Die Exportnation Deutschland gerät auf dem Weltmarkt zunehmend unter Druck. China wächst, und die USA, Japan oder Südkorea investieren in Zukunftstechnologien. Für viele Unternehmen lösen sich traditionelle Handelsbeziehungen auf.
Patric Burkhart schaut noch einmal auf die Übersicht, die am Schwarzen Brett am Eingang zur Werkshalle hängt. „Zwei Anlagen gehen bald raus“, sagt er beim Blick auf die Liste. Er ist Geschäftsführer des Maschinenbauers Aura in Germersheim. In der riesigen Halle sind Hammerschläge und Fräsen zu hören. Man versteht sein eigenes Wort kaum. Mitarbeiter schweißen und schrauben an großen Anlagen, die sogenannte Prozesswärme liefern. Damit kann unter anderem Metall geschmolzen werden. Die Maschinen werden in der Industrie verwendet.
Burkhart steht vor einer fertigen Anlage, die in den kommenden Tagen nach Indien exportiert wird. Der weltweite Kundenkreis des Unternehmens wandele sich: „China ist für uns sehr wichtig. Inzwischen merken wir aber auch, dass Indien und der Mittlerer Osten für uns an Bedeutung gewinnen. Ursprünglich hatten wir gehofft, dass die USA wieder wichtiger für uns werden. Aber da sind die Exportzahlen leider rückläufig.“ Der Streit über die Zölle habe die Lage nur verschärft, die Entwicklung gehe schon seit Jahren so, erklärt Burkhart. „Auch Europa ist sehr schwach im Vergleich zur Vergangenheit. Es verändert sich viel.“
„Es verändert sich viel““: Laut Aura-Geschäftsführer Patric Burkhart (rechts) hat sich der internationale Kundenkreis des Maschinenbauers gewandelt.
Nicht-tarifäre Handelshemmnisse als Problem
Aber auch in umgekehrter Richtung hat sich für die Firma einiges getan. Burkhart läuft wenige Meter weiter zu einer anderen Anlage, die gerade von Angestellten zusammengesetzt wird. Ein besonders großes Bauteil fällt sofort ins Auge: eine Pumpe, die aus China nach Germersheim importiert wurde. „Die Qualität passt und das zu einem sehr guten Preis. Im Vergleich dazu haben wir das vergleichbare Produkt früher in Deutschland eingekauft. Das machen wir nicht mehr, da das Produkt aus China deutlich günstiger ist.“
Neben Preiskämpfen, Zöllen und immer neuen Wettbewerbern macht dem Mittelständler aus Rheinland-Pfalz aber auch ein weiterer Umstand zu schaffen: die sogenannten nicht-tarifären Handelshemmnisse. Das sind Bestimmungen in Zielländern, um Maschinen überhaupt dorthin liefern zu dürfen.
Peter Wiegerling kennt sich mit den Auflagen bestens aus. Er wickelt bereits seit vielen Jahren die Geschäfte für Aura in diesem Bereich ab. „Es gibt aus unserer Sicht immer mehr Auflagen, mit dem Ziel, den Marktstrom zu lenken – etwa in China. Man versucht, die Aufträge selbst zu ergattern, selbst abzuwickeln und so den eigenen Markt zu stärken. Das macht uns das Leben hier sehr schwer.“
Deutschland verliert Marktanteile
Autos, Maschinen und chemische Industrie – aufgrund dieser Warengruppen galt Deutschland früher als Exportweltmeister. Aber bei welchen Produkten ist Deutschland heute noch spitze? Schmerzmittel, Dünger, chemische Halbstoffe, oder optische Mikroskope. Das sagt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW). In rund 180 von 5.300 untersuchten Warengruppen liegt der deutsche Anteil am weltweiten Export im Jahr 2023 bei mindestens 30 Prozent. 2010 waren es noch 240 Warengruppen.
Wirtschaftsanalyst Daniel Stelter beobachtet diese Entwicklung seit Jahren – mit zunehmender Sorge. Der Abstieg Deutschlands als Exportnation hat für ihn mehrere Gründe: „Nach Corona entstand weltweit der Wunsch, dass Wertschöpfungsketten nicht global, sondern wieder regionaler werden. Zudem verstärkt sich der Konflikt zwischen den USA und China durch die Bildung von zwei Machtblöcken – mit Folgen für den Welthandel. Es gibt also den Trend zu Deglobalisierung. Darunter leidet ein exportorientiertes Land wie die Bundesrepublik“, sagt Stelter.
China wird zum Konkurrenten
Zudem verliere Deutschland als Standort an Wettbewerbsfähigkeit, so der Experte. „Leider ist der zurückliegende Aufschwung im vergangenen Jahrzehnt nicht genutzt worden, um in das Land zu investieren und so vorzusorgen. Wir haben seit Jahren sehr geringe Produktivitätszuwächse, also Leistung pro Stunde“, schildert Stelter. Hinzu kämen eine überbordende Bürokratie, hohe Energiepreise und eine älter werdende Gesellschaft.
Und: China sei nicht nur mehr Kunde, sondern werde auf den Weltmärkten immer mehr zum Konkurrenten, erklärt Stelter. „China war früher für deutsche Firmen eine billige Werkbank und ein guter Absatzmarkt. Mittlerweile hat China in vielen Bereichen aber gleichgezogen oder ist sogar besser geworden. Zudem verfügt das Land über günstige Energie und billige Arbeitskräfte.“
Familienunternehmer sehen keine Aufbruchstimmung
Eine aktuelle Umfrage des Verbandes der Familienunternehmer – knapp hundert Tage nach dem Start der neuen Bundesregierung – sieht noch keine echte Aufbruchstimmung. Danach erwartet mehr als die Hälfte der Firmen in den nächsten Monaten für den eigenen Betrieb keine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Mehrzahl der Unternehmen plant zudem keine zusätzlichen Investitionen. Die wirtschaftliche Trendwende lasse auf sich warten.
„Die bisher beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung führen nicht dazu, dass Unternehmen hierzulande mehr investieren“, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Er fordert: „Wir brauchen in der Politik mehr Tempo und einen deutlich breiteren Reformansatz.“ Die Hauptforderungen der Familienunternehmer: weniger Bürokratie, Modernisierung der Infrastruktur und geringere Energiepreise.
Schwierige Zukunftsaussichten
Kann Deutschland mit der neuen Bundesregierung ein Comeback auf dem Weltmarkt schaffen? Stelter sieht das eher nicht: „Die alte Exportstärke Deutschlands wird kaum wieder zurückkommen. Einige Branchen dürften sich berappeln – wie etwa der Maschinenbau. Das zu ändern, würde die Umsetzung unbequemer Reformen voraussetzen, aber das sehe ich derzeit in der Politik nicht. Nur mit neuen Schulden ist der Standort nicht zu verbessern.“
Auch wenn die Auftragslage bei der Firma Aura derzeit gut ist, der Mittelständler muss sich auf eine ständig ändernde Lage an den Weltmärkten einstellen. Frühere Gewissheiten gelten nicht mehr. Made in Germany ist keine Verkaufsgarantie. „Diesen Ruf haben wir in der Welt nicht mehr. Heute müssen wir uns das jeden Tag immer wieder neu unter Beweis stellen.“