Ein Piks, doppelter Schutz: Der Hersteller Moderna entwickelt einen Impfstoff, der gegen Covid-19 und Grippe wirkt. Die Ergebnisse der Studien sind positiv – und auch ein deutscher Immunologe stimmt zu.
Der US-Pharmakonzern Moderna steht kurz davor, einen neuen Kombinationsimpfstoff gegen Grippe und Covid-19 auf den Markt zu bringen. Die Hoffnung: besserer Schutz und höhere Impfbereitschaft durch nur eine Spritze. Studiendaten zeigen eine vielversprechende Wirksamkeit.
Der neue Kombi-Impfstoff mit dem Namen „mRNA-1083“ soll sowohl vor Influenza als auch vor Corona schützen. In einer klinischen Studie zeigten sich bei über 50-Jährigen eine ebenso starke oder sogar bessere Immunantwort als die bisher verabreichten einzelnen Impfungen. Die Ergebnisse wurden an diesem Mittwoch im Fachblatt „Jama“ veröffentlicht.
Dass nur eine Injektion benötigt wird, sei nur ein Vorteil der Kombi-Impfung, sagt Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund. Dazu wirke der Stoff auch besser als die derzeitigen Präparate auf dem Markt.
Fachleute erhoffen sich dadurch eine höhere Impfquote. Schließlich werden beide Einzelimpfungen im Herbst verabreicht und werden für fast dieselben Menschen empfohlen – für jene älter als 60 Jahre und Vorerkrankte.
Bei der Studie handelt es sich um eine sogenannte klinische Phase-3-Studie, bei der Arzneimittel erstmals an einer größeren Patientengruppe getestet werden. Insgesamt nahmen knapp 8000 Erwachsene von 50 Jahren und älter teil. Gerade diese Altersgruppe hat bei einer Infektion mit Grippe- oder Coronaviren ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe.
Um den mindestens genauso guten Schutz durch das neue Kombi-Präparat zu belegen, wurde der Impfstoff mit Modernas Covid-Impfung „Spikevax“ sowie je einem der gängigen Grippeimpfstoffe „Fluzone HD“ oder „Fluarix“ verglichen.
Die Stärke der Immunantwort
Mit dem Ergebnis: Der Kombi-Impfstoff schnitt gegen Influenzaviren vom Typ A tatsächlich besser ab als die herkömmlichen Grippeimpfstoffe. Bei Influenza B war die Immunantwort vergleichbar. Zwar sind Grippetyp A und B von in ihren Symptomen kaum zu unterscheiden, doch Typ B kommt etwas seltener vor und weist meist mildere Krankheitsverläufe auf.
Typisch sind hohes Fieber, trockener Husten, Halsschmerzen sowie Gliederschmerzen. Bei schweren Verläufen kann es unter anderem zu lebensbedrohlichen Pneumonien, also Lungenentzündungen, kommen.
Auch gegen das Spike-Protein des Coronavirus zeigte das neue Kombi-Präparat eine mindestens gleich starke Immunantwort wie Modernas „Spikevax“. Spike-Proteine sitzen auf der Oberfläche von Coronaviren. Aufgrund der Impfung entwickelt das Immunsystem passende Antikörper, welche an diese Proteine binden können. Damit wird das Virus neutralisiert und die Ausbreitung im Körper behindert.
Um die Wirksamkeit des neuen Impfstoffs einzuschätzen, wurde nicht etwa untersucht, ob Erkrankungen dadurch verhindert wurden. Stattdessen haben die Forscher gemessen, wie viele Antikörper gegen die Krankheitserreger sich nach der Impfung im Blut der Probanden gebildet hatten. Getestet wurde lediglich die Stärke der ausgelösten Immunantwort.
„Das ist ein oft genutztes Vorgehen, das einen Vergleich erleichtert“, sagt Watzl, der Moderna beim RSV-Impfstoff berät. Für die einzelnen Impfungen liegen bereits frühere Daten zum Schutz vor Erkrankungen vor. Der anschließende Abgleich der Antikörperlevel genügte also.
Der Kombi-Wirkstoff basiert auf der mRNA-Technologie, die erstmals während der Coronapandemie flächendeckend für Impfungen zum Einsatz kam. Bei einer Zulassung wäre es nun einer der ersten mRNA-Impfstoffe für Grippeviren. Auch Modernas Konkurrenten Pfizer und Biontech arbeitet derzeit an einem mRNA-Kombi-Wirkstoff gegen Covid und Influenza.
Klassische Grippeimpfungen wie „Fluzone HD“ oder „Fluarix“ enthalten inaktivierte Viren. Diese werden seit knapp 70 Jahren im Labor aus infizierten Hühnereiern gewonnen oder in Zellkulturen produziert. mRNA-Impfstoffe dagegen enthalten lediglich den genetischen Bauplan für einzelne Proteine des Virus, etwa das Spike-Protein. Dieses wird nach der Impfung vom menschlichen Körper selbst hergestellt, woraufhin eine Immunantwort erfolgt.
Ein Vorteil solcher mRNA-Impfstoffe ist, dass sie wesentlich schneller an saisonale Virusvarianten angepasst und produziert werden können. Allerdings hat sich Moderna beim Kombi-Impfstoff an der Saison 2023/24 orientiert, vor dem künftigen Einsatz müsste der also noch an die aktuellen Grippe- und SARS-CoV-2-Stämme angepasst werden.
In einer Phase-3-Studie wird auf Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten untersucht. Einzelimpfungen und Kombi-Impfstoff seien hier vergleichbar, sagt Watzl. Zwar viel die Impfreaktion ein bis drei Tage nach dem Piks beim neuen Präparat etwas stärker aus – typisch sind Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Diese verschwinden jedoch nach wenigen Tagen wieder. Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
Nun müssen weitere Daten zu Wirksamkeit und auch längere Beobachtungen von Nebenwirkungen folgen, betont Watzl. Die vorliegenden Ergebnisse seien vielversprechend und könnten sogar für eine Zulassung „ausreichend sein“. Vor einem breiten Einsatz bräuchte es jedoch eine Empfehlung der ständigen Impfkommission, der Stiko. Dass dies bis zu diesem Herbst möglich ist, sieht Watzl „aktuell noch skeptisch“.