In der Hitze eines Streits oder aus Angst vor eigenen Konsequenzen passiert es schneller, als viele denken: Eine unbedachte Anzeige bei der Polizei, eine falsche Behauptung gegenüber einer Behörde – und plötzlich steht der Verdacht einer falschen Verdächtigung nach § 164 StGB im Raum. Dieses Delikt ist kein „Kavaliersdelikt“: Es drohen hohe Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen bis zu zehn Jahren. Der Vorwurf trifft die Betroffenen oft hart – dabei steckt häufig ein Missverständnis dahinter. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, zeigt Beispiele aus der Praxis und erklärt, wie eine Verteidigung aufgebaut wird.
Der Gesetzeswortlaut – was verbietet § 164 StGB?
§ 164 StGB unterscheidet zwei zentrale Tathandlungen:
- Falsche Verdächtigung einer rechtswidrigen Tat oder Dienstpflichtverletzung gegenüber einer Behörde, einem Amtsträger oder öffentlich, mit dem Ziel, ein Verfahren einzuleiten oder fortdauern zu lassen.
- Falsche Tatsachenbehauptungen, die dasselbe Ziel haben, ebenfalls gegenüber Behörde, Amtsträger oder öffentlich.
In schweren Fällen – wenn das Ziel der Tat war, selbst Strafmilderung zu erlangen (etwa als „falscher Kronzeuge“) – drohen nach § 164 Abs. 3 StGB deutlich härtere Strafen.
Voraussetzungen für die Strafbarkeit – wann wird es ernst?
Damit § 164 StGB greift, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Falsche Behauptung tatsächlicher Art – reine Werturteile reichen nicht.
- Wider besseres Wissen – der Täter muss wissen, dass die Behauptung falsch ist.
- Absicht, behördliche Maßnahmen herbeizuführen oder fortdauern zu lassen – ein bloßer Streit unter Nachbarn ohne Anzeigeabsicht reicht nicht.
- Adressat: Behörde, Amtsträger oder öffentlich in diesem Zweck – etwa Polizei, Staatsanwaltschaft, Schulaufsicht, Ordnungsamt.
Praktische Beispiele – wie kann falsche Verdächtigung aussehen?
Klassische Fallkonstellationen:
🔹 Nachbarschaftsstreit:
Eine Nachbarin behauptet aus Rache gegenüber der Polizei, der Nachbar habe ihr Auto zerkratzt. In Wahrheit weiß sie, dass das nicht stimmt.
🔹 Familienkonflikt:
Ein Ex-Partner zeigt seinen früheren Lebensgefährten wegen angeblicher Körperverletzung an, obwohl er weiß, dass es keine Tat gab.
🔹 Arbeitsplatz:
Ein Angestellter meldet dem Vorgesetzten eine angebliche Dienstpflichtverletzung eines Kollegen, obwohl er weiß, dass die Behauptung falsch ist – etwa, dass der Kollege Betriebsgeheimnisse verraten habe.
🔹 Verkehr:
Nach einem Unfall behauptet jemand gegenüber der Polizei, der andere Fahrer sei über Rot gefahren, obwohl das nicht stimmt.
Besondere Fälle:
🔹 Falscher Kronzeuge:
Jemand belastet absichtlich andere, um selbst nach § 46b StGB eine Strafmilderung zu erreichen – ein besonders schwerer Fall (§ 164 Abs. 3 StGB).
Strafen – was droht bei einer Verurteilung?
Die Bandbreite ist groß:
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Normale Fälle: Freiheitsstrafe bis 5 Jahre oder Geldstrafe
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Besonders schwere Fälle (§ 164 Abs. 3 StGB): Freiheitsstrafe 6 Monate bis 10 Jahre
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Minder schwerer Fall bei § 164 Abs. 3 StGB: Freiheitsstrafe 3 Monate bis 5 Jahre
Die konkrete Strafe hängt ab von:
Wie wird das Strafmaß konkret bestimmt?
