Renk profitiert wie andere Konzerne der Branche auch massiv vom Aufrüstungstrend in Europa und den USA. Bei der Vorlage der aktuellen Geschäftszahlen wurde jetzt jedoch deutlich, welche Ausnahmestellung der Hersteller von Spezialgetrieben für Panzer besitzt.
Getriebebauer Renk legte am Mittwoch die Zahlen fürs erste Quartal vor, die von der Aufrüstung in Europa und den USA geprägt sind: Der Augsburger Spezialist für Panzer und Schiffsgetriebe nahm Aufträge im Wert von 548 Millionen Euro an, 164 Prozent mehr als im Vorjahr.
Renk hat damit einen Auftragsbestand von 5,5 Milliarden Euro in den Büchern stehen und darin sind die jüngsten Projekte der diversen europäischen Rüstungsprojekte noch gar nicht enthalten.
„Angetrieben von einem starken Defense-Geschäft konnten wir im ersten Quartal 2025 unseren Auftragseingang gegenüber dem Vorjahresquartal mehr als verdoppeln“, kommentierte Alexander Sagel, der im Februar neu angetretene CEO der Renk-Gruppe. Er geht davon aus, dass der Auftragsbestand weiter zulegen wird.
Mittelfristig will die Renk-Gruppe von aktuell 1,3 Milliarden Umsatz pro Jahr auf zwei Milliarden Umsatz bis zum Jahr 2028 wachsen. „Dieser Ausblick berücksichtigt noch nicht ein weiter zu konkretisierendes Marktpotenzial durch höhere Verteidigungsausgaben in der EU“, so die Mitteilung des Unternehmens.
Jedes weitere künftige Rüstungsprojekt der EU im Bereich Marine oder Panzerfahrzeuge wird also für noch mehr Umsatz sorgen, vorausgesetzt der Konzern schafft es, mit dem Auftragsbestand auch die Produktionskapazitäten aufzubauen.
Sagels erste Aufgabe ist es deswegen aktuell, die Produktionskapazitäten für den Rüstungsboom weiter aufzubauen und den Kunden zu versichern, dass Renk den Rüstungsboom bedienen kann. Diese Botschaft wiederholt er aktuell gebetsmühlenartig, zuletzt gegenüber der Augsburger Allgemeinen: „An uns liegt es nicht. Wir sind lieferfähig.“ Aktuell betrage die Frist zwischen Bestellung und Auslieferung gerade einmal ein Jahr, neue Getriebe könne man innerhalb von zwei Jahren entwickeln.
Chef Alexander Sagel verwies im Analystengespräch auf Engpässe bei den Lieferketten: „Wir haben bereits begonnen, kritische Komponenten mit Lieferzeiten von zwei Jahren oder mehr zu beschaffen.“ Anleger reagierten nach der monatelangen Rallye dennoch mit Gewinnmitnahmen. Der Kurs der Renk-Aktie am Mittwoch im Tagesverlauf um bis zu sechs Prozent auf 52,71 Euro ab. Positiv hob Sagel hervor, dass die Prognosen sogar Luft nach oben hätten: „Unsere mittelfristigen Ziele berücksichtigen noch nicht mögliche zusätzliche Potenziale aus steigenden europäischen Verteidigungsbudgets.“
Renk befindet sich in einer Schlüsselposition für den Rüstungswettlauf mit Russland, da der Konzern in Europa der einzige Anbieter für zuverlässige Schwerlastgetriebe für Kettenfahrzeuge zwischen 40 und 70 Tonnen ist. Die Entwicklung dieser schweren Militärgetriebe erfordert Spezial-Know-how, lange Testphasen und militärische Zertifizierungen.
Solche Getriebe müssen enorme Drehmomente übertragen, für den Einsatz im Gelände extrem robust sein und gleichzeitig kompakt und effizient gebaut werden und zuverlässig unter Gefechtsbedingungen funktionieren. Renks HSWL 354 etwa treibt den Kampfpanzer Leopard 2 an, es wiegt über zwei Tonnen.
Eine Renk-Automatik ist auch in den Schützenpanzern Puma und Lynx verbaut, auch die deutsche Panzerhaubitze 2000 setzt auf die Getriebe aus Augsburg. Es gibt weltweit nur wenige Unternehmen mit entsprechender Kompetenz für Panzerantriebe, in den USA etwa Allison Transmission.
