Deutschland steckt weiter in der Wirtschaftskrise. Auch nach zwei Jahren gibt es kaum Hoffnung auf baldige Besserung. Nach der negativen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich das jetzt auch bei der Ausbildung.
Bei der BASF in Ludwigshafen BASF beginnt heute das Ausbildungsjahr. Für 478 junge Menschen geht es am Standort Ludwigshafen los. Es sind weniger als im Vorjahr, dabei hat die Zahl der Interessenten sogar etwas zugenommen: „Wir hatten in diesem Jahr etwa 8.300 Bewerbende und sind sehr froh, dass wir so gut wie alle Plätze besetzen konnten. Besonders im Bereich der Technik und der Produktion ist es immer wieder eine Herausforderung“, erklärt Elmar Benne, der die Aus- und Fortbildung bei der BASF leitet.
Die BASF ist bei Übernahmeversprechen für Azubis vorsichtiger geworden. „In wirtschaftlich turbulenten Zeiten schauen wir: Was ist der Fachkräftebedarf, den wir in drei bis vier Jahren am Standort haben?“, so Benne. Deshalb hätte die BASF die Zahl der Plätze reduziert, damit die Ausbildung am Ende in eine Übernahme münden könne. „Wir bilden bedarfsorientiert aus. Das bedeutet, wir schauen am Ende der Ausbildung: Passt jemand zu uns? Wenn wir nach vorne schauen, wird es definitiv anspruchsvoller“, erklärt Benne.
Wie sensibel das Thema Übernahmen nach der Ausbildung für die BASF inzwischen ist, zeigt sich auch bei Interviews mit Azubis. So dürfen Fragen, ob es Übernahmegarantien gibt oder die Azubis übernommen werden wollen, nicht gestellt werden. Das verhindert der Pressestab der BASF.
Azubis in die Verantwortung nehmen
Auch für Nils Brähler ist heute ein besonderer Tag. Er übernimmt mit 21 Jahren die Filialleitung in einer Trierer Sparkasse. Nils Brähler ist Azubi im dritten Lehrjahr. Für die nächsten zwei Wochen ist er verantwortlich für die Filiale, mit ihm ein Team aus sechs weiteren Auszubildenden. „Das wird eine echte Herausforderung für mich, aber ich freue mich auf die nächsten zwei Wochen. Ich will zeigen, was ich gelernt habe“, erzählt Brähler.
Mit dem Projekt „Azubi-Filiale“ möchte die Sparkasse Trier den jungen Leuten die Chance geben, ihr bisheriges Wissen im Berufsalltag zu testen – von der Kundenberatung bis zur Organisation der Filiale.
Darf für zwei Wochen Verantwortung übernehmen: Sparkassen-Azubi Nils Brähler.
Langfristiges Werben um Azubis
Einige reguläre Mitarbeiter halten sich in den nächsten 14 Tagen aber im Hintergrund, um bei Problemen ansprechbar zu sein. Carolin Hegner gehört dazu. Sie beobachtet seit Jahren, dass es immer schwieriger wird, an geeignete Bewerber zu kommen. Zudem steigen die Ansprüche bei guten Interessenten, so Hegner.
„Man muss sich etwas einfallen lassen. Wir fangen schon mit Schülerpraktika an. Bei unserer Ausbildung geht es nicht nur darum, fachliche Kompetenz zu vermitteln, sondern auch soziale Stärken. Unser Konzept der Azubi-Filiale bietet sich dafür natürlich an. Die jungen Leute wollen auch eigenverantwortlich lernen und sich verstärkt ausprobieren. Das merken wir sehr deutlich.“ Die Sparkasse will alle Azubis nach bestandener Prüfung übernehmen.
