Bayern sei in den Ampel-Jahren benachteiligt worden, beklagt Ministerpräsident Söder. Mit der Regierungsbeteiligung sieht er nun die Gelegenheit, an die für den Freistaat lukrativen Jahre mit CSU-Ministern anzuknüpfen. Vor allem drei Parteimitglieder sollen dafür sorgen.
Ein Markus Söder redet nicht drumherum. Der bayerische Ministerpräsident sagt direkt, was er von seinen Leuten in der neuen Bundesregierung erwartet: Geld, viel Geld. Sie müssten „auch für Bayern etwas herausholen“. Söder hat es vor allem auf Bundesmittel in Milliardenhöhe für Hochschulen und Schienennetze abgesehen, wie er bei der Vorstellung des CSU-Personals für die Ministerien sagte.
Dieses Ziel so offen zu benennen, ist aus Söders Sicht nicht unverschämt, hat auch kein Geschmäckle. In seinem Selbstverständnis hat Bayern schlicht einen Anspruch darauf, in den nächsten vier Jahren besonders viele Investitionsmittel zu kassieren. Denn: „Wir sind in den letzten Jahren sehr benachteiligt worden von der Ampel“, sagte er. Es bestehe deshalb das große Bedürfnis, das wieder aufzuholen. Es ist ein Vorwurf, den Söder schon im Wahlkampf regelmäßig erhob, etwa mit Verweis auf die Subventionen für neue Chipwerke in Ostdeutschland.
Söder sieht in der Regierungsbeteiligung nun also die Gelegenheit, nicht nur begangenes Unrecht an den Bayern wieder gutzumachen, sondern auch an die für den Freistaat lukrativen Jahre mit CSU-Verkehrsministern anzuknüpfen.
In der künftigen Regierung sollen für die Milliarden vor allem drei CSU-Parteimitglieder sorgen: Dorothee Bär als Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt und ihre Staatssekretärin Silke Launert, sowie im Verkehrsministerium der künftige Staatssekretär Ulrich Lange.
In der Abwägung, ob die CSU den Minister für Forschung oder wieder den für Verkehr stellt, habe er sich bewusst für die Forschung entschieden, sagte Söder, als habe die Entscheidung allein in seiner Hand gelegen. Das sei ein „Mega-Ministerium“. Neben der Hochschulförderung seien die Bereiche Spiele und vor allem Raumfahrt „sehr, sehr passend für Bayern“. In Oberpfaffenhofen hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt seinen Sitz, auch die beiden Start-ups Isar Aerospace und die Rocket Factory Augsburg sitzen in Bayern.
Doch Söder wäre nicht Söder, wenn er sich in den Koalitionsverhandlungen nicht auch wieder einen Zugang zu den Milliardentöpfen des Verkehrsministeriums gelegt hätte. Auch hier machte er keinen Hehl aus seinem Motiv: „Es gibt kaum ein Ministerium, in dem in Deutschland so viel Geld in den nächsten Jahren verteilt werden kann“, sagte er.
Dass große Teile davon nach Bayern kommen, dafür soll unter dem CDU-Minister Patrick Schnieder der CSU-Staatssekretär Lange sorgen. „Wir haben Riesenherausforderungen gerade im Verkehr“, sagte Söder und zählte dann bayerische Projekte auf, die Geld vom Bund brauchen: etwa die Elektrifizierung von Strecken im Allgäu und im bayerischen Oberland, die Sachsen-Franken-Magistrale, die Zugverbindung München-Nürnberg-Prag.
„Eine ganz spezielle Art des Länderfinanzausgleichs“
In der Vergangenheit bekam Bayern vor allem für Brücken und Straßen mehr Geld vom Bund als andere Bundesländer. Eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen zeigte 2019, dass zwischen 2008 und 2018 der Freistaat überproportional von den Investitionsmitteln des Verkehrsministeriums profitierte. Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer hießen in der Zeit die CSU-Verkehrsminister.
So flossen 2018 rund zwei Milliarden und 2017 etwa 1,8 Milliarden Euro nach Bayern. In das zweitplatzierte Nordrhein-Westfalen wurden 2018 rund 1,4 Milliarden und 2017 rund 1,3 Milliarden Euro überwiesen.
„Die CSU-Verkehrsminister praktizieren eine ganz spezielle Art des Länderfinanzausgleichs: mehr Geld für Bayern, weniger für die anderen Bundesländer“, sagte damals der Grünen-Politiker Oliver Krischer gegenüber WELT. Die CSU-Minister hätten Programme bewusst so aufgelegt, dass die Mittel nicht gleichmäßig verteilt werden, sondern nach dem Windhund-Prinzip vergeben würden – wer zuerst einreicht, bekommt den Zuschlag. Programme würden grundsätzlich so zugeschnitten, dass sie besonders gut auf Bayern passten. Krischer war zu dem Zeitpunkt Vizechef der Grünen-Fraktion im Bundestag, heute ist er Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen.
Im Verkehrsministerium wies man die Kritik zurück. Die Förderkriterien seien allen bekannt gewesen und auch von allen akzeptiert worden. Auch politische Gegner mussten einräumen, dass Bayern sich bei der Vergabe von Bundesmitteln schlauer anstellte als manch anderes Land. So wurde dort nicht so stark in den Planungsabteilungen der Verwaltung gespart. Deshalb konnten Förderanträge schneller gestellt werden.
Der künftige Staatssekretär Ulrich Lange, damals Fraktionsvize der Union, ließ sich 2019 in der „Augsburger Allgemeinen“ zur Förderunwucht zwischen den Bundesländern mit der Aussage zitieren: „Gelder können nur dorthin gehen, wo sie auch wirklich verbaut werden, weil die Projekte auch entsprechend geplant sind.“ Das sei eine Frage der Logik und kein Grund für Bayern-Bashing.
Die Opposition wird wieder genau hinschauen, wenn es darum geht, in welche Teile der Republik die Mittel künftig fließen. Der Auftrag von Söder ist klar.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.