Im Online-Handel ist der Preis längst keine fixe Größe mehr. Während variable Preise an Tankstellen, in der Hotellerie oder bei Flugbuchungen seit vielen Jahren als selbstverständlich gelten, reagieren viele Konsument:innen im E-Commerce nach wie vor mit Skepsis auf schwankende Preise. Laut einer Umfrage des nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministeriums lehnen 91 Prozent eine individuelle Preisgestaltung immer noch ab, dabei könnten sie in vielen Fällen davon profitieren.
Was unter „Dynamic Pricing“ verstanden wird, ist jedoch weit mehr als reine Marktanpassung. Dahinter steht ein komplexes Zusammenspiel aus Daten, Algorithmen und zunehmend auch künstlicher Intelligenz. Je besser die Datenlage, desto präziser lässt sich der optimale Preis bestimmen – mit dem Ziel, Umsatz, Marge und Kundenzufriedenheit zu steigern. Das Beste dabei: Die Systeme lernen stetig hinzu, indem sie mehr Marktsituationen „kennen“.
Doch die datengetriebene Preisdynamik wirft durchaus auch Fragen auf. Wenn Kund:innen auf verschiedenen Geräten unterschiedliche Preise sehen, entsteht nämlich schnell der Eindruck mangelnder Fairness. Für Händler:innen bedeutet das, dass Transparenz zum zentralen Erfolgsfaktor werden sollte. Preise, die sich in Echtzeit an Angebot und Nachfrage anpassen, können nur dann Akzeptanz auf Kund:innenseite finden, wenn sie nachvollziehbar kommuniziert werden.
Vom klassischen Dynamic Pricing zur KI-gestützten Optimierung
Traditionelles Dynamic Pricing reagiert auf marktweite Faktoren wie Nachfrage, Lagerbestände, Saisonverläufe oder Konkurrenzpreise. Künstliche Intelligenz erweitert diesen Ansatz um Machine Learning und Predictive Analytics. Sie verarbeitet große Mengen strukturierter und unstrukturierter Daten – von Klickpfaden und Verweildauer über Kaufhistorien bis hin zu Geräteinformationen, Standortdaten, Wetter oder Feiertagen.
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So lernt das System im Laufe der Zeit immer besser, wie Preisänderungen das Verhalten verschiedener Kundengruppen beeinflussen. Es simuliert Szenarien – etwa, wie sich ein Preisanstieg bei hoher Nachfrage oder ein Rabatt zum Saisonende auf den Umsatz auswirken würde – und generiert daraus optimale Preisempfehlungen in Echtzeit. Diese können auch auf unterschiedlichen Verkaufskanälen unterschiedlich ausfallen. So findet der besonders preissensible Kunde im Preisvergleichsportal einen anderen Preis als die Mobilgeräte nutzende Kundin im Webshop. Über Schnittstellen zu Online-Shops oder Marktplätzen können diese Empfehlungen automatisiert umgesetzt und, je nach Produktkategorie, mehrfach täglich angepasst werden.
Zwischen Dynamic und Personalized Pricing
Neben der allgemeinen Preisdynamik gewinnt auch das individuelle Pricing an Bedeutung. Zwei Personen können dasselbe Angebot zur gleichen Zeit sehen – und erhalten dennoch unterschiedliche Preise ausgespielt. Der eine erhält einen Rabatt, weil er häufig Kaufabbrüche tätigt; die andere sieht einen leicht höheren Preis, weil sie selten einkauft. Solche Modelle beruhen auf der algorithmischen Schätzung der individuellen Zahlungsbereitschaft. Hinzu kommen unterschiedliche Preise für Kund:innen, die eingeloggt sind.
In Deutschland sind personalisierte Preise bislang unüblich – und das dürfte auch so bleiben. Zwar ist die technische Umsetzung möglich, doch rechtliche und ethische Bedenken sowie die hohe Sensibilität der Verbraucher:innen machen eine flächendeckende Einführung unwahrscheinlich. Realistischer ist, dass Händler:innen gezielt treue Kund:innen mit besonders attraktiven Konditionen belohnen.
Warum Händler:innen auf dynamische Preisgestaltung setzen
Wie verbreitet Dynamic Pricing tatsächlich ist, lässt sich nur schwer beziffern, denn insbesondere die Händler:innen sprechen (im Gegensatz zu darauf spezialisierten Dienstleistern) ungern mit Journalist:innen über diese Praxis. Studien und Umfragen kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen – nicht zuletzt, weil vor allem große Handelsunternehmen mit vielfältigen Vertriebskanälen diese Methoden einsetzen. Für sie bietet KI klare Vorteile: Preisentscheidungen lassen sich datenbasiert treffen, Nachfrage- und Kundensegmente automatisch erkennen und Preisstrategien laufend optimieren. Gerade bei umfangreichen Sortimentsstrukturen mit tausenden oder gar Millionen Produktvarianten ist eine manuelle Preissteuerung nicht mehr möglich – und KI-Systeme übernehmen diese Aufgabe effizient und objektiv, indem sie Muster erkennen und Handlungsempfehlungen in Echtzeit ableiten.
Doch KI-basierte Dynamic- und Personalized-Pricing-Systeme verändern die Art, wie Preise entstehen. Sie schaffen Effizienz, ermöglichen datengetriebene Margenoptimierung und präzisere Kund:innenansprache. Gleichzeitig wächst die Verantwortung, Preisgestaltung transparent, fair und rechtssicher zu gestalten. Künftig wird der Erfolg solcher Systeme nicht allein von technischer Leistungsfähigkeit abhängen, sondern von der Fähigkeit der Unternehmen, Vertrauen aufzubauen und ethische Prinzipien in ihre Preisstrategien zu integrieren. Wer als E-Commerce-Player diese Balance meistert, kann die Vorteile von KI nutzen – und zugleich langfristige Kundenbeziehungen sichern.
Am Ende bleibt dennoch zu hoffen, dass nicht jede technische Möglichkeit auch ausgeschöpft wird. Wahrscheinlicher ist, dass Händler:innen gezielt jene Kund:innen mit besonderen Angeboten ansprechen, deren Verhalten auf zusätzliche Umsatzpotenziale schließen lässt – und damit ökonomische Effizienz und Kundenfairness in Einklang bringen.
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