Der chinesische Billiganbieter Shein hat ausgerechnet im Pariser Traditionskaufhaus BHV ein Ladengeschäft eröffnet. Bei vielen Franzosen sorgt das für Entrüstung. Geht die Image-Aktion nach hinten los?
Zumindest nach außen ist das BHV sichtbar stolz auf die Kooperation. Schwarze Fahnen zieren die Fassade des Kaufhauses mitten in Paris, darauf der weiße Schriftzug: Shein. Die Passantin Adèle hat eine klare Meinung dazu: „Das ist schrecklich. Das macht sogar Angst.“
Mit dem chinesischen Online-Händler Shein verbindet die junge Frau vor allem eins: ausufernden Konsum. „Wer dort shoppt, der weiß doch, dass er oder sie hauptsächlich Plastik kauft“, sagt sie. „Wenn in einer Stadt wie Paris, wo sonst immer versucht wird, das ‚Made in France‘, lokale Produktion und kleine Handwerksbetriebe zu unterstützen, Shein in solche Kaufhäuser einzieht, dann macht mich das echt traurig.“
Jean-François sieht das ein bisschen anders; seine Töchter kauften auch bei Shein, sagt er. „Für manche ist das sicher gut – Menschen, die nicht so viel Geld haben, werden sich darin wiederfinden. Aber das ist schon ein etwas unfairer Wettbewerb. Ich weiß nicht genau, wie sie in China ihre Kleidung produzieren, aber sicher nicht wie hier. Für die französischen Hersteller ist das also ziemlich unfair.“
„Eine Frechheit, eine Provokation“
Der Standort im Pariser Kaufhaus BHV ist das erste dauerhafte Ladengeschäft von Shein weltweit. Und seit die Zusammenarbeit öffentlich wurde, reißt die Kritik nicht ab. Arielle Lévy ist Designerin und hat die Organisation „Eine andere Mode ist möglich“ gegründet, die sich für nachhaltigere Modeherstellung einsetzt. Die von ihr gestartete Online-Petition hat mittlerweile fast 120.000 Unterschriften. Für Arielle Lévy ist der Shein-Shop schlicht: eine Frechheit.
„Es ist eine Provokation gegenüber den französischen Gesetzen, eine ethische, ökologische Provokation, und auch eine Provokation gegenüber den Bürgern“, sagt sie.“Das BHV liegt direkt am Rathaus, das auch den Staat und die Institutionen repräsentiert. In einer Stadt, die sich seit 15 Jahren für Klimaschutz einsetzt.“
Symbol für Umweltverschmutzung und Sozialdumping?
Billige Wegwerf-Mode, unwürdige Arbeitsbedingungen und unfairer Wettbewerb: Für Kritiker wie Arielle Lévy ist Shein zu einem Symbol für Umweltverschmutzung und Sozialdumping geworden. „Warum ausgerechnet jetzt ein Ladengeschäft? Noch dazu, wo Frankreich ein Gesetz gegen Ultra-Fast-Fashion auf den Weg gebracht hat – das außerdem schon entschärft wurde?“, sagt sie. „Für mich steht Shein für alle Entgleisungen bei der Herstellung von Mode. Die Niederlassung ist eine Art zu sagen, dass sich das Unternehmen nicht um das französische Gesetz schert; eine Art zu zeigen, dass Geld alles kaufen kann.“
Kurz vor der Eröffnung des Ladens im BHV kam heraus, dass die Kunden bei Shein online auch Sexpuppen kaufen konnten – mit eindeutig kindlichen Gesichtszügen. Die Beschreibung dieser Puppen auf der Website lasse nur schwer Zweifel an deren „kinderpornografischem Charakter“ zu, schreibt die französische Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde. Der Fall wurde an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Eine Marke – und eine Plattform
Shein hat „totale Transparenz“ bei der Zusammenarbeit mit der französischen Justiz angekündigt und den Verkauf der Puppen auf der Seite gestoppt. Laut dem Unternehmen sind die Puppen über Drittanbieter auf der Seite gelandet.
Shein-Sprecher Quentin Ruffat sprach im Sender RMC von „internen Missständen“ – versuchte aber auch, die Verantwortung des Unternehmens zu relativieren. „Es entschuldigt zwar nicht alles, muss aber unterstrichen werden: Man muss unterscheiden zwischen der Marke Shein, die Kleidung anbietet und für eine nachfrage-basierte Produktion steht – und Shein als Plattform, die Drittanbieter und Kunden zusammenbringt. Das muss man klar trennen“, sagte er dem Sender.
Wirtschaftsminister droht mit Konsequenzen
Wirtschaftsminister Roland Lescure drohte, sollten solche Verstöße weiterhin vorkommen, werde sich die Regierung dafür einsetzen, Shein den Zugang zum französischen Markt zu verbieten.
Für Shein dürfte der Einzug ins BHV – mitten in der Mode-Metropole Paris – auch ein Versuch sein, das Image der Marke zu polieren. Für das finanziell angeschlagene Kaufhaus allerdings scheint der Deal nach hinten loszugehen: Mehrere Marken haben angekündigt, sich aus dem BHV zurückzuziehen. Zuletzt hatte Disney die Weihnachts-Kooperation mit dem BHV platzen lassen.
Und auch viele Pariserinnen und Pariser dürften sich von dem traditionsreichen Einkaufstempel abwenden. Zumindest für Hélène und Magali steht fest: „Nein, wir wollen in Zukunft nicht mehr im BHV einkaufen.“

