a. HWS-Verletzungen (Verletzungen der Halswirbelsäule)
Der Nachweis einer unfallbedingten „Verletzung“ der HWS (Distorsion, Prellung oder Zerrung der HWS mit strukturellen Veränderungen, Mikrotrauma) ist wegen des häufigen Fehlens objektiver, insbesondere bildgebender Befunde, schwierig und damit auch die Durchsetzung entsprechender Ansprüche.
Während früher die Haftpflichtversicherungen sehr großzügig ein daran anknüpfendes Schmerzensgeld auch ohne Befundlage auszahlten, entsteht heute an diesem Punkt immer wieder Streit.
Für die Entstehung einer Distorsion der Halswirbelsäule ist eine erhöhte, unphysiologische Belastung notwendig, die durch eine übermäßige Geschwindigkeitsänderung bzw. Lageveränderung des Kopfes des Geschädigten gegenüber dessen Oberkörper hervorgerufen wird.
Hierbei kommt es dann zu Scher-, Druck-, und Zugkräften, die jenseits der (individuellen) biomechanischen Toleranzgrenzen der Halswirbelsäule liegen können. Diese können auch indirekt durch eine übermäßige Vorwärtsbewegung des Kopfes (Hyperflexion) oder durch eine übermäßige Rückwärtsbewegung des Kopfes (Hyperextension) oder durch eine seitliche Flexion (sowie einer Kombination der einzelnen Flexionen) hervorgerufen werden.
Verantwortlich für die HWS-Distorsion sollen hierbei vor allem die dabei entstehenden Scherkräfte innerhalb der HWS sein, welche durch die Beschleunigung des Kopf-Hals-Systems veranschaulicht werden können und auch eine schlagartige Druckerhöhung („blood-hammer“) innerhalb der in der HWS verlaufenden Gefäße hervorrufen (Auer/Krumbholz, NZV 2007, 273).
Wird z.B. auf einen haltenden oder stehenden Pkw mit großer Wucht von hinten aufgefahren, erleidet der Führer des angefahrenen Pkw typischerweise die beschriebene Schleuderbewegung des Kopfes.
Es wird daher vertreten, dass das Vorliegen eines, für eine HWS-Distorsion typischen, Verletzungsmechanismus zum Nachweis der unfallbedingten Körperverletzung unter Umständen schon ausreichen könnte (Dannert NZV 1999, 453, ZfS 2001, 2).
In der Rechtsprechung wird hingegen dieser vereinfachende Weg zur Feststellung der Primärverletzung nur vereinzelt eingeschlagen (LG Lübeck, ZfS 2000, 436); in der Regel wird diese Frage noch nicht einmal problematisiert.
Für den Betroffenen hat diese Frage oft prozessentscheidende Folgen, weil der grundsätzliche Nachweis einer sonstigen (HWS-)Verletzung damit in der Regel weiterhin dem Maßstab des § 286 ZPO unterliegt und somit der volle Beweis für das Vorliegen einer Primärverletzung erbracht werden muss.
Besser gelingt in der Praxis der Nachweis der Kopfschleuderbewegung durch ein biomechanisches Sachverständigengutachten. Der Geschädigte kann dann an seine nachgewiesene heftige Kopfschleuderbewegung (als somit nachgewiesene Primärverletzung), die daraus resultierenden Kopfschmerzen und weiteren Beschwerden lediglich nach dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab des § 287 ZPO anknüpfen lassen und somit nachweisen.
Die in Anlehnung an Erdmann (Schleuderverletzung der Halswirbelsäule, Erkennung und Begutachtung, 1973) vorgenommene Unterscheidung dem Schweregrad nach, erfolgt wie Folgt:
Grad I: leichte Fälle mit Nacken-Hinterkopfschmerz und geringer Bewegungseinschränkung der HWS, kein röntgenologisch und neurologisch abnormer Befund, unter Umständen längere Latenzzeit
Grad II: mittelschwere Fälle mit röntgenologisch feststellbaren Veränderungen der HWS (z.B. Gefäßverletzungen oder Gelenkkapseleinrissen), Latenzzeit maximal 1 Stunde
Grad III: schwere Fälle mit Rissen, Frakturen, Verrenkungen, Lähmungen und ähnlichen schweren Folgen, keine Latenzzeit
Diese Einteilung kann für eine erste generelle Einschätzung des zu erwartenden Verletzungsverlaufes herangezogen werden, besagt aber letztlich nichts über den konkreten Heilungsverlauf im Einzelfall.
b. PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung)
Die nach Verkehrsunfällen beschriebenen psychischen Störungen sind zahlreich.
Es gibt zudem Mischformen, die sich einer klaren Katalogisierung entziehen (OLG Koblenz NJW-RR 2004, 1318).
In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung war früher eher allgemein die Rede von „psychischen Folgeschäden“, „Aktual- oder Unfallneurosen“, „Wesensveränderung“, „Konversionsneurosen“ und „Depressionen“ (BGH NJW 1979, 1935; VersR 1986, 240; VersR 1993, 589; NJW 1993, 1523; NZV 1998, 65).
In neuerer Zeit taucht zunehmend der Begriff der „Posttraumatischen Belastungsstörung“ (PTBS) auf. PTBS wird mittlerweile als eine der häufigsten psychischen Störungen nach Verkehrsunfällen bezeichnet (Clemens/Hack/Schottmann/Schwab, DAR 2008, 9).
Sie wird in der Klassifikation ICD 10, die von der WHO erstellt und für die psychologische und psychotherapeutische Diagnostik verbindlich ist unter F.43.1 definiert.
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