Sie verkaufen irgendein dubioses Produkt. Sagen wir, Kundenadressen (Leads), von denen Sie Ihrem gewerblichen Vertragspartner versprechen, dass es sich dabei ausschließlich um exklusive Top-Adressen handelt. Alles Kunden, die unbedingt die Waren oder Leistungen Ihres Vertragspartners (Betrugsopfers) haben wollen.
Tatsächlich taugen Ihre Leads wenig bis gar nichts. Die angeblichen Kunden gibt es gar nicht, oder sie haben kein Interesse am Kauf der Waren Ihres Vertragspartners oder die Leads sind jedenfalls nicht exklusiv, sondern Sie vermarkten sie an jeden, der auf Ihre Masche hereinfällt.
Wie schirmen Sie sich in diesem Fall am besten vor einer zivilrechtlichen und strafrechtlichen Inanspruchnahme/Verfolgung ab? Ich sage es Ihnen – nicht in Ihrem Interesse, sondern damit mögliche Betrugsopfer die Masche erkennen und nicht darauf hereinfallen.
1. Gründung einer ausländischen Gesellschaft
Im Internet treten Sie unter einem einprägsamen Namen auf. Die Verträge mit Ihren Kunden schließen Sie dann aber im Namen einer ausländischen Gesellschaft ab. Irgendeine „Inc“ in Florida zum Beispiel. Das ist einerseits weit weg und klingt andererseits doch noch hinreichend vertrauenserweckend. Anders, als wenn Ihre Gesellschaft irgendwo in Togo ansässig wäre.
Eine US Corporation lässt sich ganz leicht im Internet gründen. Aber wenn Sie so richtig tief in die Betrugsmasche einsteigen wollen, dann muss die Gesellschaft ja noch nicht einmal existieren. Trotzdem, eine Adresse, die irgendwo mit einem Briefkasten in den USA registriert ist, macht sich natürlich schon besser.
2. Gerichtsstandsvereinbarung
In Ihre AGB schreiben Sie hinein, dass Ansprüche gegen Sie, also gegen Ihre US Gesellschaft, nur am Sitz der US Gesellschaft geltend gemacht werden können. Wenn es sich bei Ihrem Vertragspartner um einen Unternehmer handelt, was beim Verkauf von Leads der Regelfall sein dürfte, dann haben Sie gute Chancen, dass diese Gerichtsstandsvereinbarung auch hält, also rechtswirksam ist.
Von nun kann Sie Ihr Vertragspartner also nur noch in den USA verklagen. Das ist eine enorme Hürde, denn jetzt muss er erst einmal einen Anwalt finden, der dort zugelassen ist, mit dem er sich auf Deutsch oder Englisch hinreichend gut verständigen kann und mit dessen Gebührenvorstellungen er klarkommt.
3. Rechtswahl
Wenn Sie ganz clever sein wollen, vereinbaren Sie jetzt noch die Anwendung deutschen Rechts. Das klingt vertrauenserweckend, bedeutet aber, dass der US Richter in Florida, wenn er sich an die Rechtswahlklausel hält, deutsches Recht anwenden muss.
Stellen Sie sich das einmal vor: Ein US Richter in Florida soll deutsches Recht anwenden! Das kann er nicht, das will er nicht, und da sträuben sich ihm die Nackenhaare. Ich verspreche Ihnen, dass so ein Prozess, wenn die Klage überhaupt zugelassen wird, ewig dauert.
4. Vorkasse
So, jetzt haben Sie die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, damit Sie vor einer Rechtsverfolgung geschützt sind. Jetzt müssen Sie noch an das Geld Ihres Kunden kommen, bevor der den Betrug bemerkt. Das geht am besten über Vorkasse.
Also Sie liefern Ihre Leads natürlich nur gegen Vorkasse. Denn dann hat der Kunde schon einmal gezahlt, bevor er feststellt, dass Ihre Leads tatsächlich nichts taugen. Natürlich wird nicht jeder Kunde bereit sein, einen hohen Betrag vorab zu überweisen. Aber da müssen Sie jetzt eben überzeugend sein und Ihre Marketingskills einsetzen. Positive Referenzen von anderen Kunden, die mit Ihren Leads ein Vermögen gemacht haben, werden sicher den einen oder anderen Interessenten blenden. Natürlich wird nicht jeder auf Ihre Masche hereinfallen. Aber wenn Sie Ihre Fühler weit genug ausstrecken, Ihr Netz weit genug spannen, dann wird sich schon das eine oder andere Opfer darin verfangen.
