Eigentlich sollte das EU-Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten am Samstag unterzeichnet werden. Doch nach dem EU-Gipfel ist klar: Daraus wird nichts. Bei der deutschen Industrie sorgt das für Kopfschütteln.
Die Verschiebung des EU-Handelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten sorgt in der deutschen Wirtschaft für Kritik. „Die erneute Verschiebung ist ein Rückschlag für Europas Glaubwürdigkeit als geostrategischer Akteur“, sagte Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
„Die Staats- und Regierungschefs müssen alles dafür tun, damit Mercosur im Januar abgeschlossen wird“, so Gönner. Dafür müssten einige Staaten über ihren Schatten springen.
Auch für den Verband der Automobilindustrie (VDA) ist die Verschiebung eine „schlechte Nachricht“. Die EU sende in Zeiten, in denen eine starke europäische Wirtschaft entscheidend sei, ein Zeichen der Schwäche und setze ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, kritisierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Die Welt warte nicht auf Europa. „Die Automobilindustrie in der EU ist heute stärker denn je auf eine Verbesserung des Marktzugangs in Drittländern angewiesen.“
Weltweit größte Freihandelszone geplant
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten auf ihrem Gipfel entschieden, den eigentlich für diesen Samstag geplanten Abschluss des EU-Freihandelsabkommens mit vier Mitgliedsländern des Staatenbunds Mercosur zu verschieben. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP ist nun eine Unterzeichnung am 12. Januar geplant.
Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und soll auch ein Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump setzen. Geplant ist, Zölle und Handelsbarrieren zwischen der EU und den Mercosur-Staaten weitestgehend abzubauen. Zu Mercosur gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
Während die Europäer unter anderem Autos und chemische Produkte über den Atlantik exportieren, liefern die Mercosur-Länder hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe. Widerstand gegen das neue Abkommen kommt daher vor allem von Landwirten aus mehreren EU-Ländern. Sie fürchten billige Konkurrenz aus Südamerika. Am Donnerstag gab es deshalb heftige Proteste in Brüssel.
Bundesregierung rechnet mit baldiger Unterzeichnung
Die Bundesregierung erklärte, sie rechne mit einer baldigen Unterzeichnung des Freihandelsabkommens. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagte ein stellvertretender Regierungssprecher. Es hänge noch an Italien, die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni habe um einen Aufschub gebeten.
Der stellvertretende Regierungssprecher sagte, Meloni sei es gelungen, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu überzeugen, dass es jetzt auf zwei oder drei Wochen auch nicht mehr ankomme, wenn man gut 25 Jahre an diesem Abkommen verhandelt habe. „Für uns ist wichtig: Wir wollen den Abschluss des Mercusor-Abkommens und sind deshalb sehr zufrieden damit, dass das mit diesem Europäischen Rat greifbar und realisierbar geworden ist.“ Es gehe jetzt nur noch um den Zeitpunkt.
