Apple konnte die Veröffentlichung auf seinen Geräten nicht verhindern, obwohl dieser Vorgang von Apple scharf kritisiert wurde: Mit Hot Tube durfte zum ersten Mal eine Erotik-App auf Apple-Geräten geladen werden. Es ist eine direkte Folge des Digital Markets Act (DMA), der nun in Europa greift. Er soll faire Wettbewerbsbedingungen schaffen, indem er große digitale Plattformen reguliert und Monopole sowie unlautere Praktiken einschränkt. Der DMA hebt auch die bislang verpflichtende Nutzung des Apple-eigenen App Stores auf: Nutzer:innen dürfen jetzt Apps aus alternativen Stores wie AltStore oder Setapp laden. Hot Tube wird beispielsweise über den AltStore vertrieben.
Im Android-Ökosystem schafft der DMA ebenfalls neuen Wettbewerb. Zwar ist der Google Play Store dort dominant, doch Geräte chinesischer Hersteller wie Xiaomi oder Huawei bringen bereits eigene Stores mit. Laut dem Portal Business of Apps kontrollieren Apple und Google außerhalb Chinas rund 95 Prozent des App-Store-Markts. Doch das ändert sich. Neben OEM-Stores wie Huaweis AppGallery oder Samsungs Galaxy Store gewinnen unabhängige Plattformen wie Aptoide, Epic Games Store oder AltStore an Relevanz – vor allem in Europa.
Neue Vertriebskanäle, neue Marketingregeln
Für App-Publisher eröffnen alternative Stores damit neue Wege in der Vermarktung. Ein großer Vorteil: In kleineren App-Stores ist die Konkurrenz geringer, wodurch Apps leichter auffallen. Durch gezielte App Store Optimization (ASO) – also durch optimierte Keywords, ansprechende Screenshots und präzise App-Beschreibungen – lässt sich die Sichtbarkeit deutlich steigern. Besonders im Gaming-Bereich sind die Zielgruppen aktiv, jung und aufgeschlossen gegenüber neuen Plattformen.
Empfehlungen der Redaktion
Auch monetär ergeben sich Vorteile. Während Apple und Google mit bis zu 30 Prozent am Umsatz partizipieren, lassen sich in alternativen Stores oft deutlich günstigere Konditionen verhandeln. Das verbessert nicht nur die Marge für Content-Anbieter, sondern ermöglicht auch günstigere Preise oder zusätzliche Features für Nutzer:innen.
Werbung neu gedacht: OEM-Werbung als Booster
Gleichzeitig setzen Marken verstärkt auf Kooperationen mit Geräteherstellern, um neue Nutzer:innen für ihre Apps zu gewinnen. Die Hersteller bieten auf ihren Geräten eigene Möglichkeiten zu werben. Diese so genannte OEM-Werbung kann über Platzierungen auf Startbildschirmen, in System-Apps oder über Push-Notifications erfolgen. Solche Werbeformen erreichen meist hohe Sichtbarkeiten und fördern gezielt Downloads im jeweiligen OEM-Store. Als besonders wirksam gelten kombinierte Kampagnen aus OEM-Werbung und Store-Platzierung. Die Werbe-Möglichkeiten sind ja nach Anbieter höchst unterschiedlich. Wer auf Drittanbieter-Stores setzt, sollte vor dem Roll-out daher prüfen, welche Werbeformate möglich sind und wie Nutzer:innen am effektivsten aktiviert werden können.
Aber Achtung: Die Pflege mehrerer Store-Präsenzen erhöht den Aufwand. Updates müssen regelmäßig erfolgen und nötige Systemkompatibilitäten berücksichtigt werden. Zudem nutzen verschiedene Gerätemarken unterschiedliche Bezahlsysteme für kostenpflichtige Downloads.
Für den laufenden Betrieb müssen Advertiser Kampagnen und Downloadzahlen überwachen sowie die Werbeaktivitäten gezielt steuern und optimieren. Damit sich der Aufwand lohnt, sind hohe Downloadzahlen und Umsätze entscheidend. Es gilt also, genau hinzuschauen, die richtigen Stores und Kanäle auszuwählen und sich nicht in einem kleinteiligen Angebot zu verzetteln, denn eine geräte- und App-Store-übergreifende Analyse und Steuerung des App-Marketings ist bisher nur rudimentär möglich. Noch fehlen Analyse-Tools, die kanalübergreifende KPIs sauber abbilden.
App Reichweite steigern, Risiken managen
Damit zeigt sich: Alternative Stores verdrängen Apple und Google nicht – sie ergänzen die bestehenden Kanäle. Für das Marketing sind sie eine kosteneffiziente Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erreichen und Abhängigkeiten zu reduzieren. Für Entwickler empfiehlt sich momentan eine gezielte Store-Strategie, indem sie bewusst Regionen und Marktplätze mit hoher Geräteverbreitung auswählen. In Europa gehören die OEM-Stores von Samsung, Huawei und Xiaomi zu den wichtigsten.
Trotz der technischen Potenziale bleibt die Akzeptanz ein Risikofaktor: Noch ist unklar, wie sich das Verhalten der Nutzer:innen langfristig verändert und wie hoch die Konversionsraten außerhalb der klassischen Stores tatsächlich sind. Zudem fehlt es an etablierten Benchmarks für Werbewirkung und Nutzerbindung in alternativen Ökosystemen.
Fazit: Der App-Markt wird fragmentierter – und strategischer
Der DMA hat den Wettbewerb im App-Ökosystem neu entfacht. Alternative Stores sind kein Nischenphänomen mehr, sondern entwickeln sich zu relevanten Vertriebskanälen. Marken und Entwickler, die frühzeitig Expertise in diesem Bereich aufbauen, können sich Vorteile in Sichtbarkeit, Marge und Nutzerbindung erschließen.
Für das Marketing bedeutet das: App-Vermarktung muss künftig diverser und flexibler gedacht werden. Es reicht nicht mehr, nur bei Google und Apple zu performen. Allerdings sollte man deshalb nicht zur „Gießkanne“ greifen – die Risiken für Streuverluste sind zu groß. Ein gezieltes Testen und schrittweises Vorangehen hilft, die neuen Möglichkeiten ohne große Risiken auszuloten und neue Vertriebsmöglichkeiten für seine Apps zu erschließen.