Viele Menschen, die in Deutschland leben, arbeiten und ihre Zukunft planen, haben Angst vor einem Szenario: Ein Fehler, ein Moment der Unachtsamkeit oder eine falsche Entscheidung – und plötzlich steht nicht nur eine strafrechtliche Verurteilung im Raum, sondern auch die Existenz in Deutschland auf dem Spiel.
Ob Körperverletzung, Diebstahl, Betrug oder ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz – eine Vorstrafe kann erhebliche Auswirkungen auf Ihren Aufenthaltstitel haben. Oft drohen:
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Widerruf oder Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis
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Versagung der Niederlassungserlaubnis
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Verlust der Einbürgerungschancen
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Abschiebung in das Herkunftsland
In diesem umfassenden Ratgeber erkläre ich Ihnen präzise und laienverständlich, was Sie wissen müssen, wie Sie handeln sollten und wie Sie sich mit anwaltlicher Unterstützung schützen können.
Was bedeutet Vorstrafe überhaupt?
Eine „Vorstrafe“ ist eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung. Sie wird in das Bundeszentralregister eingetragen. Ob die Verurteilung auch im Führungszeugnis erscheint, hängt von Höhe und Art der Strafe ab.
Wichtige Begriffe:
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Verurteilung: Ein Gericht hat Sie rechtskräftig schuldig gesprochen.
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Eintragung ins Führungszeugnis: Geldstrafen ab 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen erscheinen i.d.R. im Führungszeugnis.
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Tilgungsfristen: Nach einer bestimmten Zeit wird die Eintragung gelöscht – aber nicht immer rechtzeitig für Ihren Aufenthaltstitel.
Welche Straftaten gefährden den Aufenthalt?
Es gibt keine pauschale Regel, dass jede Straftat automatisch zur Ausweisung oder Versagung führt. Das Ausländerrecht unterscheidet jedoch zwischen:
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Geringfügigen Verstößen (z.B. einmalige kleine Diebstähle)
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Erheblichen Straftaten (z.B. Körperverletzung, BtMG-Verstöße, Sexualdelikte)
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Wiederholten Verstößen (Mehrfachdelinquenz)
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Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
Je nach Art, Schwere und Häufigkeit bewertet die Ausländerbehörde, ob Ihr weiterer Aufenthalt „im öffentlichen Interesse“ liegt.
Typische Beispiele aus der Praxis:
Delikt | Folge für Aufenthaltserlaubnis |
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Erstmaliger Ladendiebstahl (Wert <50€) | i.d.R. keine unmittelbare Ausweisung |
Betrug in mehreren Fällen | hohes Risiko für Widerruf / Ausweisung |
Gefährliche Körperverletzung | Regelmäßig Widerruf oder Versagung der Verlängerung |
BtMG-Besitz kleiner Mengen | Einzelfallentscheidung – Risiko steigt bei Wiederholung |
Sexualdelikte | hohe Wahrscheinlichkeit für Aufenthaltsbeendigung |
Rechtsgrundlagen: Wo steht das alles?
Widerruf der Aufenthaltserlaubnis:
Ausweisung wegen Straftaten:
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§ 53 AufenthG (Ausweisung nach Ermessen)
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§ 54 AufenthG (Regelausweisung bei bestimmten Straftaten)
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§ 55 AufenthG (Bleibeinteresse)
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§ 56 AufenthG (Schutz vor Ausweisung in besonderen Fällen)
Sondervorschriften zur elektronischen Überwachung etc.:
Wann wird die Aufenthaltserlaubnis widerrufen oder nicht verlängert?
Häufige Konstellationen:
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Ihre Strafe überschreitet eine „Erheblichkeitsschwelle“.
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Die Ausländerbehörde geht davon aus, dass Sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.
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Sie wurden wiederholt straffällig.
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Sie haben gegen aufenthaltsrechtliche Pflichten (z.B. Mitwirkungspflichten) verstoßen.
Regel-Ausweisung (§ 54 AufenthG):
Die Ausländerbehörde muss Sie in der Regel ausweisen, wenn:
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Sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurden.
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Sie innerhalb von fünf Jahren mehrfach wegen vorsätzlicher Straftaten verurteilt wurden.
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Sie eine Straftat nach dem BtMG in nicht geringer Menge begangen haben.
Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Bewährung – worauf kommt es an?
Grundsätzlich:
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Freiheitsstrafe über 2 Jahre: Regel-Ausweisung
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Freiheitsstrafe unter 2 Jahren: Ermessens-Ausweisung
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Geldstrafe ab 90 Tagessätzen: gilt oft als erhebliche Straftat
Wichtig: Auch eine Strafe auf Bewährung wird voll mitgerechnet.
Beispiele:
Ab wann droht die Abschiebung?
Die Abschiebung erfolgt regelmäßig nach einer Ausweisung. Vorher erhalten Sie:
Fristen sind oft knapp: Nach Zustellung kann bereits binnen weniger Wochen die Abschiebung drohen. Hier hilft nur sofortiger anwaltlicher Eilrechtsschutz.
Wie wirkt sich eine Vorstrafe auf die Einbürgerung aus?
Viele Mandanten sind überrascht: Auch kleinere Strafen verhindern die Einbürgerung oft für Jahre. Nach § 10 StAG wird nur eingebürgert, wenn Sie:
Gibt es Schutz vor Ausweisung und Abschiebung?
Ja. § 56 AufenthG schützt insbesondere:
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Menschen mit langer Aufenthaltserlaubnis
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In Deutschland geborene oder aufgewachsene Personen
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Menschen mit deutscher Familie oder minderjährigen Kindern
Aber: Der Schutz ist nicht absolut. Schwere Straftaten brechen diesen Schutz oft auf.
Wie kann ein Anwalt helfen?
Ein spezialisierter Rechtsanwalt prüft:
- Ob die Ausweisung rechtmäßig ist
- Ob die Behörde Ihr Ermessen korrekt ausgeübt hat
- Ob Sie besonderen Schutz nach § 56 AufenthG genießen
- Ob formale Fehler vorliegen (z.B. fehlende Anhörung)
- Ob Eilrechtsschutz möglich ist
Checkliste: Was sollten Sie tun?
- Ruhe bewahren – keine unüberlegten Aussagen machen
- Strafbefehl oder Urteil sofort prüfen lassen
- Aufenthaltsrechtliche Folgen prüfen lassen
- Fristen für Rechtsmittel einhalten
- Rechtsschutzversicherung kontaktieren
- Beratungsgespräch mit einem spezialisierten Anwalt vereinbaren