Der britische Fahrradhersteller Brompton baut seinen Faltrad-Klassiker jetzt auch mit deutlich größeren Rädern. Der Test der neuen G Line zeigt: Was nach einer Kleinigkeit klingt, hat weitreichende Effekte. Am Ende zahlt der Nutzer dafür im Alltag einen Preis.
Die Worte sind groß: Mit der G Line bringe Brompton „die größte Innovation der Marke seit 50 Jahren“. Von der „ikonischen 3-Wege-Falttechnik“, die das neue Bike vom Original geerbt habe, ist die Rede. Von Handarbeit in der Londoner Fabrik ohnehin.
Man kann es auch so sehen: Die britische Fahrradmarke, die 2025 ihr 50-jähriges Bestehen feiert, hielt an ihrem Klassiker, dem auf 16-Zoll-Laufrädern rollenden Faltrad, solange fest, dass die Ergänzung um eine 20-Zoll-Version nun umso mehr gefeiert werden kann.
Andererseits kann man Brompton die bislang konservative Produktstrategie kaum verübeln: Das kleinere Original wurde im Laufe seiner 50-jährigen Geschichte immer weiter verfeinert; der Faltmechanismus gilt als ausgereift und erlaubt ein kompaktes Faltmaß, das das Fahrrad zum Handgepäck macht. Zugleich fährt das Bike recht stabil.
Und dass das Original eine große Fangemeinde hat – ähnlichen Status in der Faltradszene genießen allenfalls noch Klassiker wie das Birdy von Riese und Müller oder das Moulton – macht große Veränderungen auch nicht einfacher. Jetzt aber die G Line.
Der Einsatzzweck: Ist das ursprüngliche Brompton ein vor allem auf das Radeln in der Stadt zugeschnittenes Produkt, soll die neue Ausführung G Line das Einsatzfeld weiten, wie es zuvor die Gravelräder bei den Rennrädern machten: Nicht nur auf glattem Asphalt soll es sich bequem fahren, sondern auch auf Schotter und Feldwegen.
Die G Line biete das Fahrgefühl eines herkömmlichen Fahrrads, wirbt Brompton. „Jetzt, da es immer mehr Menschen hinauszieht, war es an der Zeit, all das, was ein Brompton so besonders macht, so zu modifizieren, dass das Bike auch außerhalb des urbanen Umfelds auf anspruchsvollerem Terrain funktioniert“, so Brompton-Chef Will Butler-Adams laut einer Mitteilung.
Technik der Brompton G Line
Herzstück der G Line sind die 20-Zoll-Läufräder. Dies aber vor allem in Verbindung mit den Reifen. Größere Räder machen Fahrräder zwar unempfindlicher gegenüber Schlaglöchern und Co., da sie mit größerem Durchmesser besser über Vertiefungen hinwegrollen.
Doch spielen Profil und Breite bei der Geländegängigkeit eine entscheidende Rolle. So hat Brompton Pneus in den Dimensionen von 20 x 2,1 Zoll ans Rad gebracht – in puncto der Breite von gut 5,3 Zentimetern die Kragenweite von Gravelbikes, die sich im leichten Gelände bewähren und sich ebenfalls eine Fangemeinde erarbeitet haben. Das 16-Zoll-Brompton dagegen rollt klassisch auf viel schmaleren Gummis.
Zweite Innovation sind die hydraulischen Scheibenbremsen. Auch diese gab es an einem Brompton noch nie. Sie seien „entwickelt für jedes Terrain und jedes Wetter“, so Brompton.
Eine klare Übertreibung mit einem wahren Kern und technologischer Folgerichtigkeit: Denn wo Felgenbremsen bei Nässe oder Verschmutzung durch Matsch schon mal an Funktion einbüßen, bleiben Scheibenbremsen standhaft.
Neuentwickelt wurde auch der Rahmen, wenngleich der einer größer-gezoomten Version des Originals gleicht, denn am Faltmechanismus und damit der DNA der Briten wurde grundsätzlich festgehalten.
Das Faltmaß (H x L x B) ist damit gewachsen: 69 x 73 x 40,2 cm in der Größe Small bei der G Line stehen 58,5 x 56,5 x 27 cm des Originals entgegen, und es gibt eine Gewichtszunahme von je nach Ausführung mehreren Kilos zu verzeichnen: 13,9 Kilogramm bringt die G Line wenigstens auf die Waage.
Die Änderungen liegen auch im Detail. So ist der Lenker breiter als zuvor (und bietet mehr Kontrolle über das Fahrgeschehen).
À la Gravelbike wurde das Neue mit breiten Plattformpedalen für besseren Halt bestückt. Den Lenkergriffen spricht Brompton einen leichten Dämpfungseffekt zu.
