OLG Bamberg erklärt manipulative Gestaltung beim Ticketverkauf für unlauter – Einordnung im Lichte des § 4a UWG und des Digital Services Act
Der Begriff der Dark Patterns beschreibt manipulative Gestaltungselemente in der Benutzerführung digitaler Plattformen. Gemeint sind bewusst eingesetzte Designelemente, die Nutzer zu einer vom Anbieter gewünschten Handlung verleiten sollen – häufig ohne dass diese sich dessen bewusst sind. Solche Muster finden sich etwa bei der Cookie-Einwilligung, beim Abschluss von Zusatzleistungen oder bei der Gestaltung von Kündigungshürden.
Zwischen Marketing und Manipulation: die rechtliche Gratwanderung
Zwar ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Anbieter ihre Produkte oder Zusatzdienste ansprechend bewerben und durch Gestaltung eine positive Kaufentscheidung fördern. Die Grenze zur Unlauterkeit ist aber dort erreicht, wo die Entscheidungsfreiheit der Nutzer erheblich beeinträchtigt wird – und damit ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorliegt.
Ein prominentes Beispiel bietet das aktuelle Urteil des OLG Bamberg (Urteil vom 13.12.2023 – 3 U 86/22) zur Plattform Eventim: Dort wurde eine erneute Aufforderung zum Abschluss einer kostenpflichtigen Ticketversicherung mit suggestiver Formulierung („Ich trage das volle Risiko“) und aufdringlicher Gestaltung als Dark Pattern und damit als unlautere geschäftliche Handlung gewertet. Die Entscheidung stützt sich dabei auf § 4a Abs. 1 UWG sowie auf das in Art. 25 DSA verankerte Verbot manipulativer Designs – letzteres als Auslegungshilfe.
Dark Patterns im UWG: rechtlicher Rahmen
Das UWG kennt keine ausdrückliche Regelung zu „Dark Patterns“. Dennoch können diese Techniken je nach Ausgestaltung verschiedene Tatbestände erfüllen:
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§ 4a Abs. 1 UWG (Aggressive geschäftliche Handlung): Greift insbesondere, wenn Nutzer durch Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung zu einer Entscheidung gedrängt werden.
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§ 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Anhang (Schwarze Liste): Beispielhaft genannt sind hier u.a. unwahre Angaben über Verfügbarkeit oder versteckte Kosten (Nr. 7, Nr. 21).
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§ 5 UWG (Irreführung): Denkbar bei intransparenten Gestaltungselementen oder optisch verschleierten Abwahlmöglichkeiten.
Voraussetzungen für einen Verstoß: Erhebliche Beeinträchtigung
Die Schwelle zur Unlauterkeit wird nicht schon durch jede beeinflusste Entscheidung überschritten. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Entscheidungsfreiheit des Nutzers erheblich beeinträchtigt wird. Diese Erheblichkeit liegt etwa vor, wenn:
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Pop-Ups den Bildschirm dominieren und sich nicht ohne Weiteres schließen lassen,
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Optionen zur Ablehnung oder Kündigung versteckt, irreführend oder abschreckend formuliert sind,
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emotionale Trigger (z.B. künstliche Dringlichkeit, Schuldgefühl, Furcht) gezielt zur Durchsetzung einer Entscheidung genutzt werden.
Wird der Nutzer hingegen nur in seiner Aufmerksamkeit gelenkt (z. B. durch optische Hervorhebung eines Buttons), ohne dass seine Entscheidungsfreiheit dadurch wesentlich eingeschränkt wird, liegt regelmäßig noch kein Verstoß vor.
Bedeutung für Unternehmen
Plattformbetreiber und Online-Händler sollten ihre Nutzerführung und Gestaltungselemente kritisch prüfen. Gerade Zusatzangebote wie Versicherungen, Upgrades oder Mitgliedschaften sind häufig Gegenstand von Beanstandungen – insbesondere dann, wenn die Ablehnung erschwert oder entmutigt wird.
Ein strukturiertes Legal Design Audit unter Berücksichtigung der DSA-Vorgaben und der lauterkeitsrechtlichen Anforderungen kann helfen, Haftungsrisiken zu minimieren und Reputationsverluste zu vermeiden.
Fazit:
Dark Patterns stellen nicht nur ein rechtliches, sondern auch ein strategisches Risiko dar. Die Entscheidung des OLG Bamberg zeigt exemplarisch, wie § 4a UWG in Verbindung mit dem Digital Services Act interpretiert werden kann, um manipulativen Designelementen Einhalt zu gebieten. Unternehmen sind gut beraten, ihre digitale Kundenansprache im Lichte der aktuellen Rechtsprechung zu überdenken und auf lauterkeitsrechtlich sichere Lösungen zu setzen.