Die Polizei steht plötzlich vor der Tür, es kommt zur Hausdurchsuchung – und dann das: Bargeld, Kontounterlagen, Fahrzeuge oder sogar Immobilien werden beschlagnahmt. Was viele Betroffene nicht wissen: Oft steckt dahinter die Einziehung nach § 73 StGB ff. – ein massives strafrechtliches Instrument zur Vermögensabschöpfung.
Doch was genau bedeutet Einziehung? Wer ist betroffen – und kann man sich dagegen wehren? Dieser Artikel klärt auf, wann die Staatsanwaltschaft Vermögenswerte einkassiert, wie man sich als Beschuldigter oder Dritter wehrt und warum schnelle anwaltliche Hilfe so wichtig ist.
Was bedeutet Einziehung im Strafrecht?
Die Einziehung nach § 73 StGB ist kein „zusätzliches Strafmaß“, sondern eine Maßnahme zur Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten. Sie soll verhindern, dass Täter oder Beteiligte finanziell von ihren Taten profitieren.
Konkret kann eingezogen werden:
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Bargeld oder Vermögenswerte, die durch Straftaten erlangt wurden
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Fahrzeuge, Schmuck, Handys oder Immobilien als sogenannte „Tatmittel“
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Bankguthaben, Kryptowährungen, Firmenanteile oder Gegenstände aus dem Erlös der Tat
Wann darf die Staatsanwaltschaft Einziehung beantragen?
Die rechtliche Grundlage ist § 73 StGB und die folgenden Regelungen bis § 76b StGB. Eine Einziehung ist zulässig, wenn:
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durch die rechtswidrige Tat ein Vermögensvorteil erlangt wurde (§ 73 StGB)
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auch ohne eine konkrete Verurteilung, z. B. bei Verfahrenseinstellung (§ 76a StGB)
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auch bei Dritten, die vom Tatgewinn profitiert haben (§ 73b StGB)
Wichtig: Es geht nicht nur um klassische „Verbrechen“. Auch bei Vergehen wie Steuerhinterziehung, Betrug, BtM-Handel oder Sozialleistungsbetrug kann eine Einziehung drohen.
Was ist die „erweiterte Einziehung“ nach § 73a StGB?
Die sogenannte erweiterte Einziehung ist besonders gefährlich. Hier genügt es, wenn der Verdacht besteht, dass bestimmte Vermögenswerte aus anderen Straftaten stammen könnten – auch ohne konkrete Zuordnung zu einer bestimmten Tat.
Beispiel:
Ein Verdächtiger wird wegen BtM-Handels angeklagt. Zusätzlich wird Bargeld von 50.000 € beschlagnahmt – obwohl nicht bewiesen ist, dass dieses Geld aus genau dieser Tat stammt. Auch dieses Vermögen kann nach § 73a StGB eingezogen werden.
Was droht unbeteiligten Dritten?
Einziehung betrifft nicht nur Täter. Auch Ehepartner, Freunde, Erben oder Geschäftspartner können ins Visier geraten, wenn sie:
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von der Straftat profitiert haben
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Geld oder Gegenstände erhalten haben, die aus einer Straftat stammen
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hätten erkennen müssen, dass das Geld aus kriminellen Geschäften stammt
Diese Fälle regelt § 73b StGB. Wer also „gutgläubig“ ein Geschenk oder eine Überweisung annimmt, kann später von der Einziehung betroffen sein – und muss ggf. nachweisen, dass er nichts von der Straftat wusste.
Welche Arten der Einziehung gibt es?
Die wichtigsten Formen im Überblick:
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§ 73 StGB: Einziehung von Taterträgen bei Tätern
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§ 73a StGB: Erweiterte Einziehung auch bei anderen (nicht angeklagten) Taten
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§ 73b StGB: Einziehung bei Dritten
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§ 74 StGB: Einziehung von Tatmitteln oder Tatobjekten (z. B. Fahrzeuge, Waffen)
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§ 76a StGB: Selbstständige Einziehung auch ohne Verurteilung
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§ 73c StGB: Wertersatzeinziehung (wenn das Originalvermögen nicht mehr greifbar ist)
Was kann man gegen eine Einziehung tun?
Die Verteidigung gegen eine Einziehung ist hochkomplex – gerade weil es oft um hohe Summen geht. Es ist dringend zu empfehlen, sich frühzeitig durch einen Strafverteidiger mit Erfahrung im Vermögensrecht vertreten zu lassen.
Mögliche Verteidigungsansätze:
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Kein Tatnachweis – keine Einziehung
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Vermögen stammt aus legaler Quelle
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Keine Kausalität zwischen Tat und Erlangtem
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Dritte waren nicht informiert (gutgläubiger Erwerb)
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Verhältnismäßigkeit fehlt (§ 74f StGB)
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Verjährung nach § 76b StGB
Häufige Fehler – und wie Sie sie vermeiden
Viele Beschuldigte oder Dritte machen vermeidbare Fehler:
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Sie erklären sich freiwillig zur Herausgabe von Vermögen bereit
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Sie widersprechen nicht rechtzeitig dem Vermögensarrest
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Sie liefern keine Belege für die Herkunft des Vermögens
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Sie reagieren zu spät oder ohne anwaltliche Prüfung auf Beschlüsse
Tipp: Jede Einziehung muss vom Gericht geprüft werden. Ohne fundierte Argumentation ist ein Verlust des Vermögens realistisch – oft dauerhaft.
Checkliste: Was tun bei Einziehungsandrohung?
✔ Bescheid der Staatsanwaltschaft oder Arrestbefehl erhalten?
→ Sofort einen Strafverteidiger kontaktieren
✔ Gibt es ein Ermittlungsverfahren?
→ Akteneinsicht beantragen lassen – keine Aussagen machen
✔ Wurde Vermögen vorläufig gesichert (z. B. per Arrest)?
→ Rechtzeitig Beschwerde oder Widerspruch prüfen
✔ Sind Sie als Dritter betroffen (z. B. Ehepartner)?
→ Nachweise über gutgläubigen Erwerb vorbereiten