Fahreindruck von der Brompton G Line
Surrende Reifen wie bei einem grobstolligen MTB oder einem Gravelbike, das kannte man von einem Bromptom bislang nicht. Doch zur ersten Ausfahrt aufgesattelt, sind die Fahrgeräusche auf trockenem Asphalt kaum zu überhören. Sie bedeuten zwar eine prinzipiell höhere Reibung, doch der Leichtgängigkeit kann das offenbar nichts anhaben.
In der Stadt fährt sich die G Line agil und wie geschmiert; auf langen Pendelstrecken erreichten wir Durchschnittsgeschwindigkeiten von an die 25 Kilometern pro Stunde, ohne dass sich der Kraftaufwand gegenüber einem gut laufenden Cityrad höher anfühlte – anders als beim 16-Zoll-Brompton auf gleicher Strecke.
Raus aus der City: Erreicht man Gefilde mit Sand und Schotter, kommt die Innovation zum Tragen. Vergraben sich die Räder des Originals auf sandigen Grund nahezu oder stellen sich bei leichten Lenkbewegungen schon mal quer, rollen die 20-Zöller einfach weiter.
Zur Wahrheit zählt auch: 20-Zoll-Falträder sind keine Neuerfindung. Am Markt sind Konkurrenzmodelle wie das Vello Gravel (Faltmaß: H: 57 cm x L: 79 cm x B: 29 cm) oder das Tern BYB (35 cm × 81 cm × 52 cm).
Die Spurtreue eines MTB kann man von der G Line zwar nicht erwarten, dass sich die Geländetauglichkeit aber noch verbessert, sobald man die Tubeless-ready-Reifen schlauchlos und mit geringerem Luftdruck fährt, aber schon. Über Schotter fährt sich das Brompton weit gedämpfter als das oft mit sechs bar und mehr aufgepumpte Original – ob an diesem Effekt neben den breiteren Reifen die Griffe teilhaben, lässt sich schwer sagen.
Kritikpunkt ist der Vorbau: Da Steuerrohr und Lenker zusammen immer noch ziemlich lang sind, ist der „Flex“-Effekt gegeben. Heißt: Je nach Krafteinwirkung verwindet sich das Gestänge leicht – etwa, wenn man bei Bergauffahrten am Lenker „zerrt“. Das ist für Brompton-Neulinge gewöhnungsbedürftig und schmälert das gute Gefühl, mit dem breiten Lenker eigentlich alles im Griff zu haben.
Und natürlich zerrt das Gewicht des Pakets am Arm, wenn die G Line zusammengelegt ist. Der Faltmechanismus funktioniert zwar ähnlich verlässlich und ist so schnell erlernbar wie beim Original, doch für den intermodalen Einsatz – also der Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln – ist die Innovation auch sperriger und unhandlicher.
Nur fährt die größere G Line im öffentlichen Verkehr nicht immer ticketlos wie ein Gepäckstück mit: Brompton empfiehlt, sich bei den Verkehrsverbünden vorab zu informieren: „Offizielle Regelungen beziffern verschiedene Regulierungen, je nach Verkehrsbund und Anbieter. Manche sprechen von 20 Zoll, einige von 16 Zoll und andere beschränken sich auf das zusammengefaltete Maß“, so ein Sprecher. Praktisch ist zumindest, dass sich das zusammengefaltete Rad am ausgezogenen Sattel wie ein Trolley ziehen oder schieben lässt.
Weitere Bauteile, Zubehör, Peripherie
Brompton würde nicht mit der Zeit gehen, gäbe es die G Line nicht auch in der Pedelec-Version. Beim E-Bike (ab 19,5 Kilo) sorgt ein 250-Watt-Nabenmotor für Unterstützung am Hinterrad, die Energie dafür liefert ein Akku mit 345 Wh. Eine Akkuladung reicht laut Hersteller für 30 bis 60 Kilometer.
Verbaut ist dann eine Viergang-Nabenschaltung gegenüber der Achtgang-Version am nicht motorisierten Bike. Bestellen kann man dieses nackt; Schutzbleche, Taschen, Trinkflaschen, Beleuchtung und ein spezielles Toolkit kosten einen Aufpreis.
Brompton verlangt für sein G Line ab 2849 Euro, mit Gepäckträgern und Schutzblechen 2969 Euro, mit Licht 2959 Euro, mit Licht und Gepäckträger 3079 Euro. Für Electric G Line muss man 3999 Euro zahlen.
Fazit: Die Idee, das Terrain zu erweitern, geht dank des neuen Konzepts auf. Doch zahlt man einen Preis dafür: Weil Faltmaß und Gewicht zunehmen, eignet sich die G Line weniger für den Pendleralltag in Kombination mit Bus und Bahn. So muss sich letztlich der Kunde zwischen Tradition und Innovation entscheiden.
Stefan Weißenborn, dpa/jk