Im Sommer hatte eine BGH-Entscheidung bei Anbietern von Mieterstrom für Unruhe gesorgt. Eine Übergangsregelung sichert nun bestehende Anlagen ab. Davon profitieren auch Stromprojekte der Industrie.
Normalerweise zahlen Endverbraucherinnen und Endverbraucher mit ihrer Stromrechnung Netzentgelte. Die fallen dafür an, dass der Strom vom Stromerzeuger über die sogenannten (Strom-) Verteilernetze bis zum Hausanschluss transportiert wird.
Für Verteilernetze schreibt das Gesetz nicht nur solche Gebühren vor, sondern bringt auch bestimmte bürokratische Anforderungen mit.
Viele Stromprojekte profitierten bislang von Sonderregel
Anders ist es bei sogenannten „Kundenanlagen“. Darunter versteht man eine Sonderregelung für bestimmte – meist kleinere – Stromnetze. Eine Kundenanlage bedeutet weniger Bürokratie und es fallen keine Netzentgelte an.
Von dieser Sonderregel haben etwa Mieterstromprojekte profitiert. Mieterstrom ist Strom, der etwa durch Photovoltaikanlagen auf dem Dach eines Mietshauses erzeugt wird. Zum Beispiel die Vermieterin oder der Vermieter verkauft dann diesen Strom direkt an die Mieter im Haus. Diese zahlen so keine Netzentgelte. Sie bekommen den Strom in der Regel einige Cent günstiger als bei üblichen Stromanbietern wie den Grundversorgern. Das heißt: Mieter sparen bei Mieterstromprojekten Geld.
Auch in der Industrie beliebt
In der Industrie war die „Kundenanlage“ bislang ebenfalls beliebt. Unternehmen konnten so lokale Stromprojekte günstiger betreiben. Die Projekte sahen beispielsweise so aus: ein Unternehmen erzeugt vor Ort Strom mit einer Photovoltaik-Anlage. Den Strom nutzt das Unternehmen nicht nur selbst, sondern verkauft ihn auch an den Nachbarbetrieb auf demselben Grundstück. Dafür fließt der Strom durch verschiedene Stromleitungen.
Weil die Leitungen als Kundenanlage galten, hatten die Unternehmen weniger Bürokratie und mussten keine Netzentgelte zahlen. Wie beim Mieterstrom, war der lokalproduzierte Strom für die Unternehmen ebenfalls günstiger. Von solchen oder ähnlichen Kundenanlagen gab es in der Industrie bislang Zehntausende.
Gerichtsentscheidung verunsicherte Branche
Doch im Sommer hat ein Beschluss des Bundesgerichtshofs für Unruhe gesorgt. Die Richterinnen und Richter haben zu Verteilernetzen entschieden. Sie haben dabei quasi neu definiert, wann Stromleitungen ein Verteilernetz sind. Dafür haben sie das europäische Recht ausgelegt, das für Stromnetze wichtige Maßstäbe setzt. Durch die Entscheidung gelten Stromleitungen von deutlich mehr Stromprojekten als zuvor als Verteilernetz. Das heißt gleichzeitig: weniger Projekte profitieren von der Sonderregel für Kundenanlagen. Dazu hat der Beschluss Unklarheit geschaffen, ob und welche Projekte überhaupt noch unter die Sonderregel fallen können.
Unternehmen aus der Branche haben daraufhin große Rechts- und Planungsunsicherheit beklagt. Viele Geschäftsmodelle vor allem beim Mieterstrom würden sich nur rechnen, wenn sie als Kundenanlage gelten. Diese Planungsunsicherheit verhindere außerdem den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern. Von Verbraucherschützern und aus der Wirtschaft gab es die Forderung an den Gesetzgeber, schnell das Gesetz zu ändern und für Klarheit zu sorgen.
Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes
Zumindest für konkrete, schon bestehende Kundenanlagen hat der Gesetzgeber nun die geforderte Klarheit geschaffen. Der Bundestag hat Mitte November eine Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Darin steht eine Übergangsregelung für existierende Kundenanlagen.
Drei Jahre lang sollen solche Anlagen weiter von den Vorteilen der Sonderregelung profitieren. Heißt: Mieter, die bereits den günstigeren Mieterstrom bekommen, können ihn nun grundsätzlich drei weitere Jahre beziehen. Ebenfalls können Stromprojekte in der Industrie, die bislang als Kundenanlage galten, weiter als solche behandelt werden.
„Atempause“ für betroffene Projekte
Die Übergangsregelung stößt insgesamt auf Lob. Die Zuständigen bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sprechen von einer „Atempause“ für betroffene Projekte. „Diese Zeit muss die Bundesregierung nutzen, um auf europäischer Ebene für Rechtssicherheit zu sorgen“, sagt Sebastian Bolay, Bereichsleiter Energie bei der DIHK.
Der Jurist und Wissenschaftliche Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, Thorsten Müller, bezweifelt zwar, dass die Übergangslösung mit dem Europarecht vereinbar ist. Er rechnet aber nicht damit, dass Deutschland deswegen echte Probleme mit der EU-Kommission bekommt. „Das ist für bestehende Anlagen daher wohl die pragmatischste Lösung“, so Müller. Müller war im Bundestag bei der Beratung des neuen Gesetzes auf Vorschlag der SPD-Fraktion Sachverständiger.
Wirtschaft fordert generelle Abhilfe
Die dreijährige Übergangsregelung gilt jedoch nicht für neue Projekte. Alle Stromprojekte, die erst bald in Betrieb und ans Netz gehen, sind weiter von der BGH-Entscheidung aus dem Sommer betroffen. Insbesondere größere Mieterstromprojekte und viele der Industrieprojekte dürften nun nicht mehr als Kundenanlage behandelt werden können. Das heißt: sie lohnen sich für die Betreiber weniger oder gar nicht mehr. Die Wirtschaft kritisiert daher, dass es für Neuprojekte keine Übergangsregel gibt und fordert Abhilfe.
Ihre Hoffnung: Der Bundestag könnte die gerade beschlossene Übergangsregel nachträglich auf Neuanlagen ausweiten. Dann könnten neue Stromprojekte ebenfalls als Kundenanlage angeschlossen werden, bis auf EU-Ebene womöglich der Weg für eine dauerhafte Lösung freigemacht wird.

