#Interview
Das junge Berliner Unternehmen Ecopals möchte sich als „Hersteller nachhaltiger Materialien für den Straßenbau“ etablieren. „Ein besonderes Highlight der letzten Zeit war der Einsatz unserer EcoFlakes auf der A480“, sagt Gründer Fabian Zitzmann.

Das Berliner Startup Ecopals, 2021 von Jonas Varga und Fabian Zitzmann gegründet, möchte sich als “Hersteller nachhaltiger Straßenbaumaterialien” etablieren. Das erste Produkt der Jungfirma ist ein “Hochleistungs-Asphaltzusatz aus Recycling-Plastik”. MHI Gruppe, Après-demain und das Privatinvestoren-Netzwerk Companisto investierten zuletzt 4 Millionen Euro in das Unternehmen. Mit Fördergeldern flossen bereits rund 6 Millionen in die Jungfirma.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Gründer Zitzmann einmal ausführlich über den Stand der Dinge bei Ecopals.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Ecopals erklären?
Asphalt besteht hauptsächlich aus Gestein, welches von einer schwarzen Substanz, dem ältesten Mineralölprodukt mit dem Namen Bitumen, zusammengehalten wird. Beide Komponenten allein reichen aber nicht aus, um unsere Straßen langfristig gegen schwere Belastungen zu wappnen. Deswegen gibt man dem Asphalt für eine bessere Haltbarkeit und Performance noch Kunststoffe – Plastik – hinzu, die bisher extra für diesen Zweck neu produziert werden. Genau diese Kunststoffe, die von Fachleuten auch Polymere genannt werden, ersetzen wir nun durch Kunststoffe aus dem Recycling. ecopals ist Hersteller nachhaltiger Materialien für den Straßenbau. Wir nehmen altes Plastik und stellen daraus unsere sogenannten EcoFlakes her. Mit diesen EcoFlakes können wir die neuen Kunststoffe im Asphalt sowie auch einen Teil des eingesetzten Bitumens ersetzen. Dadurch wird der Asphalt bis zu 20 % klimafreundlicher und auch günstiger. Unsere Praxiserfahrung und zahlreiche Laborversuche haben außerdem gezeigt: EcoFlakes verbessern die Leistung von Asphalt, weil sie zum Beispiel seine Lebensdauer verlängern. Am Ende kann der Asphalt mit unseren EcoFlakes sogar wiederverwendet werden.
War dies von Anfang an Euer Konzept?
Seit unserer Gründung im Jahr 2021 mit Unterstützung des Fraunhofer-Technologie-Transfer-Fonds haben wir ein starkes Investorenkonsortium aufgebaut. 2022 beteiligte sich der High-Tech Gründerfonds (HTGF) an ecopals, gefolgt von weiteren Investoren aus dem Private-Equity- und Venture-Capital-Bereich im Jahr 2024. Dazu zählen Aprés-demain, Companisto und die MHI-Gruppe als strategischer Skalierungspartner. Heute blicken wir auf über 30 erfolgreich umgesetzte Projekte in fünf Ländern zurück. Besonders die wachsende internationale Nachfrage treibt uns aktuell voran – eine Entwicklung, die uns an unsere Ursprünge erinnert. Die Idee für ecopals ist 2019 in Nepal unter dem Schirm der NGO Nidisi, die im Rahmen lokaler Entwicklungshilfe vor Ort für Lösungen für Plastikverschmutzung und Infrastrukturmängel aktiv war, entstanden. Gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern des Fraunhofer ICT, der Universität Kassel und ersten Baupartnern in Nepal, Österreich und Deutschland wurde schnell das globale Potenzial der Technologie erkennbar. Auf dieser Grundlage haben wir ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, EcoFlakes mit bestehenden Produktionstechnologien herzustellen. Dadurch schaffen wir die Voraussetzungen für eine dezentrale und regionale Produktion.
Wie hat sich Ecopals seit der Gründung entwickelt?
Die Entwicklung eines Unternehmens lässt sich in qualitative und quantitative Faktoren unterteilen. Unser Umsatz ist im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, und auch für das laufende Jahr erwarten wir weiteres Wachstum. Die technische Weiterentwicklung unserer Produkte war essenziell, da die Anforderungen an Straßen in Nepal natürlich andere sind als in Deutschland. Um unsere Produkte auf dem deutschen Markt einsetzen zu können, haben wir sie schnell weiterentwickelt. Dank unserer agilen Entwicklungsprozesse und eines starken R&D-Teams konnten wir diesen Anpassungsprozess erfolgreich umsetzen. Letztlich war es genau dieser ganzheitliche Entwicklungsansatz, der uns von ersten Pilotprojekten in Nepal und Deutschland hin zu Autobahnprojekten und einer strategischen Internationalisierung geführt hat.
Was war zuletzt das Highlight bei Euch?
