In einer Stichprobe von Produkten des Online-Händlers Shein hat die Umweltorganisation Greenpeace gefährliche Substanzen entdeckt. Auch Kinderkleidung sei betroffen.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat in einer Stichprobe von Kleidung des Online-Händlers Shein gefährliche Chemikalien entdeckt. In 18 von 56 untersuchten Kleidungsstücken seien Chemikalien gefunden worden, die die Grenzwerte der europäischen Chemikalienverordnung teils „extrem“ überschritten, wie Greenpeace mitteilte. Darunter sei auch Kinderkleidung.
Greenpeace wies nach eigenen Angaben unter anderem die Weichmacher Phthalate sowie die wasser- und schmutzabweisenden Chemikalien PFAS nach. PFAS werden als Ewigkeitschemikalien bezeichnet, weil sie biologisch nicht abbaubar sind und sich in der Natur und im menschlichen Körper anreichern. Studien deuten darauf hin, dass einige der Chemikalien bei Menschen die Leber und das Immunsystem schädigen, die Wirkung von Impfungen und die Fruchtbarkeit verringern und Krebs erzeugen können.
Betroffen seien besonders die Arbeiter und Arbeiterinnen und die Umwelt in den Produktionsländern, erklärte Greenpeace. Aber auch Verbraucherinnen und Verbraucher kämen über Hautkontakt, Schweiß oder eingeatmete Fasern mit den Chemikalien in Berührung. Beim Waschen und Entsorgen gelangten die Stoffe weiter in Flüsse, Böden und in die Nahrungskette.
Kleidungsstücke aus dem Verkauf genommen
Shein erklärte, das Unternehmen nehme Produktsicherheit sehr ernst und verpflichte sich, seinen Kunden sichere und konforme Produkte anzubieten. Die Ergebnisse des Tests von Greenpeace habe Shein bislang nicht überprüfen können. Als Vorsichtsmaßnahme würden die Artikel aus dem weltweiten Verkauf genommen. „Parallel dazu prüfen wir den Sachverhalt“, sagte ein Shein-Sprecher. Er betonte, dass Shein mit international anerkannten Prüfstellen zusammenarbeite.
Das Unternehmen kritisierte, dass einige der von Greenpeace kritisierten Produkte „Stand heute weiterhin auf anderen großen E-Commerce-Plattformen erhältlich“ seien. „Dies wirft wichtige Fragen darüber auf, warum solche Bedenken öffentlich an Shein herangetragen werden, bevor uns die zugrundeliegenden Informationen zur Verfügung gestellt wurden, oder konsistent an einen erweiterten Branchenkreis herangetragen wurden“, sagte der Unternehmenssprecher.
Tests von Stiftung Warentest
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass sich Shein mit einem solchen Vorwurf auseinandersetzen muss: Erst Ende Oktober hatte die Stiftung Warentest bei 110 von 162 getesteten Produkten Schadstoffe, technische Mängel oder fehlerhafte Kennzeichnungen beanstandet. „Diese vermeintlichen Schnäppchen sind bisweilen giftig, brandgefährlich und erfüllen geltende EU-Sicherheitsstandards nicht“, sagte Florian Ostermann von der Stiftung Warentest dem WDR.
Neben kleineren Mängeln wie einem fehlenden Siegel stellten die Verbraucherschützer auch giftige Schadstoffe fest. „Wir hatten zum Beispiel eine Halskette, wo der Anhänger fast vollständig aus Cadmium bestand“, sagte Ostermann gegenüber dem WDR. Cadmium ist ein giftiges Schwermetall, das krebserregend ist.
Auf der Homepage von Stiftung Warentest können Verbraucher mit Hilfe von Artikelnummern nach den mangelhaften Produkten suchen. Die Verbraucherschützer raten dazu, diese Produkte zu entsorgen. Denn neben Chemikalien seien auch zehn der 27 getesteten Ladegeräte beim Laden extrem heiß geworden. Das könne im schlimmsten Fall zu Bränden führen, so die Stiftung Warentest.
Widerstand auch in anderen EU-Ländern
Shein steht auch in Frankreich bereits unter massivem Druck der Regierung, die mehrere Verfahren gegen die Online-Plattform eingeleitet hat und mit einer Seitensperre für Frankreich droht. In einer spektakulären Aktion am Pariser Flughafen wurden kürzlich 200.000 Lieferungen von Shein kontrolliert. Nach einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums erwiesen sich dabei acht von zehn Artikeln als nicht konform. Unter den Warensendungen hätten sich nicht zugelassene Kosmetika, gefährliches Spielzeug oder defekte Haushaltsgeräte befunden.
Außerdem verstärkt sich dort der Widerstand gegen die Billigplattform. Zwölf französische Handels- und Industrieverbände wollen gemeinsam mit rund 100 französischen Marken Shein wegen unlauteren Wettbewerbs verklagen. Seit mehreren Jahren stellten Vertreter des französischen Handels einen unlauteren Wettbewerb durch außereuropäische Online-Plattformen wie Shein oder Temu fest, deren Geschäftsmodell auf der Nichteinhaltung der für alle in Frankreich ansässigen Akteure geltenden Vorschriften beruht, schreiben die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung, wie französische Medien berichten.
Shein weist Vorwürfe zurück
Diese „massiven Praktiken gefährden die Sicherheit der Verbraucher, schwächen unsere Unternehmen, vernichten Arbeitsplätze und bedrohen die Lebensfähigkeit der Regionen“, heißt es in der Erklärung. Mit der Klage wollten die französischen Handelsverbände „Schadenersatz für die ihnen entstandenen Schäden“ fordern. Verhandelt werden soll über die Klage Anfang kommenden Jahres vor dem Handelsgericht in Aix-en-Provence.
Ein Sprecher von Shein sah die angekündigte Klage als „unbegründet“ an und „eher als Boykottversuch denn als ernsthafte rechtliche Maßnahme“. In einer der Nachrichtenagentur AFP übermittelten Erklärung hieß es, die Maßnahme widerspreche dem Geist des französischen und europäischen Wettbewerbsrechts, dessen Ziel es sei, die freie Wahl der Verbraucher zu gewährleisten und nicht, sie einzuschränken.
