Eine Vorbemerkung
Es geht hier um einen typischen Sachverhalt zwischen Ehepartnern von hoher praktischer Bedeutung: Ein Ehepartner überlässt dem anderen die Login-Daten für sein E-Mail-Postfach. Soweit ist der Sachverhalt alltäglich. In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken (1 U 20/24) in der Berufung entschiedenen Fall kam jedoch hinzu, dass die Ehefrau ihrem Ehemann nicht nur die Zugangsdaten ihres passwortgeschützten E-Mail Kontos willentlich offengelegt hatte, sondern dass dieser in der Vergangenheit häufig im Privaten, wie im Geschäftsverkehr deren E-Mail Konto genutzt hatte, um in ihrem Namen rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben.
Der Sachverhalt
Es geht um einen Schaden aus einem Versicherungsverhältnis der Ehefrau (Versicherungsnehmerin). Deren Ehemann hatte mit ihrem Wissen an Ortsterminen teilgenommen, Gespräche und Telefonate mit einbezogenen Unternehmen und dem Gutachter der Versicherung geführt und ersichtlich auch verhandelt. Im Rahmen der Diskussion um die Schadenshöhe wurde an den Versicherer über das E-Mail Konto der Ehefrau schließlich ein Vergleichsangebot an den Versicherer geschickt. Dieser nahm das Angebot an und zahlte einen Entschädigungsbetrag (Abfindungsvergleich).
Das Problem
Im Nachhinein empfand die Ehefrau/Versicherungsnehmerin den Entschädigungsbetrag als zu niedrig. Prozessual argumentierte sie, das entsprechende Vergleichsangebot in der E-Mail stamme nicht von ihr, sondern von ihrem Ehemann, der hierzu nicht bevollmächtigt gewesen sei. Auch sei der angebotene Abfindungsvergleich nicht mit ihr abgestimmt gewesen; sie habe hiervon keine Kenntnis gehabt.
Das Urteil
Das OLG führte dazu aus: Aus objektiver Sicht der Versicherung lag ein Angebot der Klägerin/Ehefrau als der materiell Berechtigten vor, welches die Beklagte/Versicherung angenommen hatte. Das Angebot kam vom E-Mail Account der Klägerin und war mit Ihrem Namen unterzeichnet. Die Beklagte wurde dabei über die Identität des Handelnden getäuscht. Aus ihrer Sicht wollte sie den angebotenen Abfindungsvergleich ausschließlich mit der Klägerin als ihrer Versicherungsnehmerin schließen. Den falschen Anschein hatte die Klägerin gesetzt; dies in Form der Aushändigung von Legitimationsmerkmalen durch Preisgabe ihres Passworts für die Nutzerkennung.
Danach steht für das Gericht fest, dass diese nach Rechtsscheingrundsätzen – dies in Form einer Anscheinsvollmacht – für das unter Verwendung ihres passwortgeschützten E-Mail Accounts abgegebene Angebot ihres Ehemanns auf Abschluss eines Abfindungsvergleichs einzustehen hat. Von einer Anscheinsvollmacht ist nach herkömmlicher Rechtsprechung auszugehen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters. Dabei greifen die Rechtsgrundsätze der Anscheinsvollmacht in der Regel nur dann ein, wenn das Verhalten von gewisser Dauer und Häufigkeit ist. Danach ist die Ehefrau bezüglich des Abschlusses des Abfindungsvergleichs nach diesen Grundsätzen wirksam von ihrem Ehemann vertreten worden, so das Gericht.
Die Vorinstanz
Interessant ist zunächst, dass die Vorinstanz, dass Landgericht Karlsruhe (3 O 18/22), die Klage zwar auch abgewiesen hat, allerdings mit einer anderen Begründung: Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Rechtsgeschäft, dass eine Person ohne Vertretungsmacht (Vollmacht) für eine andere vornimmt, tendenziell unwirksam. Der „Vertretene“ kann das Rechtsgeschäft aber genehmigen. Das habe die Ehefrau durch die Entgegennahme der Abfindungssumme getan.
Fazit
Das OLG hingegen orientierte sich scheinbar an einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 289/09), der entschieden hat, dass die einmalige Verwendung von ausgespähten eBay-Zugangsdaten durch einen Ehegatten nicht zu einer Anscheinsvollmacht, und damit nicht zum wirksamen Vertragsschluss, führt.
Wer also seinem Ehepartner die Zugangsdaten zu seinem E-Mail-Konto gibt und die Nutzung des E-Mail Kontos nicht kontrolliert, haftet gegebenenfalls für die vom Ehepartner vorgenommenen Rechtsgeschäfte. Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des Vertrauensschutzes haben durchaus spezifische Voraussetzungen und sind nicht verallgemeinerbar. Insofern gibt es Tendenzen, aber keine generelle Anwendung dieser Grundsätze zwischen Ehepartnern.