf Begriffe wie „Einrichtung zur ambulanten Behandlung“ oder „Einrichtung zur medizinischen Rehabilitation“. Diese Begriffe seien – so das Gericht – nicht eigenständig steuerrechtlich, sondern im Lichte der sozialrechtlichen Begriffe (insb. § 111 SGB V) auszulegen.
Vorliegend liege keine begünstigte ambulante oder stationäre Rehabilitationseinrichtung im sozialrechtlichen Sinne vor. Insoweit fehle es bereits an einem Versorgungsvertrag nach § 111 oder § 111c SGB V. Ferner fehle es an der medizinischen Leitung durch einen Facharzt. Der Gesetzgeber verlange, dass die therapeutischen Maßnahmen unter ständiger fachärztlicher Leitung oder Aufsicht stünden. Diese Anforderungen seien nach Auffassung des Gerichts „elementare Voraussetzungen“ für eine Steuerbefreiung – nicht bloße Formalien. Die Klägerin beschäftige lediglich einen Physiotherapeuten als Leiter, was für anerkannte Rehabilitationseinrichtungen nicht ausreichend sei.
Weiterhin stellten die Leistungen der Klägerin – insbesondere ergotherapeutische Maßnahmen – Heilmittelleistungen nach § 32 SGB V dar. Diese seien von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. e) GewStG ausdrücklich ausgenommen. Die Gesetzesbegründung grenze klar zwischen Rehabilitations- und Heilmittelleistungen ab.
Das FG Berlin-Brandenburg verneint aus oben genannten Gründen eine Steuerbefreiung, da die Klägerin weder eine anerkannte Rehabilitationseinrichtung betreibt noch die sozialrechtlichen Voraussetzungen – insbesondere einen Versorgungsvertrag und fachärztliche Leitung – erfüllt.
III. Abgrenzung zum FG Köln
Interessant ist das Urteil vor allem deshalb, weil es sich ausdrücklich gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 02.05.2024, Az. 15 K 1653/22 stellt. Das FG Köln hatte den Begriff der „Einrichtung zur (medizinischen) Rehabilitation“ deutlich weiter gefasst und sich bewusst gegen eine Auslegung auf Grundlage der sozialrechtlichen Vorgaben des SGB V entschieden.
Stattdessen sollte nach Auffassung des FG Köln bei der Auslegung des Merkmals „(medizinische) Rehabilitation“ auf den rehabilitativen Zweck abgestellt werden – also darauf, Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder deren Verschlimmerung zu verhüten.
IV. Revision anhängig
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Der Bundesfinanzhof wird sich im Revisionsverfahren (Az. des BFH: III R 37/24) mit der Fragestellung befassen. Es bleibt abzuwarten, welcher Auffassung sich der BFH anschließt und wie der Begriff der „Einrichtung zur (medizinischen) Rehabilitation“ aus Sicht des BFH auszulegen ist.