Renk, das vor dem Börsengang im vergangenen Jahr unter der Kontrolle des Londoner Finanzinvestors Triton stand, kaufte in den vergangenen Jahren geschickt zu – in den USA 2021 etwa die Getriebesparte von L3 Harris, „Combat Propulsion Systems“. Versuche von Konkurrenten, die Renk-Technik mit eigenen Produkten zu ersetzen, scheiterten in der Vergangenheit oft – etwa in Korea, wo der neue Kampfpanzer K2 weiterhin mit Renk-Technik fährt, nachdem die zuerst verbauten Getriebe der südkoreanischen „SNT Dynamics“ unter Gefechtsbelastungen wie Krokant brachen.
So konnte Renk in den vergangenen Jahren weiter Marktanteile aufbauen und in Märkte wie Australien, Südkorea und die USA eindringen. Jeder weitere neue Kampfpanzer bringt Renk langfristige Service- und Wartungsumsätze, da die Fahrzeuge und die Getriebe darin extrem langlebig sind und regelmäßig überholt werden.
Renk ist Favorit für den künftigen europäischen Panzer
Auch für das in Entwicklung befindliche wichtigste europäische Panzerprojekt MGCS ist Renk bislang der Favorit für die Getriebeentwicklung – auch da der Konzern bereits Erfahrung mit Hybrid-Technik für den Militäreinsatz hat.
Vor allem wegen dieser einzigartigen Marktposition ist Renk auch bei seinen Kunden als Investment begehrt: Der deutsch-französische Rüstungskonzern KNDS war beim Börsengang von Renk Anfang 2024 mit 6,7 Prozent als wichtigster Einzelaktionär eingestieg, hatte sich zudem vom Finanzinvestor Triton Optionen für weitere Aktien bis zur Sperrminorität gesichert.
Um diese Optionen ist nun ein heftiger Streit entbrannt: KNDS möchte die Optionen für gut 18 Prozent der Renk-Aktien seit Februar zum damals vereinbarten Preis von 20 Euro ziehen. Doch da die Renk-Aktie inzwischen bei über 54 Euro steht, versucht Triton aktuell, seinen Anteil zu halten.
Die Transaktion steht unter dem Vorbehalt regulatorischer Freigaben u. a. durch die italienische Regierung. Triton argumentiert aktuell vor dem Landgericht Frankfurt offenbar, dass bei Nicht-Erteilung der Freigabe bis Stichtag 12. Mai die Option verfalle, während KNDS auf Erfüllung pocht.
Zum Stichtag Anfang der Woche nun versuchte KNDS, Triton per einstweiliger Verfügung zur Herausgabe der Papiere zu zwingen, doch das Landgericht lehnte ab – nun will KNDS den Klageweg beschreiten.
Für die Aktionäre ist das Streben von KNDS nach einer Sperrminorität bei Renk eine gute Botschaft, denn damit dürfte der weitere Einsatz von Renk-Getrieben bei künftigen Rüstungsprojekten des Konzerns garantiert sein.
Und auch der KNDS-Konkurrent Rheinmetall setzt bei seinem neuen Kampfpanzer Panther auf Renk-Getriebe. Zudem hat Renk gerade erst eine neue Partnerschaft mit dem italienischen Leonardo-Konzern vereinbart.
Damit ist die größte Aufgabe für CEO Sagel aktuell, entsprechende Fertigungskapazitäten auszubauen. „Im Mittelpunkt des Wachstums steht unser Standort in Augsburg. Hier bauen wir gezielt weiter Beschäftigung auf“, sagte er gegenüber der Augsburger Allgemeinen.
Ein weiteres Werk baut Renk aktuell im westfälischen Rheine aus. Wie viel Renk investieren muss, wird sich erst anhand der kommenden Rüstungs-Gipfel der Nato im Sommer zeigen. Erst konkrete Aufträge aus der EU bringen die nötige Planungssicherheit – und eine sichere Perspektive auch für die Aktionäre.
Benedikt Fuest ist Wirtschaftskorrespondent für Innovation, Netzwelt, IT und Rüstungstechnologie.