5. Vermögen verstecken
Ihre US Gesellschaft, in deren Namen Sie Ihre dubiosen Geschäfte abgeschlossen haben, sollte über kein nennenswertes auffindbares Vermögen verfügen. Denn wenn einer doch einmal mit einer Klage gegen Sie durchdringen sollte, dann wollen Sie natürlich nicht, dass er das Urteil auch tatsächlich vollstrecken kann. Also bietet es sich an, dass Ihre US Gesellschaft mehr oder weniger vermögenslos ist. Jedenfalls sollte es für Ihren Vertragspartner nicht so leicht sein, irgendein Vermögen aufzustöbern, in das er hineinvollstrecken könnte.
Aber Sie haben doch Geld von Ihrem Kunden bekommen, welches auf Ihr Bankkonto überwiesen wurde? Ja gut, aber auf diesem Konto werden Sie das Geld natürlich nicht belassen, sondern abheben oder irgendwo hin weiterleiten, am besten aus dem Land heraus, in dem Ihre Gesellschaft ihren Sitz hat und verklagt wird. Denn dann müsste das US Urteil erst einmal in dem Land, in dem sich das Geld letztendlich befindet, vollstreckt werden. Das ist eine weitere Hürde auf dem Weg der Rechtsverfolgung.
6. Fazit
Dieses Fazit richtet sich jetzt an die potenziellen Opfer solcher Betrugsmaschen:
a) Bevor Sie irgendwelche Verträge abschließen, schauen Sie sich genau an, wer Ihr Vertragspartner ist. Bei einer Gesellschaft im Ausland sollten Sie vorsichtig sein.
b) Lesen Sie sich auch die AGB durch – oder, wenn Ihnen das zu mühevoll erscheint, lassen Sie sie von einem Anwalt Ihres Vertrauens durchsehen.
Steht dort eine Gerichtsstandsvereinbarung, der zufolge Sie Ihren Vertragspartner nur im Ausland verklagen können? Dann seien Sie besonders vorsichtig. Denn ein deutscher Anwalt ist in aller Regel nicht in der Lage, Sie vor einem Gericht im (zumal außereuropäischen) Ausland zu vertreten. Dazu brauchen Sie einen Anwalt vor Ort, den müssen Sie erst einmal finden, sich mit ihm verständigen und sich dann auch noch auf ein Honorar einigen. Schwierig, sage ich Ihnen.
c) Leisten Sie keine allzu hohen Vorauszahlungen an Leute, die Sie nicht gut kennen. Wenn Sie sich unsicher sind, ob Ihr Vertragspartner vertrauenswürdig ist oder ob das Produkt, welches Sie kaufen wollen, tatsächlich etwas taugt, dann seien Sie mit (hohen) Vorauszahlungen vorsichtig. Wenn das Geld erst einmal weg ist, dann ist es erst einmal weg, und dann müssen Sie im Falle von Mängeln Ihrem Geld hinterherlaufen. Außergerichtliche Schreiben, auch über einen Anwalt, helfen gegenüber Betrügern in der Regel wenig. Häufig bleibt nur der Klageweg, und der ist unter den oben genannten Bedingungen schwierig.
d) Und wenn Sie bereits auf so eine Betrugsmasche hereingefallen sind, was dann?
Manchmal ist es wirtschaftlich am vernünftigsten, die Sache einfach abzuschreiben. Sie haben einen Fehler gemacht, ziehen Sie daraus für die Zukunft Ihre Lehren und seien Sie künftig vorsichtiger.
Sie sind sich unsicher, ob Sie auf einen Betrüger hereingefallen sind? Dann mag es sich lohnen, einen Anwalt über die Sache drüberschauen zu lassen. Wenn der hinreichend Erfahrung hat, kann er einigermaßen zuverlässig beurteilen, ob es sich um einen Internetbetrug handelt oder ob vielleicht doch Möglichkeiten bestehen, dass Sie Ihr Geld zurückbekommen.
Manchmal hilft es auch, wenn Sie sich per Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft wenden. Die kann, wenn sie will, den Fall verfolgen und Dinge ermitteln, die kein Anwalt ermitteln kann, weil zum Beispiel Internetprovider oder Banken gegenüber Ihrem Anwalt blocken. Aber wenn der Staatsanwalt vor der Tür steht, zeigen sich auch solche Institutionen häufig kooperativ. Im Wege der Akteneinsicht kann Ihr Anwalt dann nachlesen, was die Staatsanwaltschaft konkret ermittelt hat, also ob ein Täter ausfindig gemacht werden konnte, wo er sich gegebenenfalls auffällt, und so weiter.
Aber ich will Ihnen da keine allzu großen Hoffnungen machen. Häufig ist das Geld, das Sie einem Betrüger vorschnell und unüberlegt überwiesen haben, dann letztendlich doch auf Nimmerwiedersehen verloren. Ja, das Leben kann manchmal ungerecht sein.
Dr. Wolfgang Gottwald
Rechtsanwalt