DIHK-Umfrage mit negativem Trend
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat zur Lage am Ausbildungsmarkt gerade eine Umfrage gemacht. Mehr als ein Viertel der Unternehmen reduzieren ihre Ausbildungsplätze. Je größer die wirtschaftlichen Probleme, desto weniger Plätze werden angeboten. Die Rezession kommt nach dem Arbeitsmarkt jetzt auch auf dem Ausbildungsmarkt an. Die Langzeitfolgen: fehlende Ausbildung heute verschärft den Fachkräftemangel von morgen.
„Die Unternehmen kämpfen mit der wirtschaftlichen Situation, ihnen fehlen inzwischen oft finanzielle Mittel sowie klare Aussichten für den Betrieb“, so der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. „Gleichzeitig braucht die Wirtschaft, für einen hoffentlich bald kommenden Aufschwung, gut ausgebildetes Personal.“ Deshalb wollten trotz der Wirtschaftskrise immer noch zwei Drittel der Ausbildungsbetriebe alle ihre Azubis nach der Ausbildung übernehmen.
„Es mangelt an Basiswissen“
Laut DIHK-Studie sei für viele Betriebe die Suche nach geeigneten Bewerbern weiter das Hauptproblem. Drei von vier Betrieben geben an, im vergangenen Jahr keine geeigneten Kandidaten gefunden zu haben.
Aber es fehle laut DIHK nicht nur an Quantität von Azubis, sondern auch oft an deren Qualität. „Es mangelt an Basiskenntnissen: Zuverlässigkeit, Lernbereitschaft, Einsatzwille und Lesen, Schreiben, Rechnen. Wer das nicht mitbringt, wird es im Berufsleben insgesamt schwer haben“, sagt Dercks. „Wir brauchen in den Schulen wieder einen Fokus auf die grundlegenden Fähigkeiten.“
Auch der Trend zum Studium der vergangenen Jahre habe negative Folgen, sagt Dercks. „Der Maschinenbau braucht beispielsweise nicht nur den Ingenieur, sondern auch den Maschinen- und Anlagenführer, um Autoteile oder Druckmaschinen herzustellen. Die duale Berufsausbildung ist nach wie vor zentrale Säule der Fachkräftesicherung.“ Besondere Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen hätten laut DIHK Industrie, Verkehr, Bau und Handel.
Nöte in Gastronomie und Hotellerie
Wie sehr die Unternehmen inzwischen nach geeigneten Bewerbern suchen, hat sich am vergangenen Freitag und Samstag in Mainz gezeigt. Auf einer Ausbildungsmesse der IHK Rheinhessen warben mehr als 140 Aussteller um Azubis. Mehrere tausend Schüler kamen in die Rheingoldhalle.
Timon Zapf ist bei der IHK für das Thema Berufsausbildung zuständig. Auch er bestätigt die Ergebnisse der DIHK-Umfrage, wonach nur die Hälfte der Unternehmen ihre Ausbildungsplätze besetzen können. „Besonders beliebt sind der Einzelhandel, Büromanagement und auch Jobs als Informatiker und Industriekaufleute. Offene Stellen gibt es dagegen oft in der Hotellerie und bei Gaststätten.“
IHK sieht Schulen gefordert
Zapf kennt aus seinem beruflichen Alltag die Gespräche zwischen Betrieben und jungen Leute genau. Auch auf der Mainzer Messe war er an vielen Ständen unterwegs. Er fordert, die Schüler früher in die Verantwortung zu nehmen. „Wir wünschen uns, dass es in den Schulen eine bessere Vorbereitung auf Jobmessen und die Ausbildung gibt. Insgesamt sollten die Schüler dort stärker auf ihren späteren Beruf hingeführt werden.“
Insgesamt bleibe das Angebot größer als die Nachfrage, erklärt Zapf. „Der Fachkräftemangel bleibt leider ein Thema. Auch die Anwerbung von Azubis aus dem Ausland wird weitergehen. Und wir müssen auch neue Fragen stellen: Wie bekommt man die Arbeit mit weniger Personal hin?“ Auch der Ausbildungsmarkt steht also vor einem langfristigen Strukturwandel.