Die Bundesgesundheitsministerin will das Gesundheitssystem stärker über die Hausärzte steuern. Eine Rückkehr zur alten Praxisgebühr lehnt sie aber ab. Stattdessen denkt sie über gezielte Facharztgebühren nach und fordert mehr Geld vom Bund für die Krankenkassen.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat eine Neuauflage der Praxisgebühr oder gar Gebühren für jeden Arztbesuch ausgeschlossen. „Eine pauschale Kontaktgebühr bei jedem Arztbesuch oder quartalsweise für alle halte ich nicht für sinnvoll“, sagte die Politikerin im Gespräch mit WELT AM SONNTAG.
„Das Modell von einst hat weder die gewünschte nachhaltige Steuerungswirkung erzielt noch die Bürokratie reduziert“, sagte sie mit Blick auf die von 2004 bis 2012 erhobene sogenannte Praxisgebühr. Der Arbeitgeberverband BDA hatte eine Kontaktgebühr bei jedem Arztbesuch gefordert.
Warken erwägt aber eine Facharztgebühr, wenn Patienten ohne Überweisung einen Facharzt aufsuchen. „Wenn, dann müssen wir gezielter ansetzen – etwa mit einer Gebühr, wenn jemand ohne Überweisung direkt zum Facharzt geht und sich nicht an den vorgegebenen Pfad hält“, sagte die Ministerin zu WELT AM SONNTAG.
Die Koalition will ein Primärversorgungssystem einführen, bei dem der Hausarzt die erste Anlaufstelle wird und Patienten stärker als bisher lenkt. „Ob es dafür Anreize oder moderate Gebühren braucht, um die Steuerung auch wirklich zu erreichen, wird Teil der Diskussion sein“, sagte Warken. Eine von ihr eingesetzte Kommission prüfe derzeit alle finanziellen Optionen.
Die Gesundheitsministerin will zudem, dass der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt an die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) künftig automatisch regelmäßig steigt. „Wir müssen uns auch mit der Frage der Dynamisierung des Steuerzuschusses des Bundes zum Gesundheitsfonds beschäftigen; er stagniert seit Jahren“, sagte Warken gegenüber WELT AM SONNTAG. „Das muss man ehrlich ansprechen und innerhalb der Regierung besprechen.“ Der Bundeszuschuss soll unter anderem die beitragsfreie Mitversicherung von Familien oder Aufwendungen für Bürgergeld-Empfänger abdecken. Er stagniert seit Jahren, obwohl die Gesundheitskosten deutlich zunehmen.
Tobias Kaiser verfolgt als Senior Editor Arbeit & Soziales Entwicklungen in Arbeitswelt, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Demografie und Gesellschaft.
Jacques Schuster ist Chefredakteur der WELT AM SONNTAG sowie Chefkommentator.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzcenter von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
