Stand: 22. Mai 2025
Wird bei einer Darmspiegelung (Koloskopie) der Darm verletzt und die Perforation nicht rechtzeitig erkannt, liegt häufig ein grober Behandlungsfehler vor. Die Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ verlangt eine klare Risikoaufklärung, sorgfältige Technik und rasches Handeln bei Komplikationen. Bei Abweichungen bestehen gute Chancen auf Schmerzensgeld und Schadensersatz im Rahmen eines Vergleichs.
Warum Darmperforationen nach Koloskopie nicht einfach „Schicksal“ sind
Die Darmspiegelung ist ein etablierter Eingriff zur Krebsfrüherkennung. Komplikationen wie eine Perforation der Darmwand sind selten, aber schwerwiegend. Nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften muss jede Koloskopie unter Sicht, mit minimalem Druck und nach Rücksprache über Vorerkrankungen durchgeführt werden.
Die Leitlinie zum kolorektalen Karzinom verlangt außerdem, dass bei plötzlich einsetzenden Bauchschmerzen oder Kreislaufproblemen unverzüglich eine CT-Untersuchung erfolgen muss.
Wird dies versäumt, verschlechtert sich die Prognose – aus einem beherrschbaren Risiko wird ein juristisch relevanter Behandlungsfehler.
Was einer unserer Mandanten erlebte
Ein 63-jähriger Patient aus Hamburg ließ eine ambulante Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge durchführen. Direkt im Aufwachraum klagte er über starke Bauchschmerzen und Übelkeit. Die behandelnde Praxis wertete das als „normale Reaktion“ auf das Sedativum.
Erst nach über sieben Stunden – als Fieber und ein aufgeblähter Bauch hinzukamen – wurde der Mann in ein Krankenhaus überwiesen. Dort ergab das CT eine freie Luftblase im Bauchraum: eine sigmoidale Perforation mit beginnender Bauchfellentzündung.
Nach Not-OP und Anlage eines künstlichen Darmausgangs kontaktierte die Familie unsere Kanzlei, um Schmerzensgeldansprüche und weiteren Schadensersatz durchzusetzen.
Medizinischer Standard laut Leitlinie
Die S3-Leitlinie fordert bei jedem Koloskopie-Patienten vorab eine sorgfältige Risikoaufklärung inklusive möglicher Perforation und deren Symptome. Intraoperativ ist auf langsames Vorschieben und durchgängige Sichtkontrolle zu achten. Bei Verdacht auf Perforation muss die CT-Bildgebung unmittelbar erfolgen – idealerweise innerhalb von 60 Minuten.
Im Fall unseres Mandanten unterblieb nicht nur die sofortige Diagnostik, sondern auch die frühzeitige Krankenhauseinweisung.
Zudem war die OP-Dokumentation lückenhaft – ein Verstoß gegen gleich mehrere Leitlinienanforderungen.
Grober Behandlungsfehler – Haftung der Praxis
Ein Sachverständiger stufte das verzögerte Erkennen und die mangelhafte Dokumentation als groben Behandlungsfehler ein. Die Praxis hätte die Beschwerden sofort ernst nehmen und zumindest eine CT-Untersuchung einleiten müssen. Wegen des groben Fehlers kehrte sich die Beweislast um (§ 630h BGB).
Die Haftpflichtversicherung der Praxis erkannte die Arzthaftung an. Nach Verhandlung durch unsere Kanzlei wurde ein Abgeltungsvergleich in Höhe von 95.000 Euro geschlossen – zur vollständigen Abgeltung des Schmerzensgeldes und sämtlicher Folgekosten (Not-OP, Stoma-Versorgung, Berufsunfähigkeit).
Welche Schadenspositionen ersetzt wurden
Neben dem Schmerzensgeld enthielt die Einmalzahlung auch die vollständige Erstattung der Krankenhaustagegeldpauschale, der Reha-Kosten und der Verdiensteinbuße für mehrere Monate. Zusätzlich wurde der Umbau der häuslichen Toilette mit berücksichtigtem Pflegehilfsmittelbedarf abgegolten. Alle Ansprüche wurden im Vergleich endgültig abgegolten.
So sichern Sie Ihre Ansprüche
Fordern Sie umgehend alle Behandlungsunterlagen an – Koloskopiebericht, Sedierungsprotokoll, Aufklärungsbogen und postoperative Dokumentation. Notieren Sie präzise, wann Beschwerden auftraten, wie darauf reagiert wurde und wann Sie das Krankenhaus aufsuchten.
Ein Fachanwalt für Medizinrecht vergleicht Ihre Unterlagen mit der Leitlinie, prüft die medizinische Standardsituation und berechnet Ihre Schadenspositionen. Die dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem Sie von dem Behandlungsfehler Kenntnis erlangt haben.
Je früher Sie handeln, desto besser lassen sich die Ansprüche sichern.
Autor: Christoph Theodor Freihöfer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Master of Laws Medizinrecht, Inhaber der Kanzlei Freihöfer – Ihr Patientenanwalt