Gerichte berücksichtigen beim Strafmaß neben der Schwere der falschen Verdächtigung auch:
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das Motiv des Täters (z. B. Rache, Vorteilssuche),
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die Folgen für das Opfer (z. B. unnötige Ermittlungen, Rufschädigung),
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ob der Täter geständig war oder Reue gezeigt hat,
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etwaige Vorstrafen oder eine einschlägige Vorgeschichte.
So kann bei einem einmaligen „Ausrutscher“ eine Geldstrafe ausreichen, während systematische oder besonders schwerwiegende Falschbelastungen deutlich härter geahndet werden.
Verteidigungsansätze – wie wehrt man sich?
Ein Strafverteidiger prüft insbesondere:
🔹 Lag ein tatsächlicher Irrtum vor?
Nur wer wider besseres Wissen handelt, ist strafbar. Ein Irrtum über die Tatsachen entlastet.
🔹 War die Absicht gegeben, ein Verfahren auszulösen?
Wenn eine Aussage lediglich in einem Streit fällt, ohne Behörden ins Spiel zu bringen, liegt keine falsche Verdächtigung vor.
🔹 War die Aussage zu unbestimmt?
Unkonkrete oder mehrdeutige Äußerungen reichen nicht.
🔹 Gab es andere Beweggründe als das Auslösen eines Verfahrens?
Beispielsweise bloße emotionale Entladung ohne Absicht einer Anzeige.
Was tun bei polizeilicher Vorladung?
Wenn Sie eine Vorladung wegen des Verdachts einer falschen Verdächtigung erhalten:
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Gehen Sie nicht unvorbereitet zur Polizei.
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Machen Sie ohne vorherige Rücksprache mit einem Verteidiger keine Angaben zur Sache.
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Beantragen Sie Akteneinsicht über Ihren Anwalt.
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Sichern Sie entlastende Beweise (z. B. Nachrichtenverläufe, Zeugen).
Das frühzeitige Einschalten eines Strafverteidigers ist entscheidend, um Fehler zu vermeiden.
Unterschied zu ähnlichen Straftatbeständen
Verleumdung (§ 187 StGB)
Falsche Behauptung gegenüber Dritten mit der Absicht der Rufschädigung – keine behördliche Maßnahme nötig.
Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB)
Falsches Behaupten einer Straftat gegenüber Behörden, ohne konkrete Person zu belasten.
Üble Nachrede (§ 186 StGB)
Behauptung (wahr oder unwahr) von ehrenrührigen Tatsachen ohne Beweis.
Tipps für Beschuldigte
✔ Machen Sie keine unüberlegten Angaben gegenüber der Polizei.
✔ Geben Sie keine voreiligen Anzeigen auf, ohne sicher zu sein.
✔ Bei Vorwurf: keine Einlassung ohne Verteidiger.
✔ Sichern Sie Beweise (z. B. Nachrichtenverläufe, Zeugen).
Praxis-Checkliste: So vermeiden Sie den Vorwurf der falschen Verdächtigung
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Erstatten Sie keine Anzeige, wenn Sie sich der Tatsachen nicht sicher sind.
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Verwenden Sie im Zweifel Formulierungen wie „ich glaube“, „ich bin mir nicht sicher“ statt eindeutiger Behauptungen.
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Verzichten Sie auf unüberprüfte Behauptungen auf Social Media oder in öffentlichen Foren, die auf eine Anzeige hinauslaufen könnten.
Fazit
Die falsche Verdächtigung nach § 164 StGB wird in Deutschland streng verfolgt, weil sie das Vertrauen in den Rechtsstaat schützt. Wer vorschnell oder unüberlegt falsche Tatsachen gegenüber Behörden behauptet, riskiert empfindliche Strafen. Umgekehrt können gute Verteidigungsstrategien helfen, unberechtigte Vorwürfe abzuwehren.
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Rechtsanwalt Tom Beisel
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