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Anleger ziehen ihr Geld aus dem Bitcoin, der ältesten Krypto-Währung. Dahinter steckt ein Mix aus Unsicherheitsfaktoren. Wie weit geht es noch abwärts?
In der Nacht von Montag auf Dienstag ist der Bitcoin zeitweise unter die Marke von 90.000 Dollar gerutscht. Damit setzt die älteste Krypto-Währung die Talfahrt fort, die sich bereits Ende vergangener Woche beschleunigt hatte.
Erst am Donnerstag war der Bitcoin unter 100.000 Dollar gerutscht. Noch Anfang Oktober hatte er bei gut 126.000 Dollar ein Rekordhoch erreicht.
Anleger werden risikoscheuer
Krypto-Experte Timo Emden erklärt den plötzlichen Kurs-Rutsch mit einem „Cocktail aus makroökonomischer Unsicherheit, institutionellen Mittelabflüssen sowie klassischen Gewinnmitnahmen“. Zusammen treibe das derzeit den Ausverkauf bei Bitcoin.
Anleger befinden sich laut Emden im „Risk-off-Modus.“ Sie kehrten riskanten Anlagen den Rücken zu und strichen lieber Gewinne ein, so Emden.
US-Shutdown wirkt nach
Das hängt laut Marktbeobachtern auch mit einer Unsicherheit über den aktuellen Zustand der US-Wirtschaft zusammen. Wegen des 43-tägigen Stillstands der US-Behörden im Zuge des Haushaltsstreits fehlten wichtige Konjunktur-Daten. Denn deren Veröffentlichung wurde nach hinten verschoben.
Anleger tappten derzeit im Dunkeln, was zur allgemeinen Verunsicherung führe. „Die zuletzt trügerische Ruhe ist mit Zustimmung zum Übergangshaushalt in den USA postwendend in Nervosität umgeschlagen,“ so fasst Krypto-Experte Emden die aktuelle Stimmung am Markt zusammen.
Angst vor Liquiditäts-Engpässen
Ein weiter Grund für den Ausverkauf am Krypto-Markt ist die Unsicherheit über den weiteren geldpolitischen Kurs der US-Notenbank Fed. Weniger als die Hälfte der Marktbeobachter gehen laut „Fed Watch Tool“ derzeit von einem weiteren Zinssenkungsschritt im Dezember aus.
Das schürt die Sorge vor Liquiditätsengpässen, also weniger „billigem Geld“ auf dem Markt, das investiert werden kann. Die Aussicht auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik hatte die Kurse bei Bitcoin und Co zuvor beflügelt.
Chefmarktanalyst Jochen Stanzl von der Consorsbank sieht hier aber auch viel Psychologie im Spiel. Ob die Fed die Zinsen nun im Dezember oder im Januar senke, sei nicht ausschlaggebend, so Stanzl gegenüber tagesschau.de. Für das kommende Jahr seien bereits drei weitere Zinsschritte eingepreist.
Hohe Verluste bei Privatanlegern
Dennoch scheint die Sorge vor einem Zögern der Fed die Marktstimmung zu beeinflussen. Anleger ziehen ihr Geld aus risikoreichen Assets wie dem Bitcoin ab. Marktbeobachter Stanzl sieht auch einen engen Zusammenhang zum aktuellen Abverkauf der Tech-Werte.
Die allgemeine Börsenregel „buy the Dip“ – also Nachkaufen, wenn die Kurse fallen – ziehe derzeit nicht. Stanzl vermutet dahinter hohe Verluste bei Privatanlegern, die sich bei kreditfinanzierten Investitionen in Bitcoin und Co. verhoben hätten.
Darauf deutet laut Stanzl die Zahl der Wertpapierkredite in den USA hin, die zugenommen habe: ein Zeichen dafür, dass viele Privatanleger auf Pump gekauft und auf weiter steigende Kurse bei Bitcoin und KI-Aktien gehofft hätten. Allerdings blieb die Erholung nun aus, und ein weiteres Nachkaufen sei vielen Anlegern dadurch nicht möglich, so die Einschätzung Stanzls.
Eher Gewinnmitnahmen als Vertrauensverlust?
Viele Anleger nehmen derzeit bei den fallenden Kursen auch schlicht Gewinne mit, so Kryptomarkt-Experte Emden gegenüber tagesschau.de. Die Frage nach einem Vertrauensverlust beantwortet er mit „jein“. Die Geschwindigkeit des jüngsten Rückgangs zeige, wie angeschlagen das Vertrauen in Bitcoin mittlerweile ist, was nicht zuletzt als Weckruf verstanden werden dürfe, so Emden.
„Viele Anleger haben offensichtlich unterschätzt, wie sehr Bitcoin inzwischen Spiegelbild der globalen Risikobereitschaft geworden ist.“ Die anhaltende Zinsunsicherheit wirke wie ein Hemmschuh für den Kryptomarkt.
Weiterhin hochspekulativ und längst kein Nischenprodukt mehr
Damit ist aus Sicht von Stanzl die These widerlegt, der Bitcoin sei ein Inflationsschutz und sei unabhängig von anderen Werten und geopolitischen Entwicklungen. Stanzl hält den Bitcoin weiterhin für hoch spekulativ – die Sorge vor einem Platzen der Technologie-Aktien hinterlasse derzeit auch Spuren beim Bitcoin.
„Der Bitcoin ist mittlerweile an der Wall Street etabliert und längst kein Nischenprodukt mehr“, so sieht es Bitcoin-Experte Emden. Doch auch nach seiner Einschätzung wäre ein Rutsch zurück auf 80.000 Dollar „nicht allzu überraschend“. Anzeichen für eine Trendwende sieht er bis dato nicht.

