Zusammenfassung der Entscheidung des LAG Köln vom 10.08.2023 – Az. 8 Sa 216/23
I. Sachverhalt
Der Kläger war seit dem 01.04.2015 bei der Beklagten, einem bundesweiten Anbieter für Autoglas-Reparaturen, als „Leiter Service-Center“ tätig. Im Zuge einer umfassenden Reorganisation der operativen Service-Struktur wurde die bisherige Hierarchieebene der Leiter Service-Center abgeschafft. Stattdessen wurden neue Rollen wie „Standortverantwortliche“ und „Service-Berater“ eingeführt.
Am 20.09.2022 sprach die Beklagte eine Änderungskündigung aus, mit der das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2022 beendet und dem Kläger eine Weiterbeschäftigung als Service-Berater zu geänderten Bedingungen angeboten wurde. Unter anderem wurde ihm ein neues Aufgabenprofil, ein verändertes Gehaltssystem und der Ausschluss von der sogenannten „Hauserhöhung“ (einer freiwilligen Gehaltsanpassung) mitgeteilt. Der Kläger nahm das Angebot unter Vorbehalt an und klagte gegen die Änderungskündigung sowie auf Zahlung der nicht gewährten Hauserhöhung.
II. Entscheidungsinhalt
Das LAG Köln bestätigte die Vorinstanz (ArbG Köln, Urteil vom 29.11.2022 – 5 Ca 4429/22) im Wesentlichen und erklärte die Änderungskündigung für unwirksam. Zudem sprach es dem Kläger Ansprüche auf Zahlung der Hauserhöhung zu.
1. Unwirksamkeit der Änderungskündigung
a) Soziale Rechtfertigung (§§ 1 Abs. 2 S. 1, 2 KSchG)
Für eine wirksame betriebsbedingte Änderungskündigung bedarf es zunächst eines Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs für die bisherige Tätigkeit. Zudem muss das Änderungsangebot verhältnismäßig sein – d. h. es darf nur solche Änderungen enthalten, die zur Anpassung an die neue betriebliche Situation geeignet und erforderlich sind. Die Änderungen müssen sich dabei auf das Maß beschränken, das der Arbeitnehmer „billigerweise hinnehmen“ muss.
Leitsatz (Redaktionell):
„Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.“ (unter Bezug auf BAG v. 02.03.2017 – 2 AZR 546/16)
b) Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Das Änderungsangebot der Beklagten enthielt neben der Tätigkeitsänderung auch die Streichung verschiedener Vergütungsbestandteile (z. B. Arbeitgeberzuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen, Jahresprämie, Hauserhöhung). Diese wurden pauschal aufgehoben, ohne dass dargelegt wurde, dass sie zur Erreichung des betrieblichen Ziels erforderlich waren.
Insbesondere der vollständige Ausschluss von der variablen Vergütung wurde als unverhältnismäßig bewertet, da hierfür keine betrieblichen Gründe vorlagen. Da bereits eine dieser Änderungen unverhältnismäßig war, war die gesamte Änderungskündigung unwirksam (vgl. BAG v. 21.09.2006 – 2 AZR 120/06).
c) Unbestimmtheit des Änderungsangebots
Das Gericht rügte ferner die mangelnde Bestimmtheit der neuen Arbeitsbedingungen: Der Umfang der Tätigkeitsveränderung sowie die exakte Zusammensetzung der Vergütung wurden nicht klar und widerspruchsfrei geregelt. Insbesondere war unklar, welche Vergütungsbestandteile fortgelten sollten und welche nicht.
2. Anspruch auf Hauserhöhung
a) Gesamtzusage als Anspruchsgrundlage
Die Beklagte hatte mit E-Mail vom 21.07.2022 eine 5%ige Gehaltserhöhung („Hauserhöhung“) für alle anspruchsberechtigten Mitarbeitenden ab dem 01.07.2022 angekündigt. Dabei handelte es sich um eine Gesamtzusage, also ein einseitiges Leistungsversprechen an einen nach abstrakten Kriterien bestimmbaren Mitarbeiterkreis.
b) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Der Kläger war nicht wirksam auf eine neue, von der Hauserhöhung ausgenommene Position versetzt worden. Da der ursprüngliche Arbeitsvertrag als Leiter Service-Center mangels wirksamer Änderungskündigung fortbestand, durfte er nicht von der Erhöhung ausgeschlossen werden. Eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung lag nicht vor, zumal die Hauserhöhung der Abmilderung der Inflation und der Anerkennung bisheriger Leistungen diente.
III. Ergebnis
Das LAG Köln stellte fest:
- Die Änderungskündigung vom 20.09.2022 ist mangels Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit unwirksam (§§ 2, 1 Abs. 2 KSchG).
- Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Hauserhöhung für den Zeitraum von September 2022 bis April 2023 in Höhe von insgesamt 1.453,30 € brutto.
- Die Berufung der Beklagten blieb weitgehend erfolglos, die Anschlussberufung des Klägers teilweise erfolgreich.
- Die Revision wurde nicht zugelassen.
Zitiervorschlag:
LAG Köln, Urteil vom 10.08.2023 – 8 Sa 216/23, BeckRS 2023, 42694.