Das OLG Bremen (Beschluss vom 09.05.2025 – 1 W 4/25) hat entschieden: Auch wenn der Notar nicht den Erbvertrag selbst unterzeichnet hat, ist die Verfügung wirksam – wenn die notarielle Unterschrift auf dem versiegelten Umschlag angebracht wurde.
In einem Streit um einen Erbschein stellte sich die Frage, ob ein Erbvertrag ohne notarielle Unterschrift auf der Urkunde selbst gültig sein kann. Der Fall hat große Bedeutung für die Formwirksamkeit erbvertraglicher Regelungen – insbesondere bei mehrseitigen Vereinbarungen mit Pflichtteilsverzicht.
Der Fall: Ehemann beantragt Erbschein – Töchter legen älteren Erbvertrag vor
Nach dem Tod seiner Ehefrau beantragte ein Witwer einen Erbschein, der ihn als alleinigen und unbeschränkten Erben ausweist. Grundlage war ein gemeinschaftliches Testament von 2021. Die Töchter des Ehepaars widersprachen: Sie verwiesen auf eine notarielle Vereinbarung von 2012, in der die Eheleute sich gegenseitig zu Vorerben und die Töchter zu Nacherbinnen einsetzten. Im Gegenzug hatten die Töchter auf ihren Pflichtteil verzichtet.
Diese Vereinbarung wurde in Anwesenheit aller Beteiligten geschlossen. Der Notar hatte den Umschlag mit der Urkunde versiegelt und unterschrieben, jedoch nicht die Urkunde selbst.
OLG Bremen: Form wirksam – § 35 BeurkG ermöglicht Heilung
Das OLG Bremen bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts, das den Erbscheinsantrag des Witwers abgewiesen hatte. Nach Ansicht des Gerichts war die notarielle Vereinbarung von 2012 wirksam – obwohl die notarielle Unterschrift nur auf dem Umschlag angebracht war.
Nach § 35 BeurkG genügt die notarielle Unterschrift auf einem versiegelten Umschlag, wenn darin eine Verfügung von Todes wegen enthalten ist. Ein möglicher Formfehler durch fehlende Unterschrift auf der Urkunde sei dadurch geheilt.
Der Einwand des Witwers, die Unterschrift könne schon vor dem Einlegen erfolgt sein, wurde vom OLG als haltlose Spekulation zurückgewiesen.
Bindung durch Pflichtteilsverzicht – Änderung nur mit Zustimmung möglich
Inhaltlich wertete das OLG die Vereinbarung von 2012 als vertragliche Verfügung im Sinne von § 2278 BGB. Die Töchter waren Mitvertragsparteien, da sie im Gegenzug zum Pflichtteilsverzicht zu Nacherbinnen bestimmt wurden.
Ein späteres gemeinschaftliches Testament konnte diese Regelung daher nicht wirksam aufheben – denn laut § 2292 BGB ist eine Abänderung nur mit Zustimmung aller Vertragsbeteiligten möglich.
Ergebnis: Witwer bleibt Vorerbe – Töchter Nacherbinnen
Das Gericht stellte klar: Der Erbvertrag von 2012 ist wirksam und bindend. Der Witwer ist nicht Alleinerbe, sondern nur Vorerbe, die Töchter bleiben gesetzlich gesicherte Nacherbinnen.
Fazit: Auch der Umschlag zählt – Formvorgaben im Erbrecht nicht unterschätzen
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig auch äußere Formelemente bei der Beurteilung eines Erbvertrags sein können. Notarielle Formfehler lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen heilen – eine Unterschrift auf dem Umschlag kann genügen.
Zugleich betont das Urteil, dass vertragliche Pflichtteilsverzichte mit Gegenleistung eine starke Bindungswirkung entfalten. Eine spätere Änderung ist ohne Zustimmung der Vertragspartner nicht möglich.
Individuelle Beratung ist entscheidend
Jede Vermögens- und Familiensituation ist einzigartig. Fehler bei der Gestaltung von Schenkungen, Verträgen oder Testamenten können zu steuerlichen Nachteilen oder zum Verlust des Vermögens führen. Eine frühzeitige, fachkundige Beratung ist daher unerlässlich.
Unsere Kanzlei ist auf Erbrecht, Nachfolgeplanung und Vermögensschutz spezialisiert. Wir entwickeln gemeinsam mit Ihnen eine maßgeschneiderte Strategie, um Ihr Familienvermögen optimal zu sichern – rechtssicher, individuell und zukunftsorientiert.
Kontaktieren Sie mich jetzt für eine individuelle Erstberatung – persönlich, vertraulich, bundesweit. Melden Sie sich jetzt – über Anwalt.de, per E-Mail kontakt@rexus-recht.de, telefonisch oder direkt über meine Kanzleihomepage.
Wichtige Informationen:
rund ums Testament:
– Testament richtig erstellen – Checkliste REXUS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
– Testament richtig erstellen
– notarielles Testament und Erbschein
– wer erbt, wenn kein Testament vorhanden ist?
– gemeinschaftliches Testament
– ein Testament reicht nicht
– Barvermögen im Testament
– zur Testierfähikeit
– enterben – aber wie?
zur Nachlassplanung:
– Nachlassplanung
– Erbschaftssteuer legal umgehen
– Nießbrauch richtig gestalten
– Familiengesellschaft gründen
– Immobilien vererben
– Vermögenssicherung
– keine Erben?
zum Erbstreit:
– Erbschutz
– Pflichtteil ausschalten
– Teilungsversteigerung
– Verjährung von Pflichtteilsansprüchen
FAQ – Häufige Fragen zum Vermögensschutz im Erbfall:
Reicht die notarielle Unterschrift auf dem Umschlag?
Ja, laut § 35 BeurkG kann die Unterschrift auf einem versiegelten Umschlag einen Formfehler heilen.
Was bedeutet vertraglicher Pflichtteilsverzicht?
Ein solcher Verzicht ist bindend, wenn er notariell beurkundet und mit Gegenleistung vereinbart wurde.
Kann ein späteres Testament einen Erbvertrag aufheben?
Nein – nicht, wenn Dritte wie Kinder als Vertragsparteien beteiligt waren. Dann ist deren Zustimmung erforderlich.