Ein besonderes Highlight der letzten Zeit war der Einsatz unserer EcoFlakes auf der A480. Der öffentliche Straßenbau unterliegt strengen regulatorischen Vorgaben, die wir mit unseren EcoFlakes PRO zuverlässig erfüllen. Besonders bedeutend ist dieses Bauprojekt, weil es die Übereinstimmung zwischen Laborergebnissen und Praxiseinsatz in einem anspruchsvollen Anwendungsfall bestätigt. Der Einbau erfolgte bei abgesenkten Mischguttemperaturen zwischen 120 und 150 Grad Celsius. Diese Methode verbessert den Arbeitsschutz im Asphaltstraßenbau und wird künftig branchenweit verpflichtend sein – eine Entwicklung, die viele vor Herausforderungen stellt. Wir sind schon heute bereit für diesen Wandel.
Zuletzt konntet Ihr Millionen einsammeln. Wie seid Ihr mit Euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Investoren sind Wegbegleiter, die oft schon vor dem eigentlichen Investment-Stichtag das Unternehmen unterstützen. Entscheidend in diesem Prozess sind Ehrlichkeit und Transparenz, gepaart mit starken Referenzen und einem validen Business Case. Ein erfahrenes Team mit fundiertem Know-how ist ebenso essenziell. In unserem Fall haben wir früh den Dialog mit potenziellen Investoren gefunden. Letztendlich war unsere Finanzierungsrunde sogar oversubscribed – die finale Entscheidung fiel auf die Partner, die den besten Fit für unser Unternehmen boten.
KI ist derzeit das Thema schlechthin in der Startup-Szene. Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz bei Euch?
KI spielt für uns eine zunehmend wichtige Rolle, da sie zahlreiche Prozesse effizienter und schlanker gestaltet. Als Startup haben wir den Vorteil, schnell von der Idee in die Umsetzung zu gehen. Was sich als funktional erweist, wird implementiert. Besonders bei repetitiven Aufgaben im Alltagsgeschäft ist das eine wertvolle Entlastung. Ein zentrales Anwendungsfeld für KI bei uns ist die Materialforschung. Wir entwickeln aktuell ein virtuelles Labor, das physische Materialtests digitalisiert und Entwicklungsprozesse in der Baustoffindustrie beschleunigt. Diese Technologie basiert auf jahrzehntelanger Forschung, doch erst durch den enormen Fortschritt in der Rechenleistung und der KI-gestützten Simulationen wird sie jetzt wirklich praxistauglich. Für uns ist KI damit nicht nur ein Tool, sondern ein echter Gamechanger auf dem Weg zu nachhaltigeren Straßen. Dennoch bleibt klar: KI ersetzt nicht vollumfänglich das menschliche Urteilsvermögen. Ihr größter Mehrwert entsteht dann, wenn sie unterstützend eingesetzt wird. Die “Human Oversight” ist aber das entscheidende Element, um Qualität, Sicherheit und Verlässlichkeit jederzeit zu gewährleisten.
Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Wenn ihr eine Idee habt, sucht euch Partner mit Expertise, die euch im Team fehlt – scheut euch nicht davor, nach Unterstützung zu fragen! Gerade Forschungsinstitute und Universitäten können gute Anlaufstellen sein. Außerdem ist es immer hilfreich, sich ein Netzwerk in der Branche aufzubauen, an Messen und Tagungen teilzunehmen und die wichtigsten Akteure kennenzulernen, um die Branche zu verstehen. Ein letzter Tipp: Der Weg einer Gründung ist selten geradlinig. Sei bereit, deine Pläne neu zu definieren und aus Fehlern zu lernen. Flexibilität und die Fähigkeit, sich schnell anzupassen, sind häufig entscheidend für den Erfolg.
Wo steht Ecopals in einem Jahr?
Mit EcoFlakes PRO haben wir ein speziell auf die Anforderungen des deutschen öffentlichen Straßenbaus zugeschnittenes und zugelassenes Produkt entwickelt. Die für 2026 erwartete Neuauflage wichtiger Regelwerke wird durch ihre technologieoffeneren Ansätze zusätzliche Unterstützung für genau dieses Produkt bieten. Daher werden wir in einem Jahr noch intensiver im öffentlichen Bereich in Deutschland agieren und den Einsatz unserer Technologie so deutlich ausweiten. Außerdem werden wir unsere internationale Präsenz erweitern. Nach erfolgreichen Projekten in Österreich, Tschechien, Georgien und der Schweiz stehen nun Expansionen nach Eurasien, Ost- und Westeuropa an. Diese Internationalisierung ergibt sich aus der gestiegenen Nachfrage wie auch aus dem Kostendruck im Straßenbau, der auch in diesen Zielregionen unsere Lösung als attraktive Alternative platziert. Unsere Erfahrung in Deutschland dient dabei als zentrale Referenz.
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