Darf der Arbeitgeber Minusstunden anordnen?
Einleitung
Stellen Sie sich vor: Ihr Chef bittet Sie ins Büro und erklärt Ihnen, dass momentan wenig zu tun ist. Deshalb sollen Sie weniger arbeiten – die fehlenden Stunden werden Ihnen als Minusstunden auf Ihrem Arbeitszeitkonto angerechnet. Bedeutet das, dass Sie später unbezahlt nacharbeiten müssen? Oder hat Ihr Arbeitgeber das Recht, Minusstunden anzuordnen?
Diese Frage betrifft sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber und führt immer wieder zu Streitfällen. In diesem Beitrag erfahren Sie, was das Gesetz dazu sagt, welche Rechte und Pflichten bestehen und wie Sie sich in einer solchen Situation verhalten sollten.
Minusstunden: Was sagt das Gesetz?
In Deutschland trägt der Arbeitgeber das sogenannte Betriebsrisiko. Das bedeutet, dass er dafür verantwortlich ist, seine Mitarbeiter zu beschäftigen. Fällt weniger Arbeit an, weil z. B. Aufträge ausbleiben oder Maschinen defekt sind, darf er nicht einfach die Arbeitszeit einseitig reduzieren und Minusstunden anordnen.
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt in § 615, dass ein Arbeitnehmer seinen Lohn weiterhin erhält, wenn der Arbeitgeber ihm keine Arbeit zuweisen kann – selbst wenn die Auftragslage schlecht ist. Arbeitnehmer haben in solchen Fällen keine Pflicht, die fehlenden Stunden nachzuholen.
Arbeitszeitkonten und Betriebsvereinbarungen
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Wenn im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag eine Regelung zu Arbeitszeitkonten existiert, können Minusstunden entstehen. In diesem Fall können Zeiten von geringer Arbeit mit Zeiten von Mehrarbeit ausgeglichen werden. Ohne eine solche Regelung sind Minusstunden unzulässig.
Außerdem hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Arbeitszeitverkürzungen. Ohne dessen Zustimmung kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit nicht einfach verringern und Minusstunden anordnen.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer wehrt sich erfolgreich
Max ist Industriekaufmann in einem mittelständischen Unternehmen. Aufgrund eines unerwarteten Auftragsrückgangs fordert sein Chef ihn und seine Kollegen auf, an mehreren Tagen zu Hause zu bleiben. Die nicht gearbeiteten Stunden werden als Minusstunden verbucht, die später nachgeholt werden sollen.
Max ist verunsichert und wendet sich an einen Anwalt für Arbeitsrecht. Der Anwalt erklärt ihm, dass sein Arbeitgeber sich im Annahmeverzug befindet, weil er die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit nicht einhält. Nach einem Gespräch mit dem Betriebsrat und einem schriftlichen Widerspruch des Anwalts erkennt das Unternehmen den Fehler an: Die Minusstunden werden gestrichen, und Max erhält sein volles Gehalt.
Lösungsmöglichkeiten & Tipps
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Vertrag prüfen: Steht im Arbeitsvertrag etwas zu Arbeitszeitkonten? Falls nicht, sind Minusstunden unzulässig.
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Mit dem Betriebsrat sprechen: In mitbestimmungspflichtigen Betrieben kann der Betriebsrat helfen, unzulässige Minusstunden abzuwehren.
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Schriftlich widersprechen: Falls Ihr Arbeitgeber Ihnen Minusstunden anrechnet, ohne dass eine Regelung besteht, legen Sie schriftlich Widerspruch ein.
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Arbeitskraft anbieten: Dokumentieren Sie, dass Sie zur Arbeit bereit sind. So verhindern Sie, dass Ihr Arbeitgeber später behauptet, Sie hätten nicht arbeiten wollen.
Fazit
Minusstunden sind nur unter bestimmten Bedingungen zulässig. Ohne eine klare vertragliche oder tarifliche Regelung dürfen Arbeitgeber keine Minusstunden anordnen. Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen und sich gegen unrechtmäßige Anordnungen wehren.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit Minusstunden gemacht? Schreiben Sie es in die Kommentare oder teilen Sie den Beitrag mit Kollegen, die davon betroffen